5. Kapitel
Laßt uns flehentlich bitten, laßt uns in unablässigen Gebeten seufzen! Denn wisset, liebste Brüder, vor gar nicht langer Zeit wurde uns durch eine Erscheinung auch der Vorwurf gemacht, wir seien schläfrig im Bitten und nicht wachsam genug im Beten. Da nun Gott den liebt, den er züchtigt1, so züchtigt er, wenn er es tut, doch gewiß nur deshalb, um zu bessern, und er bessert nur, um zu retten. Laßt uns daher die Bande des Schlafes abschütteln und zerbrechen, laßt uns inbrünstig und wachsam beten, wie es der Apostel Paulus einschärft mit den Worten: „Oblieget dem Gebet und wachet darin2!“ Denn auch die Apostel ließen nicht ab, Tag und Nacht zu beten, und ebenso hat der Herr selbst, der Lehrmeister der Zucht und der Wegweiser für unsere Nachfolge, häufig und wachsam gebetet, wie wir im Evangelium lesen: „Er ging hin auf den Berg, zu beten, und er verbrachte die Nacht im Gebet zu Gott3.“ Und sicherlich galt sein Gebet uns, denn er selbst war kein Sünder, sondern er trug nur unsere Sünden. Wie er aber für uns flehte, das lesen wir an einer anderen Stelle: „Der Herr aber sprach zu Petrus: Siehe, der Satan begehrte euch zu sichten wie den Weizen; ich aber habe für dich gebetet, daß dein Glaube nicht aufhöre4.“ Wenn nun aber er für uns und unsere Sünden sich abmüht und wacht und fleht, wieviel mehr müssen dann S. 39 wir uns aufs Flehen verlegen und beten und zuerst den Herrn selbst bitten, um sodann durch ihn Gott dem Vater Genugtuung zu leisten? Wir haben einen Anwalt und Fürsprecher für unsere Sünden an Jesus Christus, unserem Herrn und Gott, vorausgesetzt nur, daß wir unsere begangenen Sünden bereuen, daß wir unsere Vergehungen, durch die wir jetzt den Herrn beleidigen, bekennen und einsehen und geloben, wenigstens fürderhin auf seinen Wegen zu wandeln und seine Gebote zu fürchten. Der Vater züchtigt und beschützt uns, aber nur, wenn wir feststehen im Glauben und trotz aller Heimsuchungen und Drangsale treu seinem Gesalbten anhängen, wie geschrieben steht: „Wer wird uns trennen von der Liebe Christi? Trübsal oder Bedrängnis oder Verfolgung oder Hunger oder Blöße oder Gefahr oder das Schwert5?“ Nichts von alledem vermag die Gläubigen zu trennen, nichts kann die losreißen, die mit seinem Leib und Blut verbunden sind. Diese Verfolgung ist nur eine Untersuchung und Erforschung unserer Sünde. Sichten und prüfen lassen wollte uns Gott, wie er die Seinigen stets geprüft hat, und doch hat es bei seinen Prüfungen den Gläubigen noch niemals an Hilfe gefehlt.
