XLIX.
S. 123 Dieser hatte sich, wie der Geschichtschreiber Priskus berichtet, zur Zeit seines Todes ein Mädchen von sehr großer Schönheit, namens Ildiko, [453] nach unzähligen Frauen, wie es bei jenem Volke Sitte war, zur Gattin gesellt. Als er sich nun bei der Hochzeit einer allzugroßen Fröhlichkeit hingegeben und dann schwer von Wein und Schlaflust sich rücklings niedergelegt hatte, erstickte ihn der Blutstrom, der sich ihm häufig aus der Nase ergoß, als ihm der gewohnte Ausgang versperrt war, dadurch, daß er sich den todbringenden Weg in den Schlund bahnte. So brachte dem kriegsberühmten Könige seine Trunkenheit ein schmähliches Ende. Als am folgenden Morgen bereits ein großer Teil des Tages verstrichen war, argwöhnten die königlichen Diener ein trauriges Ereignis. Nachdem sie ein lautes Geschrei erhoben, erbrachen sie die Tür und fanden den Attila tot ohne Wunde infolge des Blutsturzes, das Mädchen aber mit niedergeschlagener Miene und verhülltem Haupte weinend. Da schnitten sie sich, wie es bei jenem Volke Sitte ist, einen Teil des Haupthaars ab und entstellten ihr abscheuliches Gesicht durch klaffende Wunden, damit der große Kriegsheld nicht mit weibischen Klagen und Tränen, sondern mit Männerblut betrauert werde. Hierbei ereignete es sich merkwürdigerweise, daß die Gottheit im Traum zu Marcian, dem Fürsten des Morgenlandes, dem bange war wegen eines so furchtbaren Feindes, herantrat und ihm in derselben Nacht den zerbrochenen Bogen Attilas zeigte, da ja jenes Volk sich auf diese Waffe viel zu gut tat. Dies behauptet der Geschichtschreiber Priskus mit zuverlässigem Zeugnis erhärten zu können. So furchtbar erschien Attila den S. 124 großen Reichen, daß sie seinen Tod wie ein Geschenk von oben den Herrschern des Himmels anrechneten. Wie sein Leichnam von seinem Volk geehrt wurde, davon wollen wir nur weniges aus vielem hervorheben. Mitten auf dem Felde unter seidenen Zelten wurden seine sterblichen Reste aufgebahrt. Dann führten sie ein wunderbares feierliches Schauspiel auf. Die besten Reiter aus dem ganzen Hunnenvolk ritten um den Platz herum, wo er lag, wie bei Zirkusspielen, und verherrlichten seine Taten in Leichengesängen auf folgende Weise: „Attila, der Hehre, Beherrscher der Hunnen, Mundzuks Erzeugter, König kampfmutiger Völker, der wie kein andrer vor ihm Scythiens und Germaniens Reiche mit unerhörter Macht allein regierte, der beiden Römerreiche Schrecken, der Städteeroberer; um nicht das übrige der Plünderung anheimfallen zu lassen, ließ er sich erbitten, jährlichen Tribut anzunehmen. Da er alles dieses mit Glück vollbracht hatte, fand er nicht durch eine Wunde der Feinde, nicht durch den Trug der Seinigen, mitten im freudigsten Glück, im Glanz seines Volkes, sonder Schmerzensempfindung den Tod. Wer sollte also das für des Lebens Ende halten, wo niemand an Rache denken kann?“ Nach dem sie ihn mit solchen Klageliedern betrauert, feierten sie ihm auf seinem Grabhügel eine strava, wie sie es nennen, mit unermeßlichem Trinkgelage, und indem sie Gegensätze miteinander verbanden, vermischten sie die Todesklage mit Äußerungen der Freude. Dann übergaben sie in der Stille der Nacht den Leichnam der Erde. Seinen ersten Sarg hatten sie aus Gold, den zweiten aus Silber, den dritten aus Eisen gefertigt; damit zeigten sie, daß alles dieses dem mächtigen König zukomme: das Eisen, weil er die Völker bezwang, Gold und Silber, weil er die S. 125 Zierden beider Reiche erhalten habe; dazu legten sie durch Feindes Tod erbeutete Waffen, kostbaren Pferdeschmuck, strahlend von Edelsteinen aller Art, und mancherlei Ehrenzeichen, mit denen der Glanz des Hofes geziert wird. Und damit menschliche Neugier von so vielen großen Reichtümern ferngehalten werde, töteten sie - ein schrecklicher Lohn! - die mit der Arbeit Beauftragten nach vollbrachtem Werk, und die Totengräber, wie den Begrabenen überraschte ein plötzlicher Tod.
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