XVI.
S. 51 Dieses Volk tat sich ganz besonders in der Gegend, wo es sich aufhielt, das heißt auf der scythischen Seite des Pontus, hervor, da es so weite Länderstrecken, so viele Meerbusen, so weite Flußgebiete unangefochten besaß. Oft unterlag der Wandale seiner Hand, der Markomanne war zinspflichtig, die Fürsten der Quaden wurden unterworfen. Als der obenerwähnte Philipp die Römer beherrschte, der allein mit Philipp, seinem Sohn, vor Konstantin Christ war, während dessen zweitem Regierungsjahr Rom sein tausendstes Jahr vollendete, wurden die Goten, wie es zu gehen pflegt, da sie über die Entziehung der Jahresgelder ergrimmten, aus Freunden Feinde. Denn obgleich sie fern unter ihren Königen lebten, waren sie doch Verbündete des römischen Staates und erhielten dafür jährlich bestimmte Gaben. Zuletzt ging Ostrogotha mit den Seinen über die Donau und verwüstete Mösien und Thrazien. Ihn wieder zurückzutreiben, wurde von Philipp der Senator Decius beauftragt. Da dieser gegen die Goten nichts ausrichtete, entließ er seine Soldaten von den Fahnen und nötigte sie, ins Privatleben zurückzukehren, als ob die Goten infolge ihrer Nachlässigkeit über die Donau gekommen wären, und nachdem er solche Strafe über die Seinen verhängt hatte, kehrte er zu Philipp zurück. Als aber seine Soldaten sich nach so vielen Mühen aus dem Kriegsdienst entlassen sahen, nahmen sie voll Entrüstung zum Gotenkönig Ostrogotha ihre Zuflucht. Dieser nahm sie auf, und durch ihre Reden ermutigt, führte er alsbald 300000 Bewaffnete von seinem Volk ins Feld; dazu nahm er einige Taifalen und Asdinger, aber auch 5000 Karpen, ein gar kriegerisches S. 52 Volk, das oft mit den Römern in Feindschaft lag; nachmals aber besiegte sie unter die Regierung des Diokletianus und des Maximianus der Kaiser Galerius Maximinus und unterwarf sie dem Römischen Reich. Dazu nahm er noch Goten und Peuciner von der Insel Peucä, die an der Mündung der Donau am Pontus liegt. Den Argaith und Guntherich, die vornehmsten in seinem Volk, ernannte er zu Feldherren. Hierauf durchwateten sie die Donau, verheerten Mösien zum zweitenmal und griffen Marcianopolis, die berühmte Hauptstadt dieses Landes, an, ließen jedoch nach langer Belagerung, als sie von den Einwohnern Geld erhalten hatten, davon ab. Und weil wir nun Marcianopolis genannt haben, so wollen wir einiges wenige über seine Lage einschieben. Diese Stadt hat nämlich, wie man berichtet, der Kaiser Trajan gebaut aus folgendem Grund. Ein Mädchen seiner Schwester Marcia ließ beim Bad in den Fluß Potamus, der sehr helles und wohlschmeckendes Wasser hat und mitten in der Stadt entspringt, als sie Wasser schöpfen wollte, zufällig den goldenen Becher, den sie bei sich hatte, in die Tiefe fallen, wohin ihn das Gewicht des Metalls hinabzog; lange darnach aber kam er wieder an die Oberfläche; das war doch etwas ganz Ungewöhnliches, erstens daß ein leerer Becher untersank, und dann daß er, nachdem er einmal von den Wellen verschlungen war, von den Wellen ausgespien wurde und an der Oberfläche schwamm. Als dies Trajan zu seiner großen Verwunderung vernahm, glaubte er, daß in der Quelle eine Gottheit wohne, gründete die Stadt und gab ihr nach seiner Schwester den Namen Marcianapolis.
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