71.
Was soll also der weitere Vorwurf des Faustus, Moses habe die Ägypter ausgeplündert (595,13; cf. Ex. 3,21 f.; 11,2; 12,35ff.), da er nicht weiss, wovon er spricht? Was Moses da tat, war so wenig schuldhaft, dass er sich gar schuldig gemacht hätte, wenn er es nicht getan hätte. Gott hatte es nämlich befohlen, und er weiss ja, – nicht nur in Kenntnis der Taten, sondern auch der Gesinnung des Menschen – was ein jeder gerechterweise erleiden sollte und durch wen das zu geschehen hat. Jenes Volk also war damals noch fleischlich gesinnt und von der Gier nach irdischen Dingen besessen, die Ägypter ihrerseits waren Gottesverächter und Ausbeuter. Denn sie missbrauchten jenes Gold (cf. Exod. 3,22; 11,2; 12,35), d.h. etwas, was Gott geschaffen hatte, um den Schöpfer zu beleidigen, und dienten ihren Idolen, gleichzeitig hatten sie die Menschen aus der Fremde widerrechtlich und gewaltsam mit Fronarbeit gequält. So verdienten es die Juden, dass ihnen solches befohlen wurde, und die Ägypter, dass sie solches auf sich nehmen mussten. Und vielleicht hat ja Gott diese Ausplünderung gar nicht befohlen, sondern den Hebräern einfach freie Hand gelassen, das zu tun, was ihren Wünschen und innersten Gedanken entsprach, wollte aber, dass ihnen diese Erlaubnis durch seinen Diener Moses übermittelt würde, weshalb er ihn beauftragte, die Mitteilung zu machen (cf. Exod. 11,2). Möglich ist allerdings, dass es andere, tief verborgene Gründe gibt, warum dies jenem Volk von göttlicher Seite mitgeteilt wurde. Doch göttliche Befehle sind so oder so gehorsam zu befolgen, nicht spitzfindig anzufechten. Es sagte ja der Apostel (Rm. 11,34 [Jes. 40,13]): Denn ‛wer kennt die Gedanken des Herrn?’ Oder ‛wer war sein Ratgeber?’. Sei es nun also der von mir genannte Grund (668,15), oder irgend ein anderer Grund, der im geheimen und unzugänglichen Heilsplan Gottes verborgen liegt, dass Gott jenem Volk durch Moses mitteilen liess, es solle sich von den Ägyptern leihweise Dinge erbitten, um sie dann wegzuführen, eines jedenfalls kann ich mit Sicherheit sagen, dass diese Mitteilung weder grundlos noch unbillig erfolgte, und dass es dem Moses überhaupt nicht zustand, anders als von Gott verlangt zu handeln. Denn das wohlüberlegte Befehlen ist Aufgabe des Herrn, das gehorsame Ausführen Aufgabe des Dieners.
