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Und doch verdient jenes Vorkommnis auch nicht so scharfe Kritik und Verurteilung, wie sie Faustus in seiner Feindseligkeit und Blindheit gegen sie ausspie. Befragt man nämlich jenes ewige Gesetz, das die Naturordnung zu bewahren gebietet, sie zu stören verbietet, so fällt sein Urteil über jene Tat nicht so hart aus, wie wenn Loth in verbrecherischer Leidenschaft zu seinen Töchtern entflammt wäre, sodass er ihren Körper unzüchtig missbraucht oder sie zu Ehefrauen genommen hätte, es fällt aber auch über jene Frauen nicht so hart aus, wie wenn sie in fluchwürdiger fleischlicher Liebe zu ihrem eigenen Vater entbrannt wären. Um das Mass der Gerechtigkeit einzuschätzen, ist ja nicht nur zu berücksichtigen, was getan wurde, sondern auch, warum es getan wurde, damit so die Taten auf dem Hintergrund der Ursachen eine ausgewogene und gerechte Beurteilung erfahren. Da sich nun also die Töchter Loths zur Erhaltung des Geschlechts Nachkommen wünschten, was gewiss eine menschliche und natürliche Gefühlsregung war, und da sie im weitern glaubten, keinen andern Mann finden zu können, als ob jener Feuerbrand den ganzen Erdkreis eingeäschert hätte – sie konnten ja nicht genau erkennen, in welchem Umkreis jenes Feuer gewütet hatte –, deshalb suchten sie den Geschlechtsverkehr mit ihrem Vater. Freilich hätten sie besser für immer darauf verzichtet, Mutter zu werden, statt ihren Vater auf diese Weise zu benutzen; doch macht es immerhin einen grossen Unterschied aus, ob sie ihn aus dem genannten Grund benutzten, oder aber zur Befriedigung einer wahrhaft unheilvollen Lust.
