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Darauf, glaube ich, wirft er Sekten mit Sekten zusammen, ohne anzumerken, dass das eine zu dieser das andere zu jener Sekte gehört, und bringt die Einwendungen, die wir gegen Markion zu erheben pflegen, vor. Er hat wohl auch diese nur oberflächlich von einigen Leuten gehört, die unsere Lehre in wohlfeiler und gemeiner, aber gar nicht in verständiger Weise angreifen. Er führt also die gegen Markion erhobenen Einwürfe an, und ohne anzudeuten, dass seine Worte an diesen gerichtet sind, wirft er die Fragen auf: " Warum aber sendet er verstohlenerweise und vernichtet dessen Werke? Warum drängt er sich gewaltsam heimlich ein und verleitet und führt irre? Warum verlockt er die von diesem Verurteilten - oder Verfluchten, wie ihr sagt - und führt sie nach Art eines Sklavenhändlers heimlich weg? Warum lehrt er sie, dem Herrn zu entlaufen und vor dem Vater zu fliehen? Warum macht er sie zu seinen Kindern, obwohl der Vater es nicht gestattet? Warum gibt er sich als Vater der fremden Kinder aus?" Diese Fragen fügt er, gleichsam um seiner Verwunderung Ausdruck zu geben, noch hinzu: " Das ist wirklich ein Ehrfurcht gebietender Gott, der den Wunsch hegt, der Vater S. 601 der Sünder zu sein, die bei einem anderen1 verurteilt worden sind, dieser Elenden, dieses 'Auswurfs'2 , wie sie sich selbst bezeichnen; ein Gott, der nicht imstande ist, den3 , den er ausgesandt hatte, um sie heimlich wegzuführen, zu rächen, als er gefangen worden war."
Hierauf wendet sich Celsus gleichsam an uns, die wir bekennen, dass "diese Welt" nicht das Werk irgendeines "fremden und ausländischen Gottes" ist, mit folgenden Worten: Wenn dies aber seine Werke sind, wie konnte denn Gott Böses schaffen? Wie kann er unfähig sein zu überreden und zurechtzuweisen? Wie kann er, da sie undankbar und schlecht geworden sind, über sie Reue empfinden4 und seine eigene Kunst tadeln und hassen und drohen und die eigenen Geschöpfe zugrunde richten? Oder wohin wohl entführt er sie aus dieser Welt, die er selbst gemacht hat?" Celsus scheint mir nun auch an dieser Stelle nicht klarzulegen, was er unter "dem Bösen" versteht, obwohl doch auch bei den Griechen viele Spaltungen über die Bestimmung von gut und böse entstanden sind, und kommt zu dem raschen Schluß: aus unserer Lehre, dass auch "diese Welt zu den Werken Gottes" des Allerhöchsten, gehören, folge naturgemäß, dass "Gott" nach unserer Ansicht der Schöpfer "des Bösen" sei.
Mag es sich nun mit "dem Bösen" verhalten, wie es will, mag es ein Werk Gottes sein oder nicht, sondern nur aus einer Begleiterscheinung der vornehmsten S. 602 Zwecke entstanden: es sollte mich wundern, wenn das, was er als die Folge unserer Behauptung, zu den Werken des allmächtigen Gottes gehöre auch diese Welt, annimmt, dass nämlich "Gott das Böse geschaffen habe", sich nicht ebenfalls aus seinen Worten ergibt. Denn man könnte an Celsus die Frage richten: "Wenn dies seine Werke sind, wie konnte denn Gott Böses schaffen? Wie kann er unfähig sein zu überreden und zurechtzuweisen?" Die größte Schlechtigkeit aber liegt in Worten, wenn einer den Andersgläubigen wegen gewisser angeblich nicht richtiger Lehren Vorwürfe macht, obwohl seine eigenen Lehrsätze, die er aufstellt, diesen Vorwurf in weit höherem Grade verdienen.
