XVII.
S. 53 Sodann begab sich der Gete, wie wir berichteten, nach einer langen Belagerung reichbeschenkt in seine Heimat. Als aber das Volk der Gepiden sah, wie er auf einmal überall siegreich auftrat und mit Beute bereichert ward, erhob es aus Neid die Waffen gegen seine Stammesverwandten. Wenn du aber erfahren willst, wie Geten und Gepiden stammesverwandt sind, so will ich es kurz berichten. Du mußt dich erinnern, daß ich schon am Anfang erzählt habe, die Goten seien mit ihrem König Berich aus dem Schloß der Insel Skandza aufgebrochen und auf nur drei Schiffen zum diesseitigen Ufer des Ozeans, das heißt, nach Gothiskandza, gekommen. Von diesen drei Schiffen soll eines, weil es, wie es ja oft vorkommt, später ankam, dem Volk den Namen gegeben haben. Denn in ihrer Sprache heißt träge gepanta. Daher kam es, daß sie allmählich und in verderbter Form von diesem Scheltwort den Namen Gepiden erhielten. Denn unzweifelhaft leiten auch sie aus der Goten Geschlecht ihren Ursprung her. Weil aber, wie gesagt, gepanta etwas Träges und Langsames bedeutet, so entstand als ein willkommenes Schimpfwort daraus der Name Gepiden, der auch nicht ganz unpassend sein dürfte. Denn sie sind trägen Geistes und schwerfällig in bezug auf Körperbewegung. Während also diese Gepiden von Neid gestachelt in Spesis auf einer Insel, die rings von den Untiefen der Viskla umgeben ist, verweilten, die sie in ihrer Sprache Gepidoios nannten - nun bewohnt, wie man sagt, das Volk der Wiwidarier diese Insel, während sie selbst in bessere Länder gegangen sind. Diese Wiwidarier haben sich aus verschiedenen Völkern wie an einem Zufluchtsort S. 54 dort gesammelt und bildeten so ein eigenes Volk -, da also rief der Gepidenkönig Fastida, wie gesagt, sein ruhiges Volk auf und erweiterte mit den Waffen das väterliche Gebiet. Die Burgundzonen schlug er fast bis zur Vernichtung und besiegte noch manche andere Völker. Auch die Goten forderte er ohne Grund zum Kampf heraus und verletzte so das frühere Bündnis der Blutsverwandtschaft durch seine unerträgliche Streitsucht; und indem er in seinem hochfahrenden Übermut seinem wachsenden Volk immer mehr Land zu erobern begann, machte er die Zahl der Bewohner der Heimat immer kleiner. Er schickte Gesandte an Ostrogotha, unter dessen Herrschaft noch sowohl die Ostrogoten wie die Wesegoten, das heißt die beiden Stämme dieses Volkes, standen, und beklagte sich, daß er von schroffen Gebirgen eingeschlossen sei und von dichten Wäldern eingepfercht; er verlangte also von zweien das eine: er solle entweder Krieg oder Land für ihn bereit halten. Da antwortete Ostrogotha, der Gotenkönig, wie er denn ein Mann von festem Sinn war, den Gesandten, er verabscheue zwar einen solchen Krieg; es werde ihn hart ankommen, und es sei durchaus gottlos, mit Verwandten zu kämpfen; aber Land räume er nicht ein. Kurz - die Gepiden schlugen los, und um nicht für den Schwächeren zu gelten, rief auch Ostrogotha seinen Heerbann gegen sie auf. Bei der Stadt Galtis, wo der Fluß Auha vorbeifließt, stießen sie aufeinander, und es wurde mit großer Tapferkeit auf beiden Seiten gestritten, weil beide gleiche Bewaffnung und gleiche Kampfesart hatten. Aber ihre bessere Sache und ihre Ausdauer half den Goten. Als endlich ein Teil der Gepiden zum Weichen gebracht war, trennte die Nacht die Schlacht. Da ließ Fastida, der König der Gepiden, die S. 55 Leichen der Seinigen zurück und eilte der Heimat zu, von ebenso großer Schmach und Schande niedergedrückt, als er vorher von Übermut aufgeblasen war. Auch die siegreichen Goten, zufrieden mit dem Abzug der Gepiden, kehrten zurück und genossen in ihrer Heimat glücklichen Frieden, so lange Ostrogotha ihr Oberhaupt war.
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