35.
Oder sind wir etwa so verrückt geworden, Faustus zu folgen, wenn er behauptet, Abraham habe Sara fälschlich als seine Schwester ausgegeben, als habe er ihre Herkunft von irgendwoher erfahren, wo doch die Heilige Schrift sich darüber ausschweigt? Ich halte es für richtig, in dieser Frage, die für Abraham klar war, für uns dagegen nicht, eher dem Patriarchen, der redet, worüber er Bescheid weiss, zu glauben als dem Mani, der Verdächtigungen ausstreut, worüber er nichts weiss. Da nun Abraham zu einer Zeit auf dieser Erde lebte, als zwar die Eheschliessung zwischen Menschen, die von beiden Eltern her oder auch nur väterlicher– oder mütterlicherseits verschwistert waren, bereits nicht mehr erlaubt war, wogegen Ehen zwischen Vettern und noch weiter entfernten Blutsverwandten eine durch kein Gesetz und keine Obrigkeit verbotene Sitte waren, war es also keineswegs aussergewöhnlich, wenn Abraham seine Schwester, d.h. eine Frau, die dem Blut des väterlichen Geschlechts entstammte, zur Gattin hatte. Denn er selber sagte zum König, als dieser ihm Sara zurückgab (cf. Gen. 20,12), sie sei eine Schwester väterlicher–, aber nicht mütterlicherseits; und damals zwang ihn gewiss keinerlei Angst mehr, sie als seine Schwester auszugeben, da ja der König erfahren hatte, dass sie seine Ehefrau sei, und sie deshalb, durch göttliche Erscheinungen erschreckt, in Ehren zurückbrachte. Dass aber Blutsverwandte männlichen oder weiblichen Geschlechts bei den Alten gewöhnlich mit der Gattungsbezeichnung Brüder oder Schwestern benannt werden, dies bezeugt die Schrift. So sagt Tobias in seinem Gebet vor der Vereinigung mit der Ehefrau zum Herrn (Tob. 8,7): Und du weißt ja nun, Herr, dass ich meine Schwester nicht um der Lustbefriedigung willen zu mir nehme, obwohl jene weder aus dem Samen desselben Vaters, noch aus demselben Mutterschoss, sondern lediglich aus demselben Stammeszweig hervorgegangen war (cf. Tob. 6,11;7,2). Und Loth wird als Bruder Abrahams bezeichnet (cf. Gen. 13,8), obwohl Abraham doch sein Onkel war (cf. Ib. 11,31), ein Wortgebrauch, dem gemäss es auch nicht Kinder der Jungfrau Maria sind, die als Brüder des Herrn bezeichnet werden, sondern sämtliche Menschen, die ihm durch Blutsverwandtschaft nahe stehen (cf. Mt. 12,46; Joh. 7,3).
