6.
Augustinus antwortete: Ihr versteht weder die Rituale des Gesetzes noch die Taten der Propheten, da Begriffe wie Heiligkeit oder Gerechtigkeit eurer Gedankenwelt fremd sind. Über die Vorschriften und Rituale des Alten Testaments haben wir nun aber schon mehrfach und ausführlich gesprochen, um klar zu machen, dass der eine Teil davon uns zur Erfüllung überreicht wurde, also in der Gnade des Neuen Testaments weiterhin einzuhalten ist, der andere Teil dagegen als bereits erfüllt angezeigt ist, indem er dank der Offenbarung der Wahrheit seine Funktion verloren hat. So empfingen wir mit dem Gebot, Gott und den Nächsten zu lieben eine Vorschrift des Gesetzes, die wir weiter zu erfüllen haben, mit dem Verschwinden der Beschneidung und anderer ritueller Handlungen aus jener Zeit aber wurde uns gezeigt, dass die Verheissung des Gesetzes eingelöst ist. Denn die Vorschrift machte die Menschen zu Schuldigen, sodass sie sich nach dem Heil sehnten, die Verheissung aber stellte Modellbilder vor Augen, die die Erwartung auf den Erlöser weckten; so wurden die Menschen mit der Ankunft des Neuen Testaments durch das Geschenk der Gnade frei, die Modellbilder durch die Ankunft der Wahrheit überflüssig. Denn jenes Gesetz, das durch Moses gegeben wurde, wurde durch Jesus Christus Gnade und Wahrheit (cf. Joh. 1,17): Gnade dadurch, dass wir das, was zuvor Gebot war, nach dem Erlass der Sünden dank der Hilfe Gottes einhalten können, Wahrheit aber dadurch, dass uns das, was zuvor Verheissung war, nach dem Verschwinden jener schattenhaften Kultübungen dank des Glaubens an Gott lebendig gegenwärtig ist.
