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m übrigen spürten sie, dass der Vater jene Handlung so sehr verabscheuen würde, dass sie diese für undurchführbar hielten, wenn sie nicht vorher seine Sinne benebelten. Sie machten ihn denn auch, wie es in der Schrift steht (cf. Gen. 19,31-35) trunken und verkehrten ohne sein Wissen mit ihm. Deshalb verdient er zwar Tadel, allerdings nicht für seinen Inzest, sondern für seine Trunkenheit. Denn auch sie wird durch das ewige Gesetz verurteilt, da dieses Speise und Trank nur soweit erlaubt, als es im Rahmen der Naturordnung zum Erhalt der Gesundheit vonnöten ist. Obgleich zwar ganz klar zu unterscheiden ist zwischen Trunksucht und Betrunkenheit – weder ist der Trunksüchtige dauernd betrunken, noch ist jeder, der irgendeinmal betrunken ist, zwangsläufig trunksüchtig – so ist doch bei einem Gerechten wie ihm nach den Hintergründen für seinen damaligen Zustand zu fragen, den man zwar nicht als chronische Trunksucht, wohl aber gewiss als Betrunkenheit bezeichnen kann. Was hat ihn denn eigentlich gezwungen, seinen Töchtern nachzugeben oder ihnen zu vertrauen, wenn sie ihm wieder und wieder Wein mischten oder vielleicht sogar wiederholt ungemischten Wein reichten? Wollte er etwa seine Töchter, die eigens für diesen Zweck übergrosse Traurigkeit vortäuschten, auf diese Weise trösten, und ihnen durch den Weingenuss – weil er natürlich annahm, dass auch sie die gleiche Menge trinken würden – den Schmerz aus den Köpfen verjagen, den sie angeblich ob ihrer vereitelten Hoffnungen und der Trauer um ihre Mutter empfanden, wobei sie es aber mit einer List fertigbrachten, selber nichts zu trinken? Wie es sich aber für einen gerechten Mann geziemen würde, seinen Angehörigen in ihrer Betrübnis solchen Trost anzubieten, sehen wir nicht. Oder gelang es den Töchtern vielleicht mit einem üblen Zaubertrick, wie er in Sodom angewendet wurde, ihren Vater schon mit wenig Bechern so trunken zu machen, dass sie die sündige Tat ohne sein Wissen mit ihm, besser gesagt an ihm, vollziehen konnten? Doch wäre es merkwürdig, wenn die göttliche Schrift dies unterschlagen hätte, oder wenn Gott seinen Diener solches hätte erdulden lassen, ohne dass er sich willentlich schuldig gemacht hätte.
