2. Kapitel
S. 76 Du mußt wissen, was mit uns geschehen ist: Als der gesegnete Märtyrer Paulus noch am Leben war, rief er mich und sprach zu mir: „Lucianus, angesichts Christi sage ich dir: Wenn jemand nach meiner Abberufung von dir den Frieden erbittet, so gewähre ihn in meinem Namen!“ Aber auch wir alle, die der Herr in solcher Trübsal zu berufen geruht hat, haben nach Verabredung allen insgesamt Friedensbriefe ausgestellt. Du siehst also, Bruder, was mir teils Paulus schon anbefohlen hat und was auch wir alle schon vor dieser Trübsal beschlossen haben, als wir auf Befehl des Kaisers durch Hunger und Durst getötet werden sollten und in zwei Zellen eingeschlossen wurden, ohne daß er durch Hunger und Durst etwas erreichte. Aber auch die Hitze war infolge des dichten Gedränges so unerträglich, daß niemand sie aushalten konnte. Jetzt aber sind wir wieder unter freien Himmel gebracht worden. Und deshalb, teuerster Bruder, grüße Numeria und Candida, die den Frieden erhalten sollen auf Anordnung des Paulus und der übrigen Märtyrer, deren Namen ich beifüge: Bassus im Steinbruch1, Mappalicus2 in Untersuchungshaft, Fortunio im Kerker, ferner Paulus, der die Untersuchung schon hinter sich hat, Fortunata, Victorinus, Victor, Herennius, Credula, Hereda, Donatus, Firmus, Venustus, Fructus, Julia, Martialis und Ariston, die nach Gottes Willen im Kerker Hungers gestorben sind. Auch von uns werdet ihr in einigen Tagen hören, daß wir ihnen im Tode nachgefolgt sind. Denn heute, wo ich dir diesen Brief schreibe, sind es bereits acht Tage, daß man uns zum zweiten Male eingesperrt hat, und schon vor acht Tagen erhielten wir nur für die fünf dazwischenliegenden Tage ein bißchen Brot und Wasser zugemessen. Und deshalb bitte ich, mein Bruder, daß sie ebenso wie hier, sobald nur der Herr der Kirche selbst den Frieden beschert, nach dem Wunsche des Paulus und gemäß unserer Auffassung den Frieden bekommen, nachdem der Fall vor dem Bischof behandelt und ein reuiges S. 77 Geständnis abgelegt ist, und nicht nur diese beiden Schwestern, sondern auch alle, von denen du weißt, daß sie unserem Herzen nahestehen.
