3. Kapitel
Wenn du vollends sagtest, Priester müßten demütig sein, weil auch der Herr und die Apostel demütig waren, so erwidere ich: Meine Demut ist nicht nur bei den Brüdern, sondern auch bei den Heiden aufs beste bekannt und geschätzt. Auch du kanntest und schätztest sie, als du noch in der Kirche und in der Gemeinschaft mit mir warst. Wer jedoch von uns beiden steht der Demut ferne: ich, der ich täglich den Brüdern diene und alle, die zur Kirche kommen, gütig und mit dankbarer Freude aufnehme, oder du, der du dich zum Bischof des Bischofs und zum Richter über den von Gott bestellten zeitweiligen Richter aufwirfst? Sagt doch Gott im Buche Deuteronomium: „Und jeder Mensch, der solchen Stolz zeigt, daß er nicht hört auf den Priester oder auf den Richter, wer es auch in jenen Tagen sein mag, jener Mensch wird sterben, und das ganze Volk wird sich fürchten, wenn es davon hört, und sie werden nicht mehr gottlos handeln1.“ Und abermals spricht und sagt er zu Samuel: „Nicht dich haben sie verschmäht, sondern mich haben sie verschmäht2.“ Auch der Herr hat im Evangelium, als man zu ihm sagte: „So antwortest S. 284 du dem Hohenpriester?“ die priesterliche Ehre beobachtet und gelehrt, daß man sie bewahren muß, und er hat kein Wort gegen den Hohenpriester gesprochen, sondern lediglich zur Rechtfertigung seiner Unschuld geantwortet und gesagt: „Habe ich übel geredet, so beweise mir das Üble; habe ich aber gut geredet, was schlägst du mich dann3?“ Ebensowenig hat der selige Apostel, als man zu ihm sagte: „So ziehst du mit Schmähungen gegen den Hohenpriester los?“ irgendeine Beschimpfung gegen den Priester ausgesprochen, obwohl er sich kräftig gegen jene hätte auslassen können, die Gott gekreuzigt und die bereits den Herrn und den Gesalbten und den Tempel und das Priestertum verloren hatten. Dennoch bedachte er selbst bei den falschen und ihrer Würde beraubten Priestern sogar den leeren Schatten des priesterlichen Namens und sagte: „Ich wußte nicht, ihr Brüder, daß es der Hohepriester ist. Denn es steht geschrieben: Einen Obersten deines Volkes sollst du nicht schmähen4!“
