1. Kapitel1
Cyprianus entbietet seinem Bruder Cäcilius seinen Gruß.
Zwar weiß ich, teuerster Bruder, daß die meisten der den Kirchen des Herrn in der ganzen Welt durch die göttliche Gnade vorgesetzten Bischöfe die evangelische Wahrheit und die Überlieferung des Herrn sich S. 256 zur Richtschnur nehmen und von dem, was Christus, der Lehrmeister, geboten und getan hat, durch keine neue und menschliche Lehre sich abbringen lassen. Weil jedoch einige aus Unwissenheit oder Einfalt beim Weihen des Kelches des Herrn und beim Darreichen an das Volk nicht das tun, was unser Herr und Gott, Jesus Christus, der Urheber und Lehrer dieses Opfers, getan und gelehrt hat, so hielt ich es nicht nur für meine fromme Pflicht, sondern auch für eine Notwendigkeit, darüber an euch ein Schreiben zu richten. Denn wenn einer noch in diesem Irrtum befangen war, dann soll er das Licht der Wahrheit erkennen und zu der Wurzel und dem Ursprung der Überlieferung des Herrn zurückkehren. Glaube jedoch nicht, teuerster Bruder, daß wir nur unsere, nur eine menschliche Auffassung niederschreiben und ganz eigenmächtig und keck uns diese Anschauung anmaßen; denn wir halten unsere Wenigkeit stets in den Grenzen demütiger und maßvoller Bescheidenheit. Aber wenn uns etwas durch Gottes Eingebung und Auftrag eingeschärft ist, so hat ein getreuer Knecht dem Herrn unbedingt zu gehorchen, gerechtfertigt vor allen, weil er sich nichts voll Anmaßung herausnimmt; muß er ja doch fürchten, den Herrn zu beleidigen, wenn er nicht tut, was ihm befohlen ist.
Inhalt: Dieses Sendschreiben Cyprians wendet sich gegen einen Mißbrauch, der in einigen afrikanischen Gemeinden eingerissen war: man verwendete dort zur Eucharistie statt des Weines oder einer Weinmischung bloßes Wasser.Cyprian legt seine Gegengründe so eingehend dar, daß das Schreiben in Form und Umfang fast einem Traktat gleichkommt, der die Aufschrift tragen könnte, die einige Handschriften beifügen: „Von dem Sakrament des Kelches unseres Herrn.“ Gerichtet ist die Schrift an einen gewissen Cäcilius, wahrscheinlich denselben, der als Bischof von Biltha an dem Konzil des Jahres 256 teilnimmt. Obwohl einige Gelehrte, wie Ritschl und Watson, aus sachlichen und stilistischen Gründen den Brief S. 255 womöglich noch vor die erste Verfolgung unter Decius setzen möchten, wird er richtiger doch wohl unter die Briefe des Jahres 253/254 einzureihen sein.Nachdem Cyprian einleitend die Notwendigkeit seines Eingreifens gezeigt hat, beruft er sich auf Beispiele und Schriftstellen aus dem Alten Testament, die alle die Verwendung von Wein als notwendig erweisen (Kap. 1―7). Dagegen ist das Wasser überall nur als Symbol der Taufe zu deuten. Vor allem hat Christus selbst bei der Einsetzung des Sakraments sich des Weines bedient (Kap. 8—11). Auch das Wunder bei der Hochzeit zu Kana beweist, daß wir unter dem Wasser das Volk, unter dem Wein hingegen Christus selber zu verstehen haben, der sich mit dem gläubigen Volk vereinigen will (Kap. 12―13). Nicht menschliche Gewohnheit also, sondern nur Christi Vorbild darf für uns maßgebend sein. Noch verwerflicher wäre es, den Gebrauch des Weines abzulehnen aus Furcht, durch den Weingeruch sich als Jünger Christi zu verraten. Frühmorgens aber ist das Opfer deshalb zu feiern, weil es zugleich dem Gedächtnis an die Auferstehung Christi dienen soll (Kap. 14―16). Frühere Verletzung dieser Pflicht wird Gott verzeihen; wer aber auch nach dieser Aufklärung noch weiter an seinem Irrtum festhält, versündigt sich gegen die Lehre, die der Herr selbst aufgestellt hat (Kap. 17―19) (Näheres über diesen Brief bei Harnack, Texte und Untersuchungen VII, 2 (1890); vgl. auch A. Scheiwiler, Die Elemente der Eucharistie in den ersten drei Jahrh., Mainz 1903.). ↩
