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Hierauf erhebt Celsus, von einem andern Punkt ausgehend, folgende Anklage gegen uns: „ Sie begehen aber einen ganz gottlosen Irrtum auch mit dieser großen Unkenntnis, die in gleicher Weise von1 göttlicher Rätselworte abirrt, indem sie für Gott einen Gegner schaffen und ebendenselben Diabolos2 und in hebräischer Sprache Satan3 benennen. Übrigens ist dies nun ein ganz menschlicher Gedanke und ein gottloser Ausspruch, dass der höchste Gott, in der Absicht, den Menschen irgendeine Guttat zu erweisen, seinen Widersacher hat und ohnmächtig ist. Der Sohn Gottes also erliegt dem Teufel, und gestraft von ihm lehrt er auch uns, die von diesem verhängten Strafen zu verachten, indem er verkündigt, dass nun der Satan ebenfalls in gleicher Weise erscheinen und große und wunderbare Taten vollbringen und sich dabei die Herrlichkeit S. 582 Gottes anmaßen werde4 . Durch diese Werke des Satans aber sollten wir nicht verführt werden und uns nicht jenem zuwenden, sondern müßten allein ihm5 Glauben schenken. Das ist nun geradezu das Verfahren eines Gauklers, der um Lohn seine Kunst betreibt und sich zum voraus sorgfältig vor solchen schützen will, die durch andere Lehren Ansehen und Anhang zu gewinnen suchen“
Celsus will im folgenden die dunklen Aussprüche [anführen], deren Mißverständnis, wie er glaubt, unsere Ansicht vom Satan verursacht hat; er sagt: „ Die Alten berichten geheimnisvoll von einem gewissen göttlichen Krieg, wie Heraklit, der so spricht: Man muß aber wissen, dass der Krieg allgemein und das Recht der Streit ist, und dass alles im Streit entsteht und getan wird
, und wie Pherekydes, der lange vor Heraklit gelebt hat. Dieser erzählt eine Sage, in der ein Heer einem anderen gegenübergestellt wird, und gibt dem einen den Kronos, dem andern aber den Ophioneus zum Anführer und berichtet von ihren Herausforderungen und Kämpfen und von den Verträgen, die sie geschlossen haben. Danach sollte derjenige Teil, der in den Okeanos getrieben würde, der besiegte sein, der andere aber, der den Gegner bedrängt und besiegt hätte, sollte den Himmel besitzen. Diesen Sinn fände man S. 583 auch“ sagt er, „in den geheimnisvollen Erzählungen von den Titanen und Giganten, die nach der Überlieferung mit den Göttern kämpften, und in den Erzählungen der Ägyptier von Typhon, Horos und Osiris.“
Nachdem er solche Dinge angeführt, aber nicht zum Trost angegeben hat, inwiefern sie einen höheren Sinn enthalten, während unsere Lehren nur Mißverständnis jener wären, fährt er in seinen Schmähungen wider uns fort mit den Worten: „ Jene Lehren seien nicht gleich denjenigen über einen Teufel-Dämon oder - worin sie der Wahrheit näherkommen - über einen Zauber-Menschen, der eine andere Lehre verkünden will.“ So versteht er auch „den Homer“, dass er nämlich „ die gleichen Dinge wie Heraklit und Pherekydes und die Erzähler der die Titanen und Giganten betreffenden Geheimnisse in diesen Worten des Hephaistos an Hera dunkel andeute: “Denn schon früher einmal, da zur Abwehr kühn ich genaht war, Schleudert' er mich, an der Ferse gepackt, von der heiligen Schwelle'; und ebenso in den folgenden Worten des Zeus an die Hera: „Denkst du daran, wie hoch du mal hingst, und ich an die Füße Dir zwei Ambosse band und mit unzerbrechlicher 'gold'ner Fessel die Hände umschlang? Du aber hingest im Äther und in den Wolken. Da zürnten die Götter im weiten Olympos. S. 584 Keiner vermochtes, zu nahn, dich zu lösen; wen ich dabei traf, diesen packt
ich und warf von der Schwell`ihn, bis er zur Erde schwach nur atmend entsank“. Celsus gibt dann eine Erklärung der Worte Homers und sagt: „ Die Worte des Zeus an die Hera seien Worte, die der Gott zu der Materie gesprochen habe. Die an die Materie gerichteten Worte aber deuteten dunkel an, dass Gott die Materie, die von Anfang an mit Fehlern behaftet war, ergriff und nach gewissen Verhältnissen zusammenband und ordnete, und dass er die Dämonen um sie herum, so viele davon Frevler waren, auf dem Wege hierher zu ihrer Bestrafung hinabstürzte. So habe“, behauptet er, „Pherekydes diese Verse des Homer verstanden und mit Rücksicht auf sie gesagt: 'Unterhalb jenes Reiches aber liegt das Reich des Tartaros; dieses bewachen die Töchter des Boreas, die Harpyien und die Thyella, und Zeus verstößt dorthin, wer von den Göttern gegen ihn frevelt.' In einen solchen Gedankenkreis gehöre“, sagt er, „ auch das [wunderschöne] Gewand der Athene, das bei dem Panathenäenfestzug von allen geschaut würde. Denn durch dieses wird“, sagt er, „ deutlich gemacht, dass eine gewisse Gottheit, die keine Mutter und S. 585 keinen Gemahl hat, die übermütigen Söhne der Erde beherrscht.“
Nachdem aber Celsus diese Erdichtungen der Griechen gebilligt hat, schließt er mit einer solchen Anklage gegen unsere Lehre: „ Dass ein Gottessohn von dem Teufel gestraft wird, lehrt auch uns, standhaft zu bleiben, wenn wir von ebendemselben gestraft werden. Und dies ist durchaus lächerlich. Denn er hätte, glaub' ich, den Teufel bestrafen, aber nicht den von diesem betrogenen Menschen drohen sollen.“
