208. Brief — An Pater Kaspar de Salazar aus der Gesellschaft Jesu in Granada
Ávila, am 7. Dezember 1577
Verleumdungen der Unbeschuhten und des Paters Gracián. Prüfungen der Nonnen des Klosters zur Menschwerdung.
Jhs
Der Heilige Geist sei mit Ihnen, mein Vater.
Heute am Vorabend des Festes der unbefleckten Empfängnis, brachte man mir einen Brief von Ihnen. Unser Herr belohne Sie für den Trost, den Sie mir dadurch bereitet haben! Ich bedarf dieses Trostes sehr; denn ich versichere Sie, daß sich allem Anschein nach schon seit mehr als drei Monaten ganze Scharen von bösen Geistern gegen die Brüder und Schwestern der Reform erhoben haben. Die Verfolgungen und Verleumdungen, die sich gegen uns Nonnen und gegen Pater Gracián richten, sind so vielfältig und so schändlicher Art, daß uns kein anderes Mittel mehr bleibt, als unsere Zuflucht allein bei Gott zu suchen. Ich glaube auch wirklich, er habe die Gebete erhört, die von so wahrhaft frommen Seelen zu ihm emporgesendet wurden. Jene, die beim König die Klageschriften über unsere gar hübsch erdichteten Schandtaten einreichten, haben widerrufen. Es ist doch etwas Großes um die Wahrheit; denn inmitten dieser Prüfungen haben die Schwestern mehr als je Trost empfunden. Was mich betrifft, so wundere ich mich nicht, daß ich guten Mutes blieb; denn Unempfindlichkeit gegen derlei Dinge ist mir durch die Gewohnheit bereits zur [zweiten] Natur geworden.
Zu guter Letzt kamen die Nonnen des Klosters der Menschwerdung überein, mir bei der Wahl der Priorin ihre Stimme zu geben. Obgleich ich um 14 oder 15 Stimmen mehr erhielt als die andere Nonne, so sind doch die Beschuhten überaus schlau zu Werke gegangen, um die andere mit der geringeren Anzahl von Stimmen als Priorin zu erklären und zu bestätigen. Durch dieses ihr Verfahren hätten sie mir eine große Wohltat erwiesen, wenn die Sache friedlich abgegangen wäre. Da aber die Nonnen der ihnen aufgedrungenen Priorin nur als Vikarin Gehorsam leisten wollten — es waren ihrer mehr als fünfzig —, so wurden sie alle exkommuniziert. In Wirklichkeit aber waren sie, wenigstens nach der Ansicht der Theologen, nicht der Exkommunikation verfallen. Desungeachtet durften sie zwei Monate lang weder eine Messe hören noch auch mit ihren Beichtvätern reden und wurden sehr bedrängt. Selbst jetzt, nachdem der Nuntius den Auftrag gegeben, sie von der Exkommunikation loszusprechen, sind sie noch in großer Bedrängnis.
Was ist doch das für ein Leben, wenn man dies alles so ansehen muß! Die Streitsache ist nun jetzt vor das Königliche Ratskollegium gebracht worden. So betrübend es auch ist, die Verhandlung dieser Angelegenheit vor dem weltlichen Gerichte sehen zu müssen, so wäre es für mich doch weit schmerzlicher, wenn man mir die Last des Priorates in dem genannten Kloster aufbürden würde. Empfehlen Sie um der Liebe willen diese Angelegenheit Gott! Bevor wir nicht eine eigene Provinz bekommen, werden diese Unruhen nach meiner Ansicht nie ein Ende nehmen; allein dies sucht der Teufel mit all seiner Macht zu verhindern.
O könnte ich doch jetzt mit Ihnen reden, um Ihnen mündlich eine Menge von Vorkommnissen zu erzählen. Was sich zugetragen hat und noch zuträgt, ist eine ganze Geschichte; ich weiß nicht, wie dies enden wird. Wenn ich wieder etwas Neues erfahre, werde ich Ihnen ausführlich schreiben, da die Briefe, wie man mir sagt, sicher nach Granada gehen. Es wäre ein großer Vorteil für mich gewesen, wenn ich gewußt hätte, daß Sie einen solchen Freund in Madrid haben. Vielleicht könnte dieser auch jetzt noch unserer Sache förderlich sein.
Von Toledo aus habe ich einen langen Brief an Sie geschrieben; Sie sagen mir aber nicht, ob Sie ihn empfangen haben. Ich würde mich gar nicht wundern, wenn Sie jetzt, da ich hier bin, nach Toledo kämen, da ich an solches Mißgeschick gewöhnt bin. Indessen wäre es doch ein großer Trost für meine Seele gewesen, wenn ich Sie dort getroffen hätte.
Peralta hat sich gegen Carillo sehr dankbar gezeigt für das Gute, das er seiner Verwandten erwiesen, nicht so sehr, weil ihm an dieser Verwandten etwas gelegen ist, sondern um ihm in allem einen Beweis zu geben, daß er den guten Willen belohne. Wenn Sie den Peralta sehen, so sagen Sie ihm dieses; denn schließlich gibt es nur wenige Freunde, die so treu sind wie Carillo. Man sieht klar, wer jene Person ist, die diese Freundschaft zustande gebracht hat.
Diese läßt Ihnen auch mitteilen, daß die Angelegenheit, weswegen sie an jene Person von Toledo aus geschrieben hat, noch nicht zu einem glücklichen Abschluß gekommen ist. Man weiß es gewiß, daß jenes Juwel in den Händen eines Mannes ist, der es sehr hoch anschlägt; deshalb wird er es auch nicht herausgeben, bis er sich satt daran gesehen hat; denn er will es, wie er sagt, mit Aufmerksamkeit betrachten. Wenn Herr Carillo hieher käme, so würde er, wie jene Person vorgibt, ein anderes Juwel sehen, das, soviel sich erkennen läßt, vor dem ersteren noch viele Vorzüge hat. Es ist nichts davon sichtbar als nur das Werk des Herrn. Sein Glanz ist nämlich viel zarter und die Arbeit viel feiner als beim ersteren; denn wie jene Person behauptet, versteht der Goldarbeiter, der es verfertigt hat, jetzt mehr von seiner Kunst als früher. Das dazu verwendete Gold ist von besserer Qualität als das frühere, aber die Edelsteine liegen nicht so offen vor Augen wie bei dem ersteren. Es ist im Auftrage des Juweliers gefertigt worden, und wie man sagt, ist die Arbeit gut gelungen.
Ich weiß nicht, wie es kommt, daß ich Sie mit einem so ausführlichen Bericht belästige. Aber es ist immer ein Fehler von mir, daß ich andere durch Langweile ermüde, selbst auf meine Kosten hin. Weil jedoch Carillo Ihr Freund ist, so wird es Ihnen nicht lästig fallen, ihm diese Einzelheiten mitzuteilen.
Die Ihnen bekannte Person sagt auch, sie habe Ihnen deshalb nicht durch Vermittlung einer anderen geschrieben, weil es nichts anderes wäre als eine bloße Höflichkeitsbezeigung.
Vergessen Sie nie, mir Nachricht zu geben, wie es mit Ihrer Gesundheit steht. Es hat mich in gewisser Hinsicht schon das getröstet, Sie ohne Sorge zu sehen. Bei mir ist dies nicht der Fall. Ich weiß nicht, wie ich dabei so ruhig sein kann; und, Gott sei Dank, diese Ruhe wird mir auch durch nichts geraubt. Nur das Sausen im Kopfe, mein gewöhnliches Leiden, fällt mir lästig. Vergessen Sie weder mich noch meinen Orden, der in großer Bedrängnis ist, Gott zu empfehlen! Seine Majestät erhalte Sie und mache Sie heilig, wie ich sie darum bitte! Amen.
Die hiesigen Nonnen empfehlen sich Ihnen vielmals; sie sind sehr gute Seelen. Alle und besonders ich betrachten sich als Ihre Töchter.
Ihre unwürdige Dienerin
Theresia von Jesu
Anschrift: An den hochherrlichen, hochw. Herrn und meinen Vater in Granada.
