1. Kapitel1
Cyprianus entbietet seinem Sohne Magnus2 seinen Gruß.
Entsprechend deiner frommen Gewissenhaftigkeit hast du, teuerster Sohn, unsere Wenigkeit befragt, ob man unter den übrigen Ketzern auch die von Novatianus kommenden nach seinem unheiligen Bad in der katholischen Kirche mit der gesetzmäßigen und wahren und einzigen kirchlichen Taufe versehen und heiligen müsse. S. 307 Soviel uns in dieser Frage die Kraft unseres Glaubens eingibt und die Heiligkeit und Wahrheit der göttlichen Schriften lehrt, behaupten wir: alle Ketzer und Abtrünnigen ohne Ausnahme haben keinerlei Macht noch Recht. Deshalb darf und kann auch Novatianus keine Ausnahme bilden, sondern da er außerhalb der Kirche steht und gegen den Frieden und die Liebe Christi verstößt, so ist er gleichfalls zu den Widersachern und Antichristen zu rechnen. Denn als unser Herr Jesus Christus in seinem Evangelium bezeugte, seine Feinde seien diejenigen, die nicht mit ihm seien, da hat er nicht nur irgendeine Art der Ketzerei bezeichnet, sondern alle insgesamt, die nicht mit ihm seien und seine Herde nicht mit ihm sammelten, sondern zerstreuten, als seine Widersacher hingestellt mit den Worten: „Wer nicht mit mir ist, der ist wider mich, und wer nicht mit mir sammelt, der zerstreut3.“ Ebensowenig hat der selige Apostel Johannes irgendeine Ketzerei oder Spaltung unterschieden oder einzelne besonders herausgenommen, sondern er hat alle, die der Kirche den Rücken gekehrt hatten und gegen die Kirche handelten, als Antichristen bezeichnet, indem er sagte: „Ihr habt gehört, daß der Antichrist kommt; jetzt aber sind viele Antichristen geworden. Daraus erkennen wir, daß die letzte Stunde da ist. Von uns sind sie hinausgegangen, aber sie waren nicht von uns; denn wären sie von uns gewesen, so wären sie bei uns geblieben4.“ Daraus geht hervor, daß Widersacher des Herrn und Antichristen alle diejenigen sind, bei denen feststeht, daß sie sich von der Liebe und Einheit der katholischen Kirche getrennt haben. Des weiteren äußert sich auch der Herr in seinem Evangelium und sagt: „Wenn er aber auch die Kirche verachtet, so sei er dir gleich einem Heiden und Zöllner5!“ Wenn nun aber schon diejenigen, die die Kirche verachten, als Heiden und Zöllner betrachtet werden, so muß man doch sicherlich noch vielmehr die Empörer und Feinde, die falsche Altäre und unerlaubtes S. 308 Priestertum und ruchlose Opfer und falsche Namen6 erfinden, unter die Heiden und Zöllner rechnen, da ja schon die geringeren Sünder und die bloßen Verächter der Kirche durch den Ausspruch des Herrn als Heiden und Zöllner erklärt werden.
Inhalt des Briefes 69: Mit diesem Schreiben beginnt die Reihe der auf den Ketzertaufstreit bezüglichen Briefe Cyprians.Der Zweifel, ob die von Häretikern gespendete Taufe volle Gültigkeit habe, erhob sich (vielleicht auf Anregung der Schrift Tertullians: ‚De baptisma‘) zuerst im Orient, wo mehrere Synoden sie als ungültig verwarfen.Für Cyprian wurde gerade die novatianische Sekte der Anlaß, daß er in diesen bedenklichen Streit verwickelt wurde. Ein gewisser Magnus stellt an ihn die Frage, ob auch die Novatianer bei ihrer Rückkehr zur S. 306 Kirche die Taufe empfangen müßten. Cyprian hatte seine ablehnende Haltung in dieser Sache und seine Übereinstimmung mit der Auffassung seines Lehrers Tertullian bereits im Jahre 251 in dem Traktat: ,De catholicae ecclesiae unitate (Kapitel 11 und 12) zum Ausdruck gebracht.Seine Antwort an Magnus zerfällt in zwei Teile. Zuerst führt er einen weitläufigen Schriftbeweis, um die unzerreißbare Einheit der Kirche und die schwere Versündigung der Häretiker und Schismatiker darzutun. Jegliches Recht zu taufen wird deshalb Novatian vollständig abgesprochen und ihm selbst wie seinen Anhängern die göttliche Strafe angedroht (Kap. 1—11).Sodann wendet er sich der Beantwortung der zweiten Anfrage zu, die Magnus gestellt hatte, und die den sogenannten Klinikern galt. Es war nämlich üblich, Katechumenen, wenn sie vor der Taufe erkrankten, durch bloße Besprengung in die Kirche aufzunehmen. Magnus hatte nun das offenbar in weiteren Kreisen verbreitete Bedenken vorgebracht, ob diese Kliniker damit auch wirklich die volle Taufgnade empfingen. Cyprians persönliche Meinung geht dahin, daß die Besprengung ohne Zweifel die gleiche Wirkung habe wie die regelrechte Taufe; er will aber seine Ansicht niemand als verbindlich aufdrängen (Kap. 12—16).Geschrieben im Jahre 255. ↩
Magnus war ein Laie. ↩
Luk. 11, 23. ↩
1 Joh. 2, 18. 19. ↩
Matth. 18, 17. ↩
Die Novatianer nannten sich καθαροί [katharoi], die Reinen. ↩
