6. Kapitel
S. 96 Mit einer und derselben Gesinnung, mit den gleichen Gebeten und Tränen laßt also uns selbst, die wir bisher dem Zusammensturz dieser Zeit entgangen, ebenso wie jene, die in das gegenwärtige Verderben hineingeraten sind, die göttliche Majestät anflehen und für den Namen der Kirche um Frieden ersuchen! Laßt uns in gegenseitigen Gebeten einander hegen, bewachen und bewaffnen! Laßt uns beten für die Gefallenen, damit sie wieder aufgerichtet werden, laßt uns beten für die Standhaften, damit sie nicht schließlich noch der Versuchung zum Opfer fallen, laßt uns beten, damit alle, die als Gefallene gemeldet werden, die Größe ihres Vergehens erkennen und einsehen, daß sie kein nur augenblickliches und übereiltes Heilmittel brauchen können! Laßt uns beten, damit auf die Buße der Gefallenen auch die Wirkung der Verzeihung folge und daß sie in Erkenntnis ihres Vergehens sich entschließen, uns einstweilen Geduld zu zeigen, und nicht den schwankenden Stand der Kirche noch weiter erschüttern; sonst haben sie uns am Ende noch eine innere Verfolgung entfacht, und zu dem vollen Maß ihrer Sünden kommt noch ihre Unruhe hinzu. Denn Bescheidenheit ziemt sich vor allem für solche, deren unbescheidener Sinn in ihren Vergehungen verurteilt wird. Mögen sie immerhin an die Türe klopfen, aber sie dürfen sie auf keinen Fall erbrechen. Mögen sie vor der Schwelle der Kirche erscheinen, aber sie dürfen sie keineswegs gewaltsam überschreiten. Mögen sie vor den Pforten des himmlischen Lagers wachen, aber bewaffnet mit der Bescheidenheit, in der sie ihre Fahnenflucht erkennen! Mögen sie nach der Trompete ihrer flehentlichen Bitten greifen, nur dürfen sie nicht mit ihr zum Kampfe rufen. Mögen sie sich rüsten mit den Waffen der Bescheidenheit und den Schild des Glaubens, den sie durch ihr Leugnen aus Todesfurcht weggeworfen hatten, wieder zur Hand nehmen, aber nur um gegen den Feind, den Teufel, wenigstens jetzt gerüstet dazustehen, nicht aber um sich einzubilden, gegen die Kirche bewaffnet zu sein, die ihren Fall betrauert! Bescheidene Bitte, ehrerbietiges Flehen, S. 97 die notwendige Demut und eifrige Geduld wird ihnen großen Nutzen bringen. Als Boten ihrer Schmerzen sollen sie Tränen entsenden, als Anwälte mögen für sie eintreten ihre aus der Tiefe der Brust kommenden Seufzer, die ihren Schmerz und ihre Scham über das begangene Verbrechen bezeugen!
