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Wenn es aber diesen Toren sonderbar erscheint, dass Gott damals den Sachwaltern des Alten Testaments, in dem die Gnade des Neuen verhüllt war, anderes gebot als den Verkündern des Neuen Testaments, in dem das Dunkel des Alten enthüllt wurde, dann mögen sie beachten, wie Christus der Herr selber seine frühere Aussage änderte und etwas anderes verlangte. Er sagte zu ihnen (Lk. 22,35 f.): ‛Als ich euch ohne Geldbeutel, ohne Vorratstasche und ohne Schuhe aussandte, fehlte euch da etwas?’. Sie antworteten: ‛Gar nichts’. Da sagte er also zu ihnen: ‛Jetzt aber soll der, welcher einen Geldbeutel hat, ihn mitnehmen, und gleicherweise auch die Vorratstasche; und wer kein Schwert hat, der verkaufe seinen Mantel und kaufe sich ein Schwert!’ Wenn nun die Manichäer diese gegensätzlichen Aussagen auf die beiden Testamente, das Alte und das Neue, verteilt vorfänden, würden sie auch das zum Anlass nehmen, um lauthals zu verkünden, dass die beiden Testamente unvereinbare Widersprüche enthielten. Was werden sie also nun antworten, wenn ein und derselbe Christus sagt (cf. Ib. 35 f.): Ehedem sandte ich euch ohne Geldbeutel, ohne Vorratstasche und ohne Schuhe aus, und es fehlte euch an nichts. Jetzt aber soll der, welcher einen Geldbeutel hat, diesen mitnehmen, und gleicherweise auch seine Vorratstasche, und wer kein Schwert hat, der verkaufe seinen Mantel und kaufe sich ein Schwert!? Begreifen sie nun endlich, dass nicht die Wankelmütigkeit des Gesetzgebers, sondern die kluge Überlegung des Heilsverwalters dafür verantwortlich ist, dass sich Vorschriften, Ratschläge und Zugeständnisse den unterschiedlichen Zeitumständen entsprechend wandeln? Wenn sie nämlich erklären, dass Christus jene Aussage über das Ergreifen von Geldbeutel und Vorratstasche und den Kauf des Schwertes im Hinblick auf ein ganz bestimmtes Heilsgeheimnis gemacht hat, warum wollen sie dann nicht einräumen, dass der gleiche Eine Gott im Hinblick auf ein bestimmtes Heilsgeheimnis damals den Propheten die Kriegsführung befohlen, jetzt aber den Aposteln verboten hat? In jener Passage, die wir aus dem Evangelium zitierten, lernen wir ja nicht nur die Worte des Herrn kennen (ib. 35 f.), sondern anschliessend auch die jeweiligen Reaktionen der Jünger, die ihm tatsächlich Folge leisteten. Denn damals zogen sie ohne Geldbeutel und ohne Vorratstasche los, und es fehlte ihnen an nichts, wie sich aus der Frage des Herrn und der Antwort der Jünger klar ergibt (ib. 35), jetzt aber sagten sie ihm, als er ihnen befahl, ein Schwert zu kaufen (ib. 36): Da sind zwei Schwerter (ib. 38), worauf jener antwortete (ib.): Das ist genug! Und auch Petrus treffen wir in der Folge mit einer Waffe an, wie er dem Verfolger das Ohr abschlug (ib. 50), wobei dann sein spontaner Heldenmut in Schranken gewiesen wird (ib. 51), da ihm zwar befohlen war, ein Schwert zu tragen, nicht aber, damit zuzuschlagen. Gewiss lag der Ratschluss des Herrn im Dunkeln, warum er die Jünger aufgefordert hatte, Waffen zu tragen, die sie dann aber nicht gebrauchen durften; doch war es ja seine Verantwortung, mit kluger Überlegung Anordnungen zu treffen, ihre dagegen, diese Anordnungen vorbehaltlos auszuführen.
