82. Brief — An die Mutter Maria Baptista, Priorin in Valladolid
Sevilla, 28. August 1575
Ankunft der Brüder der Heiligen aus Indien. Tugend des Don Laurentius de Cepeda. Angelegenheiten des Klosters Medina del Campo sowie einiger Nonnen. Wertschätzung des Paters Gracián. Über den Weg der Vollkommenheit. Geistliche Ratschläge.
Jesus sei mit Ew. Ehrwürden, meine Tochter! Es ist sonderbar, daß außer Ihren Briefen mich fast alle anderen (ich rede nicht von den Briefen der Beichtväter) langweilen und noch mehr deren Beantwortung; bei Ihnen aber ist mir das eine wie das andere angenehm. Besonders tröstet es mich, daß Sie, wie Sie sagen, sich gesünder fühlen. Gott sei in allem gepriesen!
Sie werden schon erfahren haben, daß meine Brüder mit den letzten Schiffen ankamen. Laurentius de Cepeda ist mir vor allen anderen lieb; ich sage Ihnen, er verdient, wenn er auch nicht mein Bruder wäre, schon ob seiner Tugend und seines Eifers im Dienste Gottes meine Liebe. Er ist eine sehr edle Seele. Zwar kam er sehr schwach an, doch er wird sich wieder erholen. Gottes Vorsehung hat es gefügt, daß ich hier bin; darob freut er sich immer wieder. In vielen Dingen bin ich ihm geworden... Kurz und gut, ich ertrage es viel leichter. Theresia mag acht Jahre zählen, sie ist sehr reizend und liebenswürdig.
Er will den Winter über hierbleiben, um sich nicht von mir trennen zu müssen. Ich habe angeordnet, daß meine Schwester und ihr Gemahl zu ihm kommen und in seinem Hause Wohnung nehmen, wenn er sich nach Madrid begibt, was er unbedingt tun muß. Er hat hinreichende Mittel, um gut leben zu können, und fühlt Überdruß an allen Dingen. Seine Freude wäre die Einsamkeit. Gott schenkt ihm viele Gnaden. Beten Sie in Ihrem Kloster für ihn, daß Gott ihm ein ruhiges Plätzchen schenke... Ich will nun Ihren Brief beantworten, den ich... Es sind viele Briefe angekommen, die der Beantwortung harren, besonders von Medina.
Dieses Haus hat mir von jeher Sorge gemacht, und jetzt hat man sich an Asensio gewandt, er möchte die größere Kapelle nehmen, damit Doña Helene ihr Haus zu einer Kirche gestalte. Wir sind ihr zu vielem Dank verpflichtet, und es wäre für die Nonnen so notwendig, jenen Chor zu verlassen. Ich weiß nicht, was ich sagen soll; wer hat den Nonnen in den Kopf gesetzt, sich in die Angelegenheiten fremder Häuser einzumischen?
Wenn auch Ew. Ehrwürden auf Ihr Haus sehr stolz sind, so möchte ich Ihnen doch sagen, daß man jene Nonne, von der Sie soviel zu reden wissen, nicht zurückhalten könne, wenn sie dort sich zurechtgefunden hat; denn was geschehen ist, ist von weit größerer Bedeutung. Seien Sie nicht so spitzfindig. Es genügt, wenn Sie sich um Ihr eigenes Haus kümmern. Sie würden großen Schaden stiften, wenn sie jene zurückhielten.
Seien Sie überzeugt, daß diese Rücksichten wenig Wert haben, wo es sich um den Gewinn vieler Seelen handelt. Wenn man sie dorthin schickt, wo man sie nicht kennt, so ist alles in Ordnung.
Glauben Sie ja nicht, daß sie überall alles findet, was sie sucht; es gäbe an manchen Orten keine Nonnen, wenn man soviel Rücksicht nähme. Im Anfang (der Gründungen) und aus finanziellen Gründen muß man bisweilen Nachsicht haben, wie es im Kloster zu Ávila und überall geschehen ist, und auch bei Ihnen muß man so handeln, sonst würden Sie keine Nonnen bekommen. Wenn ich es anfangs gewußt hätte, so hätte ich sie nicht aufgenommen; aber jetzt läßt sich nichts mehr ändern. Es war nicht gut, die anderen zu beunruhigen, ohne es mich wissen zu lassen. Sie wußten doch, daß ich sie aufgenommen habe, und es ist klar, daß ich mir bewußt war, daß Sie damit über die herkömmliche Zahl hinauskommen. Haben Sie kein Bedenken, daß es an einem Kloster fehle, wohin Sie diese schicken können.
Es ist doch sonderbar, daß Sie meinen, alles zu wissen, und dabei vorgeben, demütig zu sein. Sie haben nur Ihr eigenes Haus im Auge und nicht das, was für alle Häuser wichtig ist. Das ist der Anfang zur Unruhe und die Gefahr, alles zugrunde zu richten. Ich wollte diese Nonne nicht dorthin schicken, sondern eine Verwandte des Paters Olea, die nun nicht mehr gehen will. Es würde sich gut ausnehmen, ein Geschäft vornehmen zu müssen und darauf zu bestehen, um dann so hartnäckig zu sein, wie noch nie eine Priorin noch auch eine der übrigen Schwestern mir gegenüber war. Ich gestehe Ihnen, daran würde die Freundschaft in Brüche gehen.
Wissen Sie, es mißfällt mir, wenn Sie meinen, niemand könne die Verhältnisse so überblicken wie Sie. Dies hat, wie ich sagte, darin seinen Grund, daß Sie nur Einblick in Ihr eigenes Haus haben und sich nicht... kümmern um das Wohl der vielen anderen. Es genügt nicht, daß Sie großmütig sind, Sie müssen auch den anderen zeigen, daß Sie so sind. Vielleicht ist sie heiliger als jede andere. Ich weiß nicht, wie man sich auf seinen vermeintlichen Geist so viel einbilden kann. Wenn Sie scheu würden, wie es hier steht, wenn man ein Amt inne hat oder Verkäufe machen muß, und wie die Schwestern mit großer Demut über sich selbst denken, Sie würden staunen. Es ist gut, alles im Auge zu behalten, aber nicht soviel Wesens daraus zu machen. Niemand wird es mir begreiflich machen können, daß dies von Demut kommt. Ich weiß nun, daß ich die ganze Schuld habe, da ich mir von ihm nicht Aufschluß geben ließ, wie sie sei. Da er mir schon eine ausgezeichnete Nonne gegeben hat, so glaubte ich, daß diese auch so sei. Alles hat sich zum Guten gewendet; denn sicher verdanken wir ihm viel.
... die Freundschaft, die mich mit ihm verbindet, so daß er sich wundern würde über das, was vorgeht. Ich konnte nicht anders handeln, und ich bereue es auch nicht. Wenn Sie an ihm Fehler finden, so kommt dies entweder daher, daß Sie ihn selber in der Nähe haben oder weil Sie wenig mit ihm verkehren. Ich sage Ihnen, daß er ein Heiliger, ein wenig unternehmungslustig, aber sehr bedächtig ist. Ich habe darüber schon meine Erfahrung, und in seine Obhut muß man mehr als Bücher geben. Er sagt, daß ich unter seiner Leitung nicht mehr an meinen Vater Pater Damian denke. Der Grund ist, weil der eine so verschieden ist vom anderen, daß ... eine Freundschaft, die nur auf das Heil der Seele abzielt. Man verkehrt mit ihm wie mit einem Engel, und er ist es auch und war es immer. Und — wem auch der genannte Pater ebenso veranlagt ist, so weiß ich doch nicht, woher die Versuchung gekommen ist, daß ihr Einfluß so ganz verschieden ist. Gepriesen sei Gott, daß es ihm besser geht! Sagen Sie ihm meine Empfehlungen.
O welche Behandlung wird ihm von jener zuteil, die da sagt, daß es ihr dort schlimmer geht als mir! Ich sehe wohl ein, daß dies nur Befürchtungen von mir sind, Befürchtungen, er möchte die hl. Freiheit verlieren. Indessen weiß ich sicher, daß ich mir, falls es keine Undankbarkeit ist, nichts daraus machen würde, wie es mir auch nicht nahe geht, daß er sich jetzt dort befindet. Wissen Sie, seit ich dort war, erfreue ich mich einer größeren Sicherheit als damals, als er in meiner Nähe war. Es hat mir Vorteil gebracht und jeden Tag... denn diese Freundschaft gibt, wie ich sagte, mehr Freiheit. Es ist etwas ganz anderes, wenn ein Freundschaftsband nicht vom eigenen Willen kommt, sondern aus der Erkenntnis, daß man, wie schon erwähnt, den Willen Gottes vollzieht.
Warum sagen Sie mir nicht, ob das kleine Buch dem gefallen, der sagte, es sei das große gut gewesen. Geben Sie mir an, was weggelassen werden soll. Ich habe mich sehr gefreut, daß man sie nicht verbrannte, und ich würde mich freuen ... vielen Seelen Nutzen schafft als mir. Denn was will ich denn sonst? Ich suche die Ehre meines Herrn, daß viele ihn verherrlichen, und es war gewiß mein Wunsch, daß man meine Armseligkeit kennenlerne.
Eines was mich hier zufrieden macht und es noch mehr machen soll, besteht darin, daß ich hier nicht wie dort jenem Schein der Heiligkeit ausgesetzt bin! Das läßt mich leben und handeln, ohne fürchten zu müssen, daß eines Tages dieses Luftschloß über mir zusammenstürzt.
Es würde mich indes betrüben, wenn es in anderer Beziehung schlimmer stünde. Grüßen Sie ihn vielmals. Ich sage Ihnen, daß es mich hart ankommt, daß ich ihm nicht schreiben kann. Er möge keine Furcht haben, daß jemand die Freundschaft störe, die mich soviel gekostet hat. Bezüglich der Angelegenheit der Katharina von Jesu wird Pater Gracián schon dort gewesen sein. Ich schrieb ihm, er möchte sie sich genau ansehen, und Ew. Ehrwürden werden mit ihm gesprochen haben.
Es gereicht mir zum größten Trost, daß er Rechenschaft gibt ... Heute ist das Fest des hl. Augustin; damit Sie nicht das Datum suchen, füge ich es nochmal an.
Es will eine Kandidatin eintreten, die reich und fromm ist. Wenn sie eintritt, werden wir sogleich darangehen, ein Haus zu suchen. Es diene Ihnen zur Kenntnis, daß viele der hiesigen Schwestern sticken; jene, die eben eintrat, hat sehr geschickte Hände.
Ew. Ehrwürden
Theresia von Jesu, Karmelitin
Haben Sie acht, diese Heftchen wohl zu verwahren. In einigen stehen gute Anweisungen bezüglich der Profeß sowie auch, wie man sich bei Versuchungen zu verhalten hat. Lassen Sie diese meine Casilda lesen! Schicken Sie diesen Brief wohlverwahrt an Doña Guiomar; denn ich darf immer Briefe schreiben, und sie verschwinden wieder, und dann beklagt man sich... der Subpriorin... vom Kreuze wollen Sie mitteilen, daß ich viele Briefe schreiben mußte, weshalb ich ermüdet bin...
Anschrift: An die Mutter Priorin Maria Baptista.
