XXXV.
S. 91 Dieser Attila war der Sohn Mundzuks, dessen Brüder Oktar und Roas vor Attila die Herrschaft bei den Hunnen gehabt haben sollen, wenn auch nicht über alle die, welche er beherrschte. Nach ihrem Tod folgte er mit seinem Bruder Bleda in der Herrschaft über die Hunnen nach und, um vorher zu der Unternehmung, die er beabsichtigte, stark genug zu sein, suchte er Verstärkung seiner Macht durch Brudermord und eilte zum Entscheidungskampf für alle über die Leichen der Seinigen. Aber er fand, wenn er auch durch diese abscheuliche Tat an Macht zunahm, doch durch die Wage der Gerechtigkeit einen schmählichen Ausgang für seine Grausamkeit. Nachdem er nämlich seinen Bruder Bleda heimtückisch ermordet hatte [im Jahre 445], der über einen großen Teil der Hunnen geherrscht, vereinigte er das ganze Volk unter seinem Szepter; und nachdem er die andern Völker, die ihm damals untertan waren, in großer Anzahl versammelt hatte, war sein sehnlichster Wunsch der, die ersten Völker der Welt, die Römer und Wesegoten, zu unterwerfen. Sein Heer soll fünfhunderttausend Mann stark gewesen sein. Er war ein Mann, dazu geschaffen, die Welt zu erschüttern, der Schrecken aller Länder, der auf eine unerklärliche Weise alles in Furcht setzte durch den schrecklichen Ruf, der über ihn verbreitet war. Stolz schritt er einher und ließ nach allen Seiten die Augen schweifen, damit die Macht, die der hochmütige Mensch inne hatte, auch in seiner Körperbewegung sich zeigte. Er war ein Liebhaber der Kriege, aber persönlich zurückhaltend; seine Stärke lag in seiner klugen Umsicht. Gegen Bittende war er nicht hart, und gnädig gegen die, welche sich ihm einmal S. 92 unterworfen hatten. Er war klein von Gestalt, breitschulterig, dickköpfig, hatte kleine Augen, spärliches Barthaar mit Grau untermischt, eine platte Nase, dunkle Hautfarbe, und trug die Kennzeichen seines Ursprungs. Wenngleich er schon von Natur eine große Siegeszuversicht hegte, so erhöhte doch der Fund des Schwertes des Mars noch sein Selbstvertrauen; dasselbe hatte immer bei den Königen der Scythen für heilig gegolten. Der Geschichtschreiber Priskus berichtet, daß es bei folgender Gelegenheit entdeckt worden sei. Als ein Hirte ein Kalb unter seiner Herde hinken sah, ohne den Grund einer so bedeutenden Verwundung finden zu können, folgte er ängstlich den Blutspuren und stieß zuletzt auf ein Schwert, auf welches beim Abweiden des Grases das Kalb unvorsichtig getreten war. Er grub es heraus und trug es alsbald zu Attila. Dieser freute sich über das Geschenk, und kühn, wie er war, meinte er, er sei zum Herrn der Welt bestimmt, und die Übermacht im Kriege sei ihm mit dem Schwerte des Mars verliehen.
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