1. Kapitel1
Cyprianus entbietet seinem Bruder Quintus seinen Gruß.
Unser Mitpriester Lucianus hat mir mitgeteilt, teuerster Bruder, du hättest den Wunsch, wir möchten dir unsere Ansicht über die bei den Ketzern und S. 328 Abtrünnigen Getauften kundgeben. Damit du nun weißt, zu welcher Meinung wir neulich auf unserer von einer sehr großen Zahl von Mitbischöfen und Mitpresbytern besuchten Versammlung gekommen sind, schicke ich dir eine Abschrift des betreffenden Schreibens2. Ich verstehe nämlich nicht, wie sich einige unserer Amtsgenossen durch ihre Vermessenheit zu dem Glauben verleiten lassen können, man brauche die bei den Ketzern mit Wasser Begossenen nicht zu taufen, wenn sie zu uns kommen, weil es, wie sie sagen, nur eine Taufe gebe. Aber diese eine Taufe gibt es eben nur in der katholischen Kirche, weil es nur eine Kirche gibt und eine Taufe außerhalb der Kirche unmöglich ist. Denn da es zweierlei Taufen nicht geben kann, so haben auch die Ketzer die Taufe, wenn sie in Wahrheit taufen. Und wer ihnen mit seiner Persönlichkeit zur Seite steht, der räumt ihnen das Feld und stimmt ihnen darin bei, daß ein Feind und Widersacher Christi die Macht habe, den Menschen abzuwaschen, zu reinigen und zu heiligen. Wir aber behaupten: diejenigen, die von dort kommen, werden bei uns nicht wieder getauft, sondern überhaupt erst getauft. Denn dort, wo nichts ist, empfangen sie auch nichts, sondern sie kommen zu uns, um hier zu empfangen, wo alle Gnade und Wahrheit ist, weil es auch nur eine Gnade und eine Wahrheit gibt. Nun wollen aber einige von unseren Amtsgenossen lieber den Ketzern Ehre erweisen als uns ihre Zustimmung erteilen, und indem sie unter Betonung der einen Taufe sich weigern, die zu uns Kommenden zu taufen, stellen sie durch die Behauptung, daß es auch bei den Ketzern eine Taufe gebe, entweder selbst zwei Taufen auf, oder sie möchten gar, was noch schlimmer ist, der schmutzigen und unheiligen Waschung der Ketzer vor der wahren, einzigen und rechtmäßigen Taufe der katholischen Kirche den Vorrang und Vorzug geben. Bedenken sie denn nicht, daß geschrieben steht: „Wer von einem Toten getauft wird, was gewinnt der durch seine Waschung3?“ Es ist aber offenbar, daß solche, die nicht S. 329 in der Kirche Christi sind, zu den Toten zählen und daß einer, der selbst nicht lebendig ist, auch einen anderen nicht lebendig machen kann, da es nur eine Kirche gibt, die die Gnade des ewigen Lebens erlangt hat und in Ewigkeit lebt und dem Volke Gottes Leben spendet.
Inhalt des Briefes 71: Mit diesem Brief entspricht Cyprian dem Wunsch des mauretanischen Bischofs Quintus nach Aufklärung in der Frage der Ketzertaufe.Verschiedene Einwendungen werden widerlegt. Vor allem wird der Unterschied betont zwischen solchen, die bereits vor ihrem Übertritt zu den Häretikern in der Kirche getauft waren, und denen, die lediglich die Ketzertaufe erhalten hatten; bei den ersten genüge zur Wiederaufnahme die Handauflegung, die anderen aber müßten neu getauft werden. Zum Schluß verweist Cyprian auf Agrippinus, einen seiner Vorgänger, der bereits um 220 die gleiche Auffassung vertreten habe wie er.Als Beilage wird dem Brief das vorausgehende Synodalschreiben beigefügt.Wie Brief 64 ist auch dieses Schreiben ins Griechische und aus dem Griechischen ins Syrische übertragen worden; die syrische Übersetzung ist noch erhalten.Geschrieben im Jahre 255. ↩
Nämlich des vorangehenden Synodalschreibens (Br. 70). ↩
Sir. 31 (34), 30. ↩
