2. Kapitel
Ja, wenn sie diese gewaltige Anmaßung nur zeigten, ohne daß das Heil unserer Brüder vernichtet wäre! Die Mißachtung unserer bischöflichen Würde könnte ich noch übersehen und ertragen, wie ich sie stets übersehen und ertragen habe. Aber das Übersehen ist jetzt nicht mehr am Platze, da unsere Brüder von einigen unter euch hintergangen werden; denn indem sie ohne Rücksicht auf eine Wiederherstellung des Heils nur auf Beifall erpicht sind, bringen sie den Gefallenen vielmehr nur Schaden. Daß es nämlich ein schweres Verbrechen ist, das die Verfolgung sie begehen ließ, das wissen auch die Schuldigen selbst. Hat doch unser Herr und Richter gesagt: „Wer mich bekennt vor den Menschen, den will ich auch bekennen vor meinem Vater, der im Himmel ist; wer mich aber verleugnet, den werde ich auch verleugnen1“, und wiederum: „Alle Sünden werden den Menschenkindern vergeben werden, auch die Lästerungen. Wer aber den Heiligen Geist lästert, bekommt keine Vergebung, sondern ist ewiger Sünde schuldig2.“ Auch der selige Apostel hat gesagt: „Ihr könnt nicht des Herrn Kelch trinken und den Kelch der Teufel; ihr könnt nicht teilnehmen an des Herrn Tisch und an dem Tisch der Teufel3.“ Wer diese Worte unseren Brüdern vorenthält, der betrügt die Unglücklichen; denn sie, die durch wahre Buße Gott als dem barmherzigen Vater nunmehr mit ihren Gebeten und Werken Genugtuung leisten könnten, werden so nur verführt, so daß sie noch mehr zugrunde gehen und, statt sich wieder aufzurichten, noch tiefer fallen. Denn während bei geringeren Verfehlungen die Sünder eine S. 59 bestimmte Zeit Buße tun, während sie nach den Regeln der Kirchenzucht zur öffentlichen Beichte sich einfinden und durch Handauflegung von Seiten des Bischofs und der Geistlichkeit das Recht der kirchlichen Gemeinschaft wiedererlangen, läßt man sie jetzt in dieser blutigen Zeit, wo die Verfolgung noch andauert und der Friede der Kirche selbst noch gar nicht hergestellt ist, zur Kirchengemeinschaft zu, man opfert in ihrem Namen und reicht ihnen das heilige Abendmahl, noch bevor sie Buße getan, noch bevor sie ihre Beichte abgelegt, noch bevor Bischof und Geistlichkeit ihnen die Hand aufgelegt haben. Und doch steht geschrieben: „Wer unwürdig von dem Brote ißt und von dem Kelch des Herrn trinkt, macht sich schuldig an dem Leib und Blut des Herrn4.“
