1. Kapitel
S. 394 Cyprianus wünscht seinen Mitbischöfen Nemesianus, Felix, Lucius, einem anderen Felix, Litteus, Polianus, Victor, Jader, Dativus, ebenso seinen Mitpresbytern und Diakonen sowie den übrigen im Bergwerk schmachtenden Brüdern, den Märtyrern Gottes, des allmächtigen Vaters, und unseres Herrn und rettenden Gottes Jesu Christi, ewiges Heil.1
Euer Ruhm hätte zwar erfordert, glückseligste und geliebteste Brüder, daß ich selbst hätte kommen sollen, um euch zu sehen und zu umarmen, wenn nicht auch ich um das Bekenntnis des (christlichen) Namens willen verbannt und auf die Grenzen des mir angewiesenen Ortes2 beschränkt wäre. Aber ich erscheine in eurer Mitte, wie es mir möglich ist, und wenn es mir auch nicht vergönnt ist, in Person vor euch zu treten, so komme ich doch zu euch in der Liebe und im Geiste und schütte euch brieflich mein Herz aus, das über euren Heldenmut und eure Ruhmestaten voll Freude frohlockt; denn ich betrachte mich als euren Genossen, wenn auch mein Körper nicht mit euch leidet, kraft der Gemeinschaft der Liebe. Oder könnte ich es fertig bringen, mich ruhig zu verhalten und meine Stimme zum Schweigen zu zwingen, wenn ich von den mir Teuersten so viel Ruhmvolles erfahre, womit die göttliche Gnade euch ausgezeichnet hat, wenn ich höre, wie ein Teil von euch bereits sein Martyrium vollendet hat und vorausgeschritten ist, um die Krone seiner Verdienste vom Herrn zu empfangen, während ein anderer Teil noch hinter Schloß und Riegel in den Gefängnissen oder gefesselt in den Bergwerken schmachtet und gerade durch die Verlängerung der Martern zur Stärkung und Rüstung der Brüder ein um so herrlicheres Beispiel gibt? Denn durch die lange Dauer der Qualen erwerben sie sich mit S. 395 ihren Verdiensten noch weitere Ansprüche, da sie mit jedem Tag der Pein, den ihr zählt, um so reicheren Lohn bei der Vergeltung im Himmel zu erwarten haben. Angesichts des Verdienstes eurer Frömmigkeit und eures Glaubens zwar wundere ich mich nicht, ihr tapfersten und seligsten Brüder, über die Tatsache, daß gerade euch der Herr so zum erhabenen Gipfel des Ruhmes durch die Ehre seiner Verherrlichung erhoben hat, die ihr stets in seiner Kirche durch treues Festhalten am Glauben euch ausgezeichnet und standhaft die Gebote des Herrn beobachtet habt: Unschuld in der Einfalt, Eintracht in der Liebe, Bescheidenheit in der Demut, Gewissenhaftigkeit in der Verwaltung, Wachsamkeit in der Unterstützung der Notleidenden, Barmherzigkeit in der Pflege der Armen, Ausdauer in der Verteidigung der Wahrheit, Strenge in der Wahrnehmung ernster Zucht. Und um es als Muster alles Guten bei euch ja an nichts fehlen zu lassen, feuert ihr auch jetzt mit dem Bekenntnis eures Mundes und durch das Leiden eures Körpers die Herzen der Brüder zum göttlichen Martyrium an und erweist euch durch eure Heldentaten als Führer, damit die Herde für die gleichen Verdienste des Gehorsams vom Herrn gekrönt wird, indem sie ihren Hirten nachfolgt und das nachahmt, was sie ihre Vorsteher tun sieht.
Geschrieben im Herbst 257. Inhalt: Bald nach dem Ausbruch der valerianischen Verfolgung war Cyprian nach einem Verhör vor dem Prokonsul Paternus (am 30. August 257) nach Curubis verbannt worden. Gleichzeitig hatte man auch eine Reihe von Bischöfen und Geistlichen, aber auch andere Gläubige, darunter sogar Jungfrauen und Kinder, verhaftet, vielfach mißhandelt und zu schwerer Arbeit in die Bergwerke verschickt. Nur notdürftig konnte Cyprian durch Kleriker die Verbindung mit ihnen aufrecht erhalten. Aus dieser Zeit stammt das vorliegende Trostschreiben des Bischofs[^772]. Mehrere von den Namen, die in der Adresse genannt sind, begegnen uns auch in den Akten über das Septemberkonzil 256; wahrscheinlich sind es numidische Bischöfe, um die es sich handelt, und zwar: in den Akten [Nr.]: Nemesianus aus Thubunae (Tobna) = Nr. 5, Litteus von Gemellae (Mlili) = Nr. 82, Polianus von Mileum (Mila) = Nr. 13, Jader von Midili = Nr. 45, Dativus von Vada (Badis) = Nr. 15; vielleicht auch: Felix von Bagai = Nr. 12, Felix von Bamacorra (bei Mila) = Nr. 33, Lucius von Castra Galbae = Nr. 7 und Victor von Octavu = Nr. 78. Zunächst beglückwünscht Cyprian die Märtyrer zu ihrem allzeit bewiesenen Bekennermut unter Hinweis auf den herrlichen Lohn, der ihnen für ihre Leiden winke (Kap. 1—2). Wenn sie zur Zeit auf die tägliche Opferfeier verzichten müßten, so sollten sie sich damit trösten, daß sie dank der göttlichen Gnade selbst zu Opfern geworden seien (Kap. 3—5). Der gleiche Siegespreis sei auch den übrigen Gläubigen sicher, die ohne Unterschied des Alters und Geschlechts ihrem Beispiel gefolgt seien (Kap. 6—7). Mehr als der schlichte Inhalt fällt auch in diesem Schreiben wieder der warme, teilnahmsvolle Herzenston auf und die beredte, schwungvolle, von heller Begeisterung und Zuversicht getragene Sprache. Die in den nächsten drei Briefen folgenden Antworten[^773] zeigen auch deutlich genug, welch dankbare Aufnahme diese innigen Worte des Oberhirten gefunden haben. Gleichzeitig ließ Cyprian den in drei verschiedenen Bergwerken leidenden Brüdern teils aus eigenen Mitteln, teils aus den Beiträgen eines gewissen Quirinus durch die Akoluthen Lucanus, Maximus und Amantius und den Subdiakon Herennianus eine größere Geldsumme zugehen. ↩
Cyprian hielt sich als Verbannter in Curubis auf, einer kleinen Stadt südlich von Karthago, von dem es nur einige Kilometer entfernt war. ↩
