5. Kapitel
Um mich nun nicht erst lange damit aufzuhalten, sämtliche Ketzereien aufzuzählen und die Torheit oder den Wahnsinn jeder einzelnen zu verzeichnen — denn man spricht auch nicht gerne von etwas, dessen Kenntnis nur Schauder und Scham erweckt —, will ich vorerst nur an Marcion, den der uns von dir gesandte Brief erwähnt, die Frage prüfen, ob es mit seiner Taufe stimmt. Als nämlich der Herr nach seiner Auferstehung seine Jünger aussandte, da unterwies und lehrte er sie, wie sie taufen sollten, mit den Worten: „Gegeben ist mir alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Geht also hin und lehret alle Völker und taufet sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes1!“ Die Dreieinigkeit schärft er ein, auf deren Geheimnis alle Völker getauft werden sollten. Hält etwa Marcion an dieser Dreieinigkeit fest? Bekennt er sich etwa zu demselben Gott Vater als Schöpfer wie wir? Kennt er den nämlichen Sohn Christus, geboren aus der Jungfrau Maria, das fleischgewordene Wort, den Träger unserer Sünden, der durch sein Sterben den Tod besiegt, der mit der Auferstehung des Fleisches zuerst bei sich selbst begonnen und dann seinen Jüngern gezeigt hat, daß er in demselben Fleische wieder auferstanden ist? Ganz anders sieht der Glaube bei Marcion, aber auch bei den übrigen Ketzern aus. Oder vielmehr, es gibt bei ihnen nur Unglauben und Lästerung und Streit, der ein Feind des Heils und der Wahrheit ist. Wie kann man sich also einbilden, der bei ihnen Getaufte habe Vergebung der Sünden und die Gnade der göttlichen Nachsicht durch S. 341 seinen Glauben erlangt, wenn er doch den wahren Glauben selbst nicht besitzt? Denn wenn einer, wie manche meinen, auf Grund seines Glaubens draußen außerhalb der Kirche etwas empfangen konnte, so hat er doch sicherlich das empfangen, was er glaubte. Wer aber das Falsche glaubte, konnte unmöglich das Wahre erhalten, sondern er empfing vielmehr seinem Glauben entsprechend nur Unechtes und Unheiliges.
Matth. 28, 18. 19. ↩
