4. Kapitel
Denn wie könnte es eine größere oder bessere Sorge für die Vorsteher geben, als mit ängstlicher Gewissenhaftigkeit und rettender Heilung auf die Pflege und die Erhaltung der Schafe bedacht zu sein? Spricht und sagt doch der Herr: „Was schwach ist, habt ihr nicht gestärkt, und was sich übel befand, habt ihr nicht gekräftigt, und was betrübt ist, habt ihr nicht getröstet, und was in der Irre ging, habt ihr nicht zurückgerufen, und was verlorenging, habt ihr nicht gesucht. Und meine Schafe sind deshalb zerstreut, weil keine Hirten da sind, und sie sind zur Beute geworden allen Tieren des Feldes, und es war niemand da, der nachgesucht, niemand, der sie zurückgerufen hätte. Darum spricht der Herr also: Siehe, ich komme über die Hirten, und ich werde meine Schafe aus ihren Händen fordern und sie wegnehmen, so daß sie nicht mehr meine Schafe weiden; und bald werden sie diese nicht S. 304 mehr weiden, und ich werde meine Schafe ihnen aus dem Munde ziehen und werde sie weiden mit Klugheit1.“ Da also der Herr solchen Hirten, durch die seine Schafe vernachlässigt werden und zugrunde gehen, also droht, was haben dann wir, teuerster Bruder, anderes zu tun, als die größte Sorgfalt darauf zu verwenden, die Schafe Christi zu sammeln und zu hegen und das Heilmittel der väterlichen Güte zu gebrauchen, um die Wunden der Gefallenen zu heilen? Mahnt und sagt doch auch der Herr im Evangelium: „Nicht die Gesunden haben den Arzt nötig, sondern diejenigen, die sich übel befinden2.“ Denn wenn wir auch viele Hirten sind, so weiden wir doch nur eine Herde, und alle Schafe, die Christus durch sein Blut und Leiden erworben hat, müssen wir sammeln und pflegen, und wir dürfen nicht dulden, daß unsere hilfeflehenden und betrübten Brüder grausam verachtet und durch die stolze Anmaßung gewisser Leute niedergetreten werden. Steht doch geschrieben: „Jener aber, der trotzig ist, ein Mann, der sich brüstet, wird ganz und gar nichts ausrichten, er, der seine Seele weit geöffnet hat wie die Hölle3“. Auch der Herr beschuldigt und verdammt alle derartigen Menschen im Evangelium mit den Worten: „Ihr seid es, die ihr euch rechtfertigt vor dem Angesicht der Menschen. Gott aber erkennt eure Herzen; denn was erhaben ist unter den Menschen, ist ein Fluch vor dem Angesicht Gottes4.“ Fluchwürdig und verabscheuenswert nennt er die Selbstgefälligen, die sich in stolzer Aufgeblasenheit voll Dünkel etwas anmaßen. Da nun Marcianus zu ihnen zählt und durch seine Verbindung mit Novatianus ein Gegner der Barmherzigkeit und Milde geworden ist, so soll er nicht ein Urteil sprechen, sondern empfangen und soll nicht so tun, als ob er über die Körperschaft der Bischöfe gerichtet habe, da er ja selbst von der Gesamtheit der Bischöfe gerichtet worden ist.
