99. Brief — An Pater Gracián in Sevilla
Malagón, am 15. Juni 1576
Plan, das Kloster Malagón nach Paracuellos zu verlegen. Nachrichten über ihre Reise nach Malagón und über den schlimmen Zustand des dortigen Klosters.
Jhs
Die Gnade des Heiligen Geistes sei mit Euerer Paternität, mein Vater!
Es war für mich eine große Freude, als ich heute den Maultiertreiber ankommen sah. Ich fühle eine gewisse Erleichterung, wenn ich einen Brief durch eine so zuverlässige Person übersende, wie er ist. Ich gestehe Ihnen, mein Vater, der Gedanke, daß Sie schon in Sevilla waren, als man sich beeilte, Sie dorthin zu bringen, macht mir Angst. Das beste Mittel gegen alle diese Vorurteile wäre meiner Ansicht nach, wenn Sie selbst sich hier befänden. Wahrhaftig, wenn ich mir vorstelle, wie selten ich von Euerer Paternität Nachricht erhalten werde, so weiß ich nicht, wie es mir möglich sein wird, eine solche Prüfung auszuhalten. Möge Gott dabei mithelfen und mir die besondere Gnade schenken, daß ich Sie endlich vor diesen Leuten in Sicherheit sehe!
Ich weiß nicht, warum man Euere Paternität und uns alle mitten in die größten Unruhen hat stürzen wollen. Ach, es genügte schon vollständig die Exkommunikation des Paters Mariano und des Paters Prior! Etwas tröstet mich jedoch, nämlich daß Herr Doktor Arganda bei Ihnen ist. Bitte, grüßen Sie ihn ehrfurchtsvoll von mir und sagen Sie ihm, wie sehr ich wünschen würde, ihn wieder zu sehen. Vergessen Sie auch nicht, ihm mitzuteilen, daß ich ihn bitte, nicht so leichthin zu glauben, daß diese Patres aufhören werden, an der Rückeroberung ihrer Freiheit zu arbeiten; sie werden sie um jeden Preis erstreben. Wenigstens versichern sie, daß dies ihre Absicht ist, falls Euere Paternität zu ihnen zurückkehren würde. Um darum nie in ihre Hände zu fallen, ist es immer gut, sich im Voraus gegen das zu schützen, was an dem Tage eintreten könnte, an dem Sie sich mitten unter diesen von der Leidenschaft verblendeten Menschen befinden würden.
Ich will Ihnen sagen, mein Vater, daß ich sehr erfreut war, als ich Ihren Besuch erhielt; außerdem werde ich nie bedauern, daß Sie bei den Unruhen, die dort entstanden, nicht zugegen waren; denn diese Leute hätten nicht weniger angestellt, und das wäre eine mangelhafte Rücksicht auf Ihre Autorität und Ihre Person gewesen.
Ich wünsche sehr zu erfahren, ob es Ihnen gut geht in dem Augenblick, wo Sie Ihre langen Visitationsreisen wieder aufnehmen wollen. Bemühen sich Euere Paternität um der Liebe des Herrn willen, mir pünktlich zu schreiben und Ihre Briefe auf verschiedenen Wegen an mich zu befördern; denn wenn ich in Ávila sein werde, wird für mich darin eine weitere Prüfung liegen, daß ich nur in langen Zwischenräumen eine Nachricht von Ihnen erhalte. Senden Sie, bitte, Ihre Briefe über Madrid oder Segovia und ab und zu über Toledo. Sie sehen, welche Umwege sie machen müssen wegen der schwierigen Verhältnisse, in denen wir uns gegenwärtig befinden. Ja wahrhaftig, zu gewissen Stunden bin ich sehr ungeduldig, wenn ich keine Briefe erhalte, und habe Langeweile. Aber da Sie meine Besorgnis kennen, so wäre es von Ihnen, mein Vater, grausam, wenn Sie die Korrespondenz mit mir vernachlässigen würden; und wenn Sie mir auch keinen langen Brief schicken können, so geben Sie mir doch wenigstens Nachricht über Ihre Gesundheit. Möge sie Ihnen unser Herr schenken, da sie notwendig ist zum Wohle des Ordens!
Bitte, teilen Sie mir mit, wie die Verhältnisse stehen! Sagen Sie mir auch, ob Sie Freude darüber empfunden haben, das Kloster zum heiligen Joseph in solcher Vollendung errichtet zu sehen! Unterrichten Sie mich auch über den guten Ruf, den es sich durch die stattgefundene Festfeier erworben hat! Was mich betrifft, so habe ich eingesehen, daß Gott meinen Aufenthalt dort nicht zulassen würde, nachdem ich dieses Haus mit seiner eigenartigen Anlage für die Schwestern und ihr ruhiges Leben gesehen. Er sei immerdar gepriesen! Das Kloster unserer Schwestern in Malagón befindet sich in sehr traurigen Verhältnissen, und da ich von Sevilla hieher kam, so hat es noch mehr diesen Eindruck auf mich gemacht.
Der Mutter Priorin geht es besser, aber sie befindet sich noch nicht ganz wohl. Ihre Krankheit hat mich betrübt. Jedoch die Hoffnung, sie genesen zu sehen, hat meinen Schmerz gemildert; denn dieses Leiden ist gefährlich. Wenn sie sterben sollte, so werden wir an ihr das beste Ordensmitglied verlieren. Was die Fehler betrifft, die sie gemacht hat, so ist sie, wie es scheint, derart davon geheilt, daß sie jetzt nur mehr klug handeln wird. Ich habe sie sehr gerne; und was mich antreibt, sie noch mehr zu lieben, ist die Tatsache, daß sie voll Liebe für Euere Paternität ist und über Ihre Gesundheit wacht. Vergessen Sie nicht, sie inständig Gott zu empfehlen. Das Kloster zu Malagón wäre gewissermaßen verloren, wenn man annimmt, daß sie fehlen würde.
Ich habe soeben einen Boten an Doña Luise abgesandt. Ich erwarte seine Rückkunft. Falls sich die Angelegenheit nicht erledigen läßt, bin ich entschlossen, sie dringend zu bitten, sie möge die Nonnen in ihrem Hause zu Paracuellos unterbringen, bis das hiesige [Kloster] fertiggestellt ist. Paracuellos ist drei Meilen von Madrid und zwei von Alcalá entfernt. Der Ort ist, wie mir scheint, sehr gesund, und ich hätte gar sehr gewünscht, daß dort das Kloster errichtet worden wäre, aber Doña Luise hat es nie gewollt. Jetzt, nachdem die Nonnen einmal in Malagón sind, wünsche ich noch viel mehr, daß sie nicht mehr von hier weggehen, weil viele Fremde durchreisen. Allein da es nicht anders zu machen ist, so wolle Gott es fügen, daß Doña Luise auf meinen Vorschlag eingeht! Genehmigen Euere Paternität, daß wir die Erlaubnis nicht abwarten! Denn ich glaube sicher, daß Sie diese erhalten werden. Das Kloster aber aufzugeben wie das zu Pastrana, geht durchaus nicht an. Kommt auch jetzt von Doña Luise keine befriedigende Antwort, so werde ich mich nach Toledo begeben, um daselbst einige Personen zu gewinnen, die ihr die Sache vorstellen, und ich werde von dort nicht weggehen, bis auf die eine oder andere Weise die Angelegenheit geregelt ist. Seien Euere Paternität darüber ohne Sorge!
Ich bin gesund hier angekommen. Es war besser für mich, zu Fuß als zu Wagen zu reisen. Denn so konnte ich zu jeder Stunde reisen, wenn ich wollte, und war wohlverpflegt von meinem Bruder. Derselbe läßt Euere Paternität vielmals grüßen; er kam gesund hier an und ist es noch. Er ist ein herzensguter Mensch. Wenn er nur mich in Toledo allein lassen und weiterreisen würde, bis die dortige Angelegenheit in Ordnung wäre und wir von Euerer Paternität Nachricht erhielten! Aber er ist nicht dazu zu bewegen. Die kleine Theresia hat uns auf der Reise erheitert und ist uns gar nicht lästig geworden. O mein Vater, welches Mißgeschick ist mir begegnet! Da wir in der Herberge nicht bleiben konnten, nahmen wir unsere Zuflucht zu einem Garbenhaufen in einer danebenstehenden Scheune. Da verkroch sich ein großer Salamander oder eine Eidechse in meinen Ärmel zwischen der Tunika und dem bloßen Arm; [der gütige Gott hat verhindert, daß er mir nicht anderswohin geriet, sonst glaube ich, wäre gestorben, so groß war mein Schrecken.] Mein Bruder erfaßte ihn und schleuderte ihn weg, traf aber damit den Anton Ruiz auf den Mund. Derselbe hat uns auf dem Wege viel Gutes erwiesen und ebenso Didakus. Geben Sie diesem bald das Ordenskleid; denn er ist ein kleiner Engel. Ich meine, er habe eine Nonne zum Eintritt bei uns veranlaßt, die mir viel lieber wäre als Katharina, die ich von hier wegnehmen muß. Dieselbe scheint sich jetzt besser zu befinden, nur hat sie inniges Verlangen, von hier fortzukommen. Die Kranke ist in einem hoffnungslosen Zustand. Euere Paternität können versichert sein, daß sie schwer krank war, als sie diesen schönen Streich spielte. Sie sagt indes selbst, sie habe dies zur größeren Ehre des Ordens getan.
Die Mutter Priorin empfiehlt sich Ihnen angelegentlich. Sie sagt, sie schreibe nicht, um Ihnen nicht lästig zu fallen. Sie ist wieder außer dem Bette; weil sie aber überall dabei sein möchte und so sehr für Reinlichkeit besorgt ist, so verzögert sie selbst ihre baldige Genesung. Wenn Euere Paternität in unser Kloster kommen, so seien Sie gegen [die Schwester Eleonora] vom heiligen Gabriel ja recht liebevoll. Denn sie war bei meiner Abreise sehr betrübt. Sie ist an Einfalt ein Engel und hat einen vortrefflichen Geist. Ich verdanke ihr Vieles.
Verordnen Euere Paternität, daß man im Sprechzimmer zu Sevilla durchaus niemandem zu essen gebe; denn die Schwestern werden dadurch sehr beunruhigt. Sie tun es auch sehr ungern, wenn es nicht Euere Paternität betrifft; im Notfalle aber würde dies keine Rolle spielen. Mir ist es noch unangenehmer; denn es bringt viele Mißstände mit sich, und deshalb habe ich es auch den dortigen Schwestern gesagt. Es genügt schon, daß sie, wenn sie anderen zu essen geben, selbst das Notwendige entbehren müssen; denn die Almosen sind spärlich. Da bleiben die Schwestern ungespeist, sagen aber kein Wort. Das ist jedoch noch der geringste Mißstand. Während meines dortigen Aufenthaltes sorgte ich dafür, daß ihnen nichts mangelte und der Konvent keine Unkosten hatte, wenn man jemandem zu essen gab. Alles kommt auf den Anfang an. Dies aber ist ein Anfang, aus dem viel Unheil entstehen kann. Bedenken darum Euere Paternität, daß daran viel gelegen ist! Es wird den Schwestern ein großer Trost sein, wenn sie wissen, daß es Ihr Wille sei, die von Pater Petrus Fernández gegebenen und bestätigten Verordnungen zu beobachten. Alle Schwestern sind noch jung, und glauben Sie mir, mein Vater, es ist das sicherste, wenn sie nicht mit Brüdern verkehren. Nichts fürchte ich in diesen Klöstern so sehr als diesen Verkehr; denn ist auch jetzt alles heilig, so weiß ich doch, wohin es führen wird, wenn man nicht gleich von Anfang an Vorkehrungen dagegen trifft. Dies ist der Grund, warum ich so sehr dagegen bin. Verzeihen Sie mir, mein Vater, und Gott sei mit Ihnen!
Möge Seine Majestät Sie beschützen und mir Geduld in genügendem Maße verleihen, damit ich es ertragen kann, seit so vielen Tagen keinen Brief mehr von Ihnen bekommen zu haben!
Ich bin in diesem Kloster am zweiten Pfingsttage angekommen, und heute ist der darauffolgende Freitag. Ich habe in Almodóvar Pater Ambrosius gesehen, der mich mit der größten Freude empfangen hat; aber die Abreise des Paters Balthasar nach Toledo hat mich betrübt. Ich weiß nicht, warum Pater Mariano ihn veranlaßt, sich noch einmal der Gefahr auszusetzen, selbst wenn nur von ferne Gefahren drohen. Gebe Gott, daß es mit diesem Kloster hier gut gehe! Ich glaube, daß diese Gründung sehr nutzbringend sein wird...
Ich war so weit in meinem Briefe, als man mir die Antwort der Doña Luise brachte. Sie sagt, sie werde in dieser Woche einen sehr guten Arbeiter schicken; aber sie hat mir Kummer gemacht.
Ich vergaß, Ihnen mitzuteilen, daß Pater Alfons nach Sevilla kam, um sich mit mir über die Angelegenheit des Paters Subprior zu besprechen, der wegen seines Kopfleidens ganz trostlos ist. Er sollte Euere Paternität bitten, ihn anderswohin zu senden. Er ist ein guter Mensch, und es wäre gerecht, ihm diesen Trost zu gewähren. Meiner Ansicht nach würde sich seine Gesundheit in Almodóvar bessern. Aber da der Prior schon fort ist, mußte man einen Vikar ernennen. Pater Gregor könnte seine Stelle vertreten, und auf diese Weise würde alles aufs beste vonstatten gehen. Je öfter ich letzteren sehe, um so vollkommener finde ich ihn, wie es mir scheint. Sie werden dort selbst sehen, was passend ist.
Etwas möchte ich mir von Ihnen, mein Vater, als Gunst ausbitten, nämlich daß Sie sich schonen. Mein Wunsch ist, Sie möchten Ihre Gesundheit nicht bis zu dem Grade vernachlässigen, daß Sie uns alle einsam zurücklassen! Ich weiß, daß die hiesige Mutter Priorin nichts versäumen wird, was zu diesem Zwecke notwendig ist, und ich werde meinerseits jemanden ausfindig machen, der dort Sorge trägt. Ich teile Ihnen dies mit, damit Sie im Notfalle nicht verfehlen, sich an die Mutter Priorin zu wenden. Wir senden ihr heute sogar Geld und alles, was Sie nötig haben können; außerdem habe ich bei der Schwester [Eleonora] vom heiligen Gabriel eine Menge Kleinigkeiten zurückgelassen; aber was ich ihr zurückließ, war unbedeutend. Beachten Euere Paternität es wohl: Sie dürfen es nicht befremdend finden, wenn ich von der Erlaubnis nichts wissen will, daß andere Brüder [im Sprechzimmer] speisen; was Sie betrifft, so haben Sie es offenbar notwendig, sich zu schonen, und nicht ohne große Besorgnis sehe ich Sie leider in diesem Sommer [in Sevilla]. Was unsere Sorge hier betrifft, Ihnen das Nötige zu senden, so kommt sie nicht davon, daß die Priorin, die Subpriorin und die Schwestern sich Ihre Pflege nicht angelegen sein lassen, sondern davon, weil sie vielleicht nur wenig Almosen bekommen. Angesichts ihrer Not würden Sie sich sehr zurückhaltend zeigen. Möge Gott Sie gesund erhalten und in unserer Liebe bewahren! Während Ihrer Abwesenheit wollen wir geduldig sein, aber es wird uns schwer fallen.
Euerer Paternität unwürdige Dienerin und Untergebene
Theresia von Jesu
