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Doch selbst wenn unsere Väter, die Patriarchen und Propheten, denen jene Schrift ein so vorzügliches Zeugnis der Heiligkeit und Gottesfurcht ausstellt, - jene Schrift, die von Gott dem Menschengeschlecht zum Heil geschenkt wurde, was nur jemand leugnen kann, der sie nicht kennt, oder aber jeglichen Sinn für vernünftige Überlegung verloren hat – selbst wenn diese Väter also wollüstige und grausame Gestalten gewesen wären, wie sie die Manichäer in ihrem Irrtum, deutlicher gesagt in ihrem Irrwahn, beschuldigen, liesse sich nicht auch so noch beweisen, dass sie deren Gott – geschweige denn ihren Electi – moralisch überlegen waren? Es ist doch weniger verwerflich, wenn ein Mann, der eine Ehefrau hat, sich mit einer Dirne wälzt, als wenn das Licht in seiner reinsten Gestalt sich durch Vermischung mit der Dunkelheit besudelt? Gut, da hat ein Mann seine eigene Ehefrau aus Habgier und um seinen Bauch zu füllen als seine Schwester ausgegeben und um Dirnenlohn feilgeboten: wie viel sittenloser und verabscheuungswürdiger aber ist der, welcher durch Verstellung seine eigene Natur auf die Lüsternheit jener abstimmte, die nach ihm begehrten, und sie damit grundlos der Beschmutzung und Verderbnis preisgab! Und einer, der, selbst wissentlich, mit seiner Tochter schläft, handelt doch weniger obszön, als der, welcher bei sämtlichen Ausschweifungen solcher und noch schlimmerer sexueller Unmoral Glieder seines eigenen Körpers beimischt? Geben sich denn irgendwo liederliche und lasterhafte Menschen solchen Ausschweifungen hin, ohne dass sich dabei euer Gott, ihr Manichäer, vom ganzen Schmutz dieser Unmoral besudeln lässt? Wenn schliesslich Jakob, wie Faustus behauptete (594,21 ff.) in widerlicher Geilheit wie ein Ziegenbock zwischen vier Ehefrauen hin- und herirrte, nicht etwa aus Sorge um seine Nachkommenschaft, sondern allein von zügelloser Lust getrieben, wie viel weniger erbärmlich wäre er immer noch als euer Gott, der ja nicht nur in Jakob und seinen vier Ehefrauen – mit deren Körpern und deren Erregungen er untrennbar verbunden ist - die ganze Schändlichkeit jenes ausschweifenden Lebens zu ertragen hätte, sondern dazu noch im Ziegenbock, den der Unflat mit jenem Mann verglichen hat, jede geschlechtliche Erregung, jede Brunst über sich ergehen lassen muss, und der, durch sein schmachvolles Geschick allüberall beigemischt, in jedem Ziegenbock aufgegeilt, in jeder Ziege besamt, in jedem Zicklein gezeugt wird. Selbst wenn also Juda nicht bloss Dirnenumgang gepflegt, sondern wissentlich mit seiner eigenen Schwiegertochter ruchlosen Inzest begangen hätte, selbst in dieser blutschänderischen Lust würde euer Gott festhängen, er würde von ihr besudelt, durch sie ins Feuer geraten. David wiederum bereute sein Unrecht, dass er die Ehefrau des andern begehrt und deren Ehemann dem Tod ausgeliefert hatte: wann endlich wird euer Gott Reue darüber empfinden, dass er, von der Höllenbrut jener Fürsten der Finsternis, männlichen wie weiblichen Geschlechts, heftig begehrt, seine eigenen Glieder deren Geilheit auslieferte, und so zwar nicht den Ehemann, dessen Gattin er begehrte, wohl aber seine eigenen Söhne in den Gliedern der Dämonen, - von denen er selber begehrt worden war -, dem Tod auslieferte? Doch selbst wenn David keine Reue gezeigt, also die Gesundheit der Seele, d.h. die Gerechtigkeit, den jenes Heilmittel schenkt, nicht wieder erlangt hätte, selbst dann stände er moralisch besser da als jener Gott der Manichäer. Mag sich nämlich David neben dieser einen Tat noch durch beliebig viele andere ähnliche Taten, so viele ein einzelner Mensch überhaupt begehen könnte, entehrt und besudelt haben, jener Gott dagegen, das ist unwiderlegbar, wird durch die Beimischung seiner eigenen Glieder bei sämtlichen von sämtlichen Menschen begangenen Taten dieser Art entehrt und besudelt. Auch der Prophet Hosea wird von Faustus auf die Anklagebank gesetzt. Doch selbst wenn er sich als Sklave seines schändlichen Sexualtriebes in diese Dirne verliebt und sie geheiratet hätte, so gilt es zu bedenken, dass gemäss eurer Verkündigung die Seelen beider Partner, sowohl die des leichtfüssigen Liebhabers wie die der sittenlosen Dirne, Teile und Glieder, ja die Natur eures Gottes ausmachen, dass also jene Dirne, um es unverblümt und geradeheraus zu sagen, euer Gott ist; nun könnt ihr ja nicht behaupten, dass er unter makelloser Bewahrung der Heiligkeit seiner Natur als willkommener Gast, nicht als Gefangener, in den Körper jener Dirne gelangte, sondern gebt sogar zu, dass diese Glieder eures Gottes dabei schändlichst beschmutzt wurden und deshalb einer gründlichen Reinigung bedürfen. Jene Dirne, deretwegen ihr den Mann Gottes zu beschuldigen wagt, wäre somit auch dann, wenn sie sich nicht durch eine gottgefällige Ehe zum Bessern gewandelt hätte, euer Gott, oder aber, falls euch dieser Ausdruck missfällt, die Seele dieser Dirne wäre wenigstens, wie ihr ja offen zugebt, eine Partikel, wenn auch eine ganz winzige, eures Gottes. Bedenkt man all das, wäre Hosea immerhin moralisch höherstehend als euer Gott, da es sich ja bei dieser Frau nur um eine einzelne Dirne handelte, während sich jener Gott, da er schicksalhaft mit dem gesamten Geschlecht der Finsternis vermischt ist, in sämtlichen Dirnen prostituiert, in sämtlichen Männern und Frauen, die allüberall und in allen Variationen Unzucht treiben und sich dabei moralisch zugrunderichten, sich wälzt, sich wieder befreit, wieder gefesselt wird, um in der nächsten Generation sich wieder zu wälzen, sich wieder zu befreien, und wieder gefesselt zu werden, bis schliesslich der am schlimmsten verunreinigte Teil eures Gottes, gleichsam die Dirne, für die es keine Entsühnung gibt, in jenem letzten Klumpen sein Endlager findet. Nichts von all diesen Übeln, diesen Obszönitäten, dieser Entwürdigung konnte euer Gott von seinen Gliedern fernhalten, durch den Zwang, den ein übermächtiger Feind ausübte, musste er alles auf sich nehmen; denn er hatte ja nicht die Kraft, jenen verbrecherischen und gewaltsamen Feind zu vernichten und seine eigenen Mitbürger, d.h. jene Teile seiner selbst, heil zu bewahren. Wieviel besser war also jener Moses, der den Ägypter tötete und seinen Bruder vor Schaden bewahren konnte, er, den Faustus mit erstaunlicher Verblendung anschuldigte, und dabei seinen eigenen Gott mit noch erstaunlicherer Blindheit übersah! Wieviel besser handelte dieser, wenn er dem Volk der Ägypter dessen goldene und silberne Gefässe entriss, als wenn sich der Gott seine eigenen Glieder durch das Volk der Finsternis entreissen liess! Und obwohl ihr Gott selber einen so erbärmlichen Krieg führte, werfen seine Verehrer dem Diener unseres Gottes vor, dass er Kriege geführt habe, in denen er doch mit all den Seinen immer als Sieger über die Feinde triumphierte, die dann, Männer und Frauen, vom Volk Israel unter der Führung des Moses als Kriegsgefangene weggeführt werden konnten, was euer Gott, wenn er es vermocht hätte, gewiss auch getan hätte. Da ist also keine Anklage gegen Übeltäter, sondern Neid gegen Glücklichere. Was ist nun aber zur Grausamkeit des Moses zu sagen, dass er mit dem Schwert strafend gegen sein Volk vorging, das sich schwer gegen Gott versündigt hatte, eine Sünde, für die er immerhin Gott um Verzeihung bat, und sich sogar selber anstelle des Volkes zur göttlichen Bestrafung anbot? Aber selbst wenn er dies nicht aus Erbarmen, sondern aus Grausamkeit getan hätte, auch dann wäre er noch besser als euer Gott. Nie und nimmer hätte er einen seiner Soldaten, der sich nichts zuschulden kommen liess und den Befehlen gehorchte, und der beim Auftrag, die feindliche Schlachtreihe zu durchbrechen, in Gefangenschaft geriet, später, nach einem Sieg noch zusätzlich bestraft, wie es euer Gott mit jenem Teil seiner selbst tun wird, der seinem Befehl gehorchte und zur Rettung seines Reichs, den Tod vor Augen, in die feindliche Schlachtreihe vorrückte. Doch, lautet der Einwurf der Manichäer, in dieser langen Reihe von Äonen, in der jener Teil nun mit dem Bösen vermischt und verwachsen ist, hat er ja den Geboten seines Gottes nicht gehorcht! Gut, doch fragen wir, warum er nicht gehorchte! Wenn es aus eigenem Willen geschah, dann ist die Schuld echt und die Strafe gerecht; wenn allerdings der Wille verantwortlich ist, dann gibt es keine feindliche Natur, die zum Sündigen zwingt, und damit ist auch das ganze Lügengebäude der Manichäer widerlegt und zum Einsturz gebracht. Wenn er dagegen vom Feind, gegen den er ausgesandt worden war, überwältigt und somit durch ein nicht in ihm selbst liegendes Böses, dem er keinen Widerstand entgegensetzen konnte, überwunden wurde, dann ist die Strafe ungerecht und eine grosse Grausamkeit. Nun wird aber, um den Gott zu entschuldigen, seine Zwangslage ins Feld geführt. Soll halt einen solchen Gott verehren, wer Gott nicht verehren will! Immerhin ist eines zuzugeben: auch die Verehrer dieses Gottes, selbst wenn sie sich durch die Verehrung eines solchen Gottes als ganz üble Charaktere zeigen, sind immer noch viel besser als er selber, da sie wenigstens existieren, während er selber nichts anderes ist als Fiktion und Fälschung, als Hirngespinst und leerer Schein. Doch sehen wir uns an, was Faustus sonst noch an pfiffigem Unsinn anbietet!
