3.
Indem Celsus äußert, „wir behaupteten, der Messias sei bereits herabgekommen, die Juden aber, er werde noch als Richter herabkommen“, meint er diese Behauptung ohne weiteres tadeln zu können, als sei sie „ganz schmählich und auch nicht einmal langer Widerlegung bedürftig“, [3.] und fährt fort: „Was hat denn ein solches Herabkommen des Gottes für einen Sinn?“ Er übersieht, dass nach unserer Lehre "der Sinn des Herabkommens" in erster Linie der ist, die im Evangelium, als "verlorene Schafe des Hauses Israels"1 Bezeichneten zu bekehren, in zweiter Linie aber, wegen ihres Ungehorsams von ihnen "das Reich Gottes", wie die Schrift es nennt, "zu nehmen" und "andern Arbeitern" d.h. im Gegensatze zu den S. 300 früheren jüdischen, den Christen "zu geben", die "die Früchte" des Reiches Gottes vor Gott "bringen werden" "zur Zeit" einer jeden (guten) Handlung, die Frucht des Reiches (Gottes) ist2.
Wir haben auf die Frage des Celsus: "Was hat denn ein solches Herabkommen des Gottes für einen Sinn?" nur wenig erwidert, obwohl wir viel hätten sagen können. Celsus selbst gibt auf seine Frage eine Antwort, die weder die Juden noch auch wir geben würden. Er sagt: "Etwa, damit er die Zustände bei den Menschen kennen lerne?" Nun sagt aber keiner von uns, Christus sei in das Leben eingetreten, um "die Zustände bei den Menschen kennen zu lernen". Dann macht sich Celsus, als ob einige diese Behauptung aufgestellt hätten, selbst hierauf den Einwand: "Weiß er denn nicht alles?" Und gleich, als hätte er zur Antwort bekommen: "Er weiß es", fragt er zweifelnd von neuem: "Er weiß es also, bessert`s aber nicht, und es ist ihm nicht möglich, es mit göttlicher Macht zu bessern?" All dies Gerede ist einfältig. Denn zu allen Zeiten "bessert" Gott durch sein Wort, das in jedem Menschenalter in heilige Seelen eingeht und sie zu Freunden Gottes und zu Propheten ausrüstet3, die willigen Hörer der Verkündigung; und bei der Ankunft Christi "bessert" er die Menschen durch die Lehre des Christentums, nicht diejenigen, die nicht gebessert werden wollen, sondern die den Vorsatz gefaßt haben, ein gutes und gottgefälliges Leben zu führen.
Ich weiß aber auch nicht, welche Art von Besserung Celsus gemeint wissen wollte, wenn er zweifelnd fragt: "War es ihm nicht möglich, es mit göttlicher Macht zu bessern, außer wenn er leibhaftig jemanden zu diesem Zwecke sandte?" Wollte er etwa, dass die Besserung bei den Menschen so folgen sollte, dass Gott sie mit (neuen) Vorstellungen erfüllte und das Böse von ihnen vollständig wegnahm und dafür die Tugend einpflanzte? S. 301 Ob ein solches Verfahren der Natur der Dinge angemessen oder möglich wäre, das mögen andere untersuchen. Wir wollen seine Möglichkeit einmal annehmen: wo bleibt dann der freie Wille, und wie wäre lobenswert die Zustimmung zu der Wahrheit, oder annehmbar die Absage an die Lüge? Aber wenn man auch einmal zugeben wollte, dass dies möglich sei und ganz nach der Ordnung geschehe, warum sollte da nicht jemand von vornherein mit mehr Recht und in derselben Weise wie Celsus die Frage aufwerfen, ob „es Gott nicht möglich war“, die Menschen „vermöge seiner göttlichen Macht“ von Anfang an so zu schaffen, dass sie gar keiner Besserung bedurften, sondern ursprünglich gut und vollkommen waren, da die Sünde von Anfang an gar nicht bestand? Solche Fragen können einfache und unverständige Leute aus der Fassung bringen, nicht aber einen Mann, der einen Einblick in das Wesen der Dinge besitzt. Denn wenn man bei der Tugend die freiwillige Betätigung aufhebt, so hebt man auch ihr Wesen auf. Eine Erörterung dieser Fragen würde aber eine ganze Abhandlung erfordern. Manches haben hierüber4 auch die Griechen in ihren Untersuchungen über die Vorsehung gesagt. Sie hätten sich aber wohl gehütet, das zu sagen, was Celsus in diesen Worten vorgebracht hat: „Er weiß es, bessert's aber nicht, und es ist ihm nicht möglich, es mit göttlicher Macht zu bessern.“ Wir haben diese Punkte an vielen Stellen unserer Schrift5, so gut wir es konnten, besprochen, und dann gibt die Heilige Schrift denen, welche imstande sind, sie zu verstehen, darüber (genügend) Aufschluß.
