3. Kapitel
Denn wenn es auch offensichtlich in der Kirche Unkraut gibt, so darf doch weder unser Glaube noch unsere Liebe derart Anstoß daran nehmen, daß wir selbst die Kirche verlassen, weil wir Unkraut in ihr bemerken. Wir haben vielmehr lediglich darauf hinzuarbeiten, daß wir Weizen1 zu sein vermögen, damit wir die Frucht für unsere Mühe und Arbeit einheimsen, wenn einmal die Ernte in die Scheunen des Herrn geborgen werden soll. Der Apostel sagt in seinem Briefe: „In einem großen Hause aber gibt es nicht nur goldene und silberne, sondern auch hölzerne und irdene Gefäße, und zwar sind einige zur Ehre, andere zur Unehre2.“ Wollen wir uns Mühe geben und, soviel wir können, danach streben, daß wir ein goldenes oder silbernes Gefäß seien! Die irdenen Gefäße aber zu zerbrechen, ist nur dem Herrn erlaubt, dem auch die eiserne Rute gegeben ist. Der Knecht kann unmöglich größer sein als sein Herr; auch darf sich niemand etwas anmaßen, was der Vater nur seinem Sohne zugeteilt hat, und sich einbilden, zur Säuberung und Reinigung der Tenne selbst schon die Wurfschaufel führen oder durch sein menschliches Urteil alles Unkraut von dem Weizen scheiden zu können. Nur hochmütiger Starrsinn ist das und gottlose Anmaßung, die sich verworfener Wahnwitz herausnimmt. Indem so manche stets mehr Rechte beanspruchen, als maßvolle Gerechtigkeit fordert, gehen sie der Kirche verloren, und indem sie sich voll Keckheit überheben, werden sie durch ihre eigene Aufgeblasenheit verblendet und verlieren das Licht der Wahrheit. Indem deshalb auch wir den rechten Mittelweg einhielten, auf die Wege des Herrn achteten und die Güte und Barmherzigkeit Gottes, des Vaters, bedachten, haben S. 169 wir in langer und vielfacher Erörterung untereinander erwogen, was in gerechter Mäßigung zu tun ist.
