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Wenn wir schliesslich unserem Heiden auch noch erklären würden, wie jene Stelle ( ) zu interpretieren ist, die Faustus bei seinem Versuch, die alttestamentlichen Schriften zu diskreditieren, als letzte vorlegte, – mit der Unterstellung, sie hätten Gott mit jenem Satz, er drohe das Schwert an, vor dem er niemanden, weder den Gerechten noch den Sünder verschonen werde, herabgewürdigt (594,2) – dann würde er vielleicht seinen Widerstand sowohl gegen das Neue wie auch gegen das Alte Testament aufgeben, und an jenem Gleichnis aus dem Evangelium Gefallen finden, das den Manichäern, die doch als Christen gelten wollen, entweder verborgen bleibt, weil sie blind sind, oder aber missfällt, weil sie irregeleitet sind: Jener oberste Winzer setzt zwar sein Rebmesser bei den fruchttragenden Rebzweigen anders ein als bei den unfruchtbaren, doch verschont er weder die guten, noch die schlechten, indem er die einen reinigt, die andern abschneidet (cf. Joh. 15,1 f.). Denn kein Mensch ist so vollkommen an Gerechtigkeit, dass für ihn die Erprobung in der Bedrängnis (cf. Eccl. 27,6) überflüssig wäre, sei es, damit er deren Kraft vervollkommne, sei es, damit er sie festige, sei es, damit er sie bestätige; oder zählen etwa die Manichäer nicht einmal den Apostel Paulus zu den Gerechten, der doch bei all den früheren Sünden, zu denen er sich demütig und wahrheitsgetreu bekennt, dafür dankt, dass er aus dem Glauben an Jesus Christus gerechtfertigt wurde (cf. I Tim. 1,12 f.). Wurde Paulus etwa von jenem verschont, den die Toren nicht verstehen, wenn er sagt: Ich werde weder den Gerechten noch den Sünder verschonen? Mögen sie also den Apostel selber hören (II Kor. 12,7 ff.): Damit ich mich wegen des Gewichts dieser Offenbarungen nicht überhebe, wurde ein Stachel in mein Fleisch gestossen, ein Bote Satans, der mir Faustschläge erteile. Dreimal habe ich deswegen den Herrn angefleht, dass er diesen Boten von mir entferne. Er aber sagte mir: ‛Meine Gnade genügt dir; denn die Kraft gelangt in der Schwäche zur Vollendung’. Da seht ihr! Er verschonte auch den Gerechten nicht, um seine Kraft in der Schwachheit zu vollenden, indem er ihm den Boten Satans als Prügelknecht schickte. Aber vielleicht behauptet ihr ja, dass es der Teufel war, der ihn schickte. Dann war also der Teufel darauf bedacht, dass Paulus durch das Gewicht der Offenbarungen sich nicht überhebe, und dass seine Kraft zur Vollendung gelange? Wer könnte so etwas behaupten? Das Fazit: derselbe Gott hat diesen Gerechten dem Boten Satans zur Verprügelung übergeben, der mithilfe dieses Gerechten auch jene Ungerechten dem Satan übergab, über welche der gleiche Apostel sagt (I Tim. 1,20): die ich dem Satan übergeben habe, damit sie lernen, Gott nicht mehr zu lästern. Versteht ihr nun endlich den Sinn des Satzes, dass jener von oben weder den Gerechten noch den Sünder verschont? Oder jagt euch etwa besonders das Schwert, das da genannt wird, Schrecken ein? Es ist ja doch ein Unterschied, ob man Prügel bekommt oder erschlagen wird! Als ob nicht Tausende von Märtyrern auf verschiedenste Weise den Tod erlitten hätten, und als ob die Verfolger je die Macht dazu gehabt hätten, wenn sie ihnen nicht von oben erteilt worden wäre, von ihm, der sagte: Ich werde weder den Gerechten noch den Sünder verschonen, wo doch der Herr der Märtyrer selber, – Gott hat ja seinen eigenen Sohn nicht verschont (cf. Rm. 8,32) – ganz offen zu Pilatus sagt (Joh. 19,11): Du hättest keine Macht über mich, wenn sie dir nicht von oben gegeben wäre. Und wiederum Paulus bezeichnet diese Drangsale und Verfolgungen, denen die Gerechten ausgesetzt waren, als Beispiel für das gerechte Gericht Gottes (cf. II Thes. 1,5), eine Aussage, die vom Apostel Petrus noch weiter entwickelt und verdeutlicht wird, an jener Stelle, die ich bereits oben erwähnt habe (602,25), wo er sagte (I Petr. 4,17 ff.), dass jetzt die Zeit da sei, in der das Gericht Gottes beim Haus Gottes beginne, um dann fortzufahren: Wenn das aber bei uns seinen Anfang nimmt, wie wird dann das Ende bei jenen sein, die dem Evangelium Gottes keinen Glauben schenken? Und ‛wenn schon der Gerechte kaum Rettung finden wird, wo wird man erst den Sünder und Gottesverächter finden?[prov. 11,31]’. Daraus erkennt man doch, wie die Gottesverächter – gleich Rebzweigen, die zur Verbrennung abgeschnitten werden – keine Schonung finden können, wenn schon die Gerechten nicht verschont werden, damit ihre Reinigung zur Vollendung komme. Auch Petrus bezeugt ja seinerseits, dass dies nach dem Willen dessen geschieht, der in den alttestamentlichen Büchern sagte: Ich werde weder den Gerechten noch den Sünder verschonen. Denn auch er sagt (I Petr. 3,17): Es ist besser, für gute Taten zu leiden, wenn es der Geist Gottes will, als für schlechte Taten. Wenn nun jene nach dem Willen des Geistes Gottes leiden, die Gutes tun, heisst das, dass die Gerechten nicht verschont werden, wenn das gleiche denen widerfährt, die Schlechtes tun, heisst dass, dass die Sünder nicht verschont werden. Beides aber geschieht nach dem Willen dessen, der sagte: Ich werde weder den Gerechten noch den Sünder verschonen, und den einen als seinen Sohn züchtigte, den andern als Frevler bestrafte.
