IV.
S. 26 Von dieser Insel Skandza also sollen einst wie aus einer Werkstatt der Völker oder einer Mutter der Nationen die Goten mit ihrem König Berig ausgefahren sein. Sobald sie ihre Schiffe verließen und ans Land stiegen, gaben sie demselben sogleich ihren Namen. Denn noch heute heißt, wie man erzählt, dort ein Land Gothiskandza. Von da rückten sie später vor ins Land der Ulmeruger, die damals an den Meeresküsten saßen, zogen gegen sie zu Felde, lieferten ihnen eine Schlacht und vertrieben sie aus ihrer Heimat. Ihre Nachbarn, die Wandalen, unterwarfen sie schon damals und nötigten sie durch ihre Siege zum Anschluß. Als nun die Zahl des Volkes immer mehr zunahm und ungefähr der fünfte König nach Berig herrschte, nämlich Filimer, der Sohn des Gadarich, faßte dieser den Entschluß, daß das Heer der Goten mit Weib und Kind auswandern solle. Als er nach geeigneten Wohnsitzen und passenden Gegenden suchte, kam er in die Lande von Scythien, welche in ihrer Sprache Oium heißen. Die fruchtbaren Gegenden gefielen dem Heer. Da brach jedoch, nachdem schon die Hälfte die Brücke überschritten hatten, welche über den Fluß führte, diese zusammen und man konnte sie nicht wiederherstellen; so konnte niemand mehr hinüber oder herüber. Denn jene Gegend ist, wie erzählt wird, von einem Abgrund mit unsicherem Moor umgeben, und die Natur hat sie so auf doppelte Art unwegsam gemacht. Noch bis auf den heutigen Tag aber lassen sich dort Stimmen von Herden vernehmen, und man hat Anzeichen von dem Vorhandensein von Menschen entdeckt, wie man nach dem Zeugnis der Wanderer, welche es zwar nur aus der Ferne S. 27 vernommen haben, glauben darf. Der Teil der Goten also, der unter Filimer über den Fluß setzte und nach Oium kam, bemächtigte sich des ersehnten Bodens. Gleich darauf kamen sie zu dem Volk der Spaler, lieferten ihnen eine Schlacht und gewannen den Sieg. Im Siegeslauf gelangten sie dann bis an den Entferntesten Teil Scythiens, der an den Pontus grenzt, wie das in ihren alten Liedern insgemein fast nach der Art eines Geschichtsbuches erzählt wird. Dies bezeugt auch Ablabius, der die Goten vortrefflich geschildert hat in seiner durchaus zuverlässigen Geschichte. Hiermit stimmen auch einige Frühere überein. Warum Josephus, ein höchst gewissenhafter Berichterstatter, da er doch überall die Wahrheit sich zur Richtschnur nimmt und den Ursprung der Dinge bis auf die ersten Anfänge verfolgt, diese Nachrichten vom Ursprung der Goten nicht erwähnt hat, wissen wir nicht. Nur den Magog nennt er aus ihrem Stamm und fügt hinzu, daß sie ihrer Herkunft und ihrem Namen nach Scythen geheißen hätten. Die Lage dieses Landes nun müssen wir, ehe wir zu einem andern Gegenstand übergehen, beschreiben.
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