XXXVI.
S. 93 Da Gizerich, der Wandalenkönig, den wir vorhin erwähnt haben, erfuhr, daß dieser Mann auf die Verwüstung des Erdkreises sinne, so drängte er ihn durch viele Geschenke zum Krieg mit den Wesegoten. Er fürchtete nämlich, Theodoridus, der König der Wesegoten, möchte die Schmach, welche er seiner Tochter angetan hatte, rächen. Diese war früher mit Hunnerich, dem Sohne Gizerichs, vermählt gewesen und hatte sich, in der ersten Zeit wenigstens, einer solchen Vermählung erfreut. Später aber hatte Gizerich, wie er denn selbst gegen seine Kinder grausam war, lediglich auf den Verdacht hin, daß sie versucht habe, ihn zu vergiften, mit abgeschnittener Nase und verstümmelten Ohren, ihrer natürlichen Zierde beraubt, ihrem Vater nach Gallien zurückgeschickt, so daß die Beklagenswerte ihm immer einen jämmerlichen Anblick bot. Solche Grausamkeit, durch die sogar Fremde hätten ergriffen werden müssen, konnte den Vater nur zu nachdrücklicher Rache aufreizen. Attila nun brachte den schon lange beschlossenen Krieg infolge der Bestechung durch Gizerich zur Ausführung; er schickte Gesandte nach Italien zum Kaiser Valentinian, um Zwietracht zwischen Römer und Goten zu säen. Er wollte die, welche er in einer Schlacht zu besiegen nicht hoffen durfte, durch gegenseitigen Haß vernichten, und sagte deshalb, er wolle in keinem Punkt sein Freundschaftsverhältnis zum Reich verletzen; aber er habe gegen den Wesegotenkönig Theodorid einen Kampf auszufechten. Da er nun gerne mit seinem Anerbieten aufgenommen zu werden wünschte, so hatte er den übrigen Brief mit den herkömmlichen Schmeicheleien der Begrüßung überfüllt und suchte so S. 94 für seine Lügen Glauben zu erwecken. Auf gleiche Weise schickte er Schreiben an den Wesegotenkönig Theodorid und forderte ihn auf, sich von dem Bündnis mit den Römern loszusagen. Er solle sich wieder der Händel erinnern, die kurz zuvor gegen ihn erregt worden seien. So kämpfte der trotz aller Roheit verschlagene Mensch, ehe er den eigentlichen Krieg eröffnete, mit Ränken. Da sandte Kaiser Valentinian an die Wesegoten und ihren König Theodorid eine Gesandtschaft mit folgendem Auftrag: „Eure Klugheit, tapferstes der Völker, gebietet es, euch mit uns gegen den Tyrannen der Welt zu vereinigen. Er will allgemeine Knechtschaft der Menschheit. Er sucht nicht erst nach Gründen zum Krieg; was er auch tut - es scheint ihm gerecht. Sein Ehrgeiz ist grenzenlos; seinen Hochmut befriedigt seine Frechheit. Ein Verächter von Recht und Gesetz offenbart er sich auch als Feind der Natur. Er, der sich als gemeinsamer Feind aller offenbart, verdient auch den Haß aller. Erinnert euch nur - das ist ja in aller Gedächtnis -, daß ihr vonseiten der Hunnen nicht mit Krieg überwunden, wo wenigstens das Verhältnis für beide Teile ein gleiches ist, sondern, wovor man sich mehr zu fürchten hat, mit List und Trug angegriffen seid. Um von uns zu schweigen, - könnt ihr diesen Ubermut straflos hingehen lassen? Ihr, die ihr mächtig seid durch eure Waffen, folgt eurer eigenen Entrüstung und vereinigt euch zu gemeinsamem Handeln mit uns. Kommt auch dem Reich zu Hilfe, von dem ihr einen Teil bewohnet. Wie sehr uns das Bündnis mit euch wünschenswert sein muß, danach fraget die Feinde selbst!“ Durch diese und derartige Worte gewannen die Gesandten Valentinians den König Theodorid. Er gab ihnen folgende Antwort: „Ihr habt euren Wunsch, Römer; ihr habt den Attila auch uns S. 95 zum Feind gemacht. Wir werden ihm folgen, wohin er uns ruft, und wenn er auch hochmütig ist wegen seiner Siege über viele Völker, so verstehen die Goten auch mit Hochmütigen zu kämpfen. Keinen Krieg möchte ich zu gefährlich nennen, außer wo die Sache keine gute ist; keine Gefahr kann uns schrecken, da uns des Kaisers Hoheit huldreich lächelt“. Die Gefährten des Anführers bezeigten laut ihren Beifall, freudig folgte die Menge. Bei allen zeigt sich Kampfeseifer; schon wünscht man sich die Hunnen zu Feinden. Darum wurde vom Wesegotenkönig Theodorid eine Unmasse Volkes aufgebracht. Vier von seinen Söhnen, Friderich, Eurich, Retemir und Himnerith, ließ er zu Hause. Nur die beiden ältesten, Thorismund und Theodorich, nahm er zu Genossen des Kampfes. Glücklich als Heeresaufgebot, sicher die Hilfe, als liebe Genossenschaft den Beistand derer zu haben, mit denen man sich sogar gerne in Gefahren begibt! Auf seiten der Römer besaß der Patrizius Aetius - dieser war damals die Stütze des Reiches von Hesperien - solche Umsicht, daß er, nachdem er seine Truppen von allen Seiten zusammengezogen hatte, dem wilden, unzählbaren Feind, gegen den er zog, wohl gewachsen war. Denn folgende Hilfsvölker waren dabei: Franken, Sarmaten, Armoricianer, Liticianer, Burgundionen, Sachsen, Riparer, Olibrionen, welche ehemals römische Soldaten gewesen, damals aber zu den Hilfsvölkern gestellt waren, und einige andere keltische und germanische Stämme. So kam es auf den Katalaunischen Feldern, die auch die Mauriakischen heißen, die sich hundert Leuvä, wie es die Gallier nennen, in die Länge und siebzig in die Breite erstrecken, zum Zusammenstoß. Eine gallische Leuva aber beträgt soviel als 1500 Schritte. Dieser Teil der Erde ward nun S. 96 der Tummelplatz unzähliger Völker. Auf beiden Seiten waren es die tapfersten Heere, die aneinander gerieten; nichts wurde in heimlichen Schlichen ausgemacht, sondern in offenem Kampf wurde gefochten. Welche Sache ließe sich finden, die der Aufbietung so vieler Kräfte würdig wäre? Und wie groß mußte der Haß sein, daß er alle gegeneinander in Waffen brachte? Es hat sich da erwiesen, daß das Menschengeschlecht für die Könige lebt, da hier auf den tollen Einfall eines einzelnen hin die Völker niedermetzelt wurden, da infolge der Willkür eines übermütigen Königs zerstört wurde, was die Natur in so vielen Jahrhunderten geschaffen.
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