46.
Mit wahrhaft erstaunlicher Unverschämtheit verunglimpfte Faustus dann auch Isaak, den Sohn Abrahams, weil er Rebekka, seine Ehefrau, als seine Schwester ausgegeben habe (594,20; cf. Gen. 26,7). Die Herkunft Rebekkas wurde ja nicht verschwiegen, und es ist offensichtlich, dass sie über eine allseits bekannte Genealogie mit ihm verschwistert war (cf. Gen. 24,15). Wenn Isaak aber seinen Vater darin nachahmte, dass er ihre Stellung als Ehefrau verschwieg, was ist daran erstaunlich, was unschicklich, da er sich ja auf die selbe Weise rechtfertigt (cf. Gen. 26,7b), wie man es schon bei seinem Vater sah (cf. Gen. 12,12), als dieser einem ähnlichen Vorwurf ausgesetzt war (ib. 26,9). Was wir auf die diesbezüglichen Anschuldigungen des Faustus zugunsten Abrahams gesagt haben, gilt somit genauso für seinen Sohn Isaak. Und dies kann man ja leicht nachlesen. Doch stellt sich vielleicht ein aufmerksamer Interpret die Frage, welcherart Heilsgeheimnis modellbildhaft zum Ausdruck kommt, wenn der fremde König in dem Augenblick erkannte, dass Rebekka die Ehefrau Isaaks ist, als er diesen beim zärtlichen Liebesspiel mit ihr beobachtete (cf. Ib. 8), was er ja nur erkennen konnte, weil Isaak mit Rebekka so zärtlich umging, wie er es, ohne gegen die guten Sitten zu verstossen, nur mit seiner Ehefrau tun durfte. Wenn sittentreue Ehemänner sich so verhalten, tun sie es ja nicht aus blosser Spielerei, sondern wohlbedacht; denn sie lassen sich gewissermassen ein auf die Schwachheit des weiblichen Geschlechts und hüllen ihre Worte und Gesten in betörende Liebenswürdigkeit, wobei sie ihre Männlichkeit nicht memmenhaft verleugnen, sondern im Zügel halten. Wer anderseits einer Frau gegenüber, die nicht seine Ehefrau ist, so redet oder sich so gebärdet, handelt unsittlich. Diese Bemerkungen über menschliche Verhaltensweisen habe ich hier eingeschoben, damit nicht etwa hartherzige und gefühlskalte Menschen jenem sittentreuen Ehemann eben dies zum Vorwurf machen, dass er mit seiner Ehefrau solche Zärtlichkeiten ausgetauscht habe. Es sind dies herzlose Menschen, die gleichermassen imstande sind, einen angesehenen Mann als albernen Spinner zu bezeichnen, wenn sie ihn beobachten, wie er mit Kindern, seien sie noch so klein, scherzhaft plappert, um ihr honigweiches Gemüt mit solch vertraulicher, ja geradezu mütterlicher Herzlichkeit zu beruhigen, ohne dass sie daran dächten, aus wie kleinen Anfängen sie selber gross geworden sind, oder Dankbarkeit empfänden, dass sie gross geworden sind. Was es nun aber als Heilsgeheimnis für das Verhältnis zwischen Christus und seiner Kirche aussagt, wenn dieser bedeutende Patriarch mit seiner Ehefrau Zärtlichkeiten austauschte, und daran ihr eheliches Verhältnis erkannt wurde, das sieht natürlich ein jeder, der, aus Sorge, sich im Irrtum gegen die Kirche zu versündigen, dem Mysterium ihres Gemahls in den Heiligen Schriften sorgsam nachgeht und dabei entdeckt, dass er seine erhabene Majestät, jene göttliche Gestalt, in der er seinem Vater gleich ist (cf. Phil. 2,6), für kurze Zeit in der Sklavengestalt verborgen hat (ib. 7), um so der menschlichen Schwachheit die Möglichkeit zu geben, ihn bei sich aufzunehmen, und sich selber seiner Gemahlin in angemessener Weise anzupassen. Wie soll denn daran anstössig sein, im Gegenteil, ist es nicht eine sehr passende Form, das künftige Geschehen angemessen anzukündigen, wenn der Prophet Gottes sich jenen fleischlichen Spielereien hingab, um die Liebe seiner Ehefrau zu gewinnen, da doch das Wort Gottes selber Fleisch geworden ist, um unter uns zu wohnen (cf. Joh. 1,14).
