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Um dieses berechtigterweise zu erlangen, überlässt also Rachel den Ehemann für jene Nacht ihrer Schwester (cf. Gen. 30,15), natürlich ein Ausdruck dafür, dass Menschen, die durch ihre Tatkraft zur Führung des Volkes geeignet sind, selbst wenn sie die Wissenschaft als ihren Lebensinhalt ausgewählt hatten, sich den Versuchungen der Welt aussetzen und die Bürde der Ämter im Dienste des Gemeinwohls auf sich nehmen sollten, um so zu verhindern, dass die Philosophie an sich, für die sie sich entschieden haben, in Verruf gerät (cf. I Tim. 6,1) und so beim unkundigen Volk die hohe Wertschätzung einbüsst, die durch jene Äpfel versinnbildlicht wird, und die für die Ermunterung der Lernenden unerlässlich ist. Damit sie aber diese belastende Tätigkeit auf sich nehmen, kann durchaus Zwang angewendet werden. Auch dies wird durch ein Sinnbild ziemlich klar ausgedrückt; als nämlich Jakob vom Feld kam, begegnete ihm Lea, die ihn mit den Worten festhielt (gen. 30,16): Zu mir musst du kommen; denn ich habe dich um den Preis der Alraun-Äpfel meines Sohnes für mich verpflichtet, so als hätte sie zu ihm gesagt: Möchtest du, dass jene Lehre, die du so liebst, einen guten Ruf bekommt? Dann entzieh dich nicht der Mühsal des Amtes! Dass dies in der Kirche tatsächlich geschieht, sieht ein jeder, der genau hinschaut. Wir kennen das aus eigener Anschauung, was wir hier aus den Texten herauslesen können. Wer sähe nicht überall auf der Erde Beispiele dieser Art, dass Männer sich aus den weltlichen Geschäften zurückziehen und sich der Musse zuwenden, die sie der Erkenntnis und Betrachtung der Wahrheit widmen wollen, – sich also gleichsam in die Arme Rachels begeben –, und dass sie dann, ganz unverhofft, wegen drängender Aufgaben der Kirche aus dieser Musse herausgeholt und für eine praktische Tätigkeit bestimmt werden, als ob Lea zu ihnen sagte (gen. 30,16): Zu mir musst du kommen! Wenn diese Männer dann reinen Herzens das Mysterium Gottes verwalten, um in der Nacht dieser Zeit Kinder des Glaubens zu zeugen, wird die Anerkennung des Volkes auch jener Lebensform der Musse zuteil werden, deretwegen sie eine Kehrtwende vollzogen und die Hoffnung auf die irdischen Dinge aufgegeben hatten, und aus der sie dann, während sie sich ihr hingaben, herausgerufen wurden zu einer Tat der Barmherzigkeit, der Führung des Volkes. Denn bei all den Verpflichtungen, die ihnen nun obliegen, achten sie darauf, dass jenem Leben in der Musse, dem sie sich zugewandt hatten, immer breitere und tiefere Anerkennung entgegengebracht wird, nämlich dafür, dass es dem Volk solch hervorragende Führer bescherte. Genauso wenig aber verweigerte Jakob der Lea jene Nacht, um so der Rachel zu ermöglichen, in den Besitz der wunderbar duftenden und herrlich glänzenden Äpfel zu gelangen (cf. Gen. 30,15 ff.); und auch diese selber wird später einmal, dank der Barmherzigkeit Gottes, leibliche Mutter (cf. Gen. 30,22 f.), allerdings unter grossen Schwierigkeiten, da ja Aussagen wie (Joh. 1,1): Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott; und Gott war das Wort, und was es sonst an ehrfürchtigen und weisen Äusserungen zu diesem Thema gibt, kaum je – und sei es auch nur in Teilen - frei von bildhaften Vorstellungen des fleischlichen Denkens und in einer Weise, die dem Heil förderlich ist, aufgenommen werden.
