288. Brief — An die Mutter Maria vom heiligen Joseph, Priorin in Sevilla
Valladolid, am 22. Juli 1579
Einige Ratschläge für diese Priorin nach der Wiedereinsetzung in ihr Amt.
Jhs
Die Gnade des Heiligen Geistes sei mit Euerer Ehrwürden, meine Tochter!
Mit welch großem Rechte kann ich Sie doch so nennen! Ich habe wohl schon immer innige Liebe zu Ihnen getragen; allein diese ist jetzt so groß, daß ich darüber staunen muß. Darum habe ich ein inniges Verlangen, Sie zu sehen und zu umarmen. Gott, von dem alles Gute kommt, sei gepriesen, daß er Euere Ehrwürden aus einem so harten Kampfe siegreich herausgeführt hat! Ich schreibe diesen Sieg nicht Ihrer Tugend, sondern den vielen Gebeten zu, die in unseren Klöstern Kastiliens für das Ihrige verrichtet wurden. Möge Seine Majestät uns in den Stand setzen, ihr für die uns erwiesene Gnade gebührend Dank zu sagen!
Aus dem Briefe der Schwestern, den mir der Pater Provinzial übersandt, und aus dem Ihrigen, den mir Pater Nikolaus übermittelt hat, habe ich ersehen, daß Euere Ehrwürden jetzt wieder in Ihr Amt eingesetzt sind; das hat mich außerordentlich gefreut. Jedes andere Mittel wäre vergebens gewesen, um die Seelen wieder zu beruhigen. Haben Sie darum Geduld! Da Ihnen der Herr ein so inniges Verlangen, zu leiden, gegeben hat, so freuen Sie sich, dieses Verlangen jetzt stillen zu können! Denn dieses Amt ist, wie ich wohl weiß, kein kleines Kreuz. Wollten wir uns die Kreuze, die nach unserem Geschmacke sind, selbst auswählen und die anderen von uns weisen, so hieße das nicht, unserem Bräutigam nachfolgen, der im bittersten Gefühle seines Leidens am Ölberge sein Gebet mit den Worten schloß: Fiat voluntas tua. Diesen Willen des Vaters müssen wir immer vollziehen, mag er über uns verfügen, was er will.
Ich habe den Pater Nikolaus gebeten, er möge Sie über alles belehren, was er als notwendig erkennt; er ist sehr verständig und kennt Sie. Ich verweise Sie darum auf das, was er Ihnen schreiben wird. Nur um das eine bitte ich Sie, dafür Sorge tragen zu wollen, daß Sie und Ihre Nonnen die Angelegenheiten der Seele nur mit unseren unbeschuhten Vätern und nicht mit anderen besprechen. Wenn diese manchmal gerade nicht zu haben sind und infolgedessen die Kommunionen seltener werden, so machen Sie sich deshalb keine Sorge! Denn von größerer Bedeutung ist, daß wir nicht mehr in eine so traurige Lage kommen wie zur Zeit der Verfolgung. Wollen die Nonnen oder nur eine von ihnen zuweilen einem anderen aus unseren unbeschuhten Vätern beichten, so soll ihnen das nicht versagt werden.
Ich habe so wenig Zeit, daß ich nicht glaubte, Ihnen schreiben zu können. Empfehlen Sie mich allen recht sehr und danken Sie ihnen in meinem Namen, daß sie ein so gesundes Urteil an den Tag gelegt haben; sie haben es so gut verstanden, mir Freude zu bereiten. Die allerseligste Jungfrau belohne sie, segne sie und mache sie zu Heiligen!
Sie werden sich nach meiner Ansicht der Aufnahme der älteren Tochter des Heinrich Freyle wohl nicht entziehen können; ihm verdanken wir vieles. Folgen Sie hierin dem Rate des Paters Nikolaus! Die jüngere Schwester kann jetzt für keinen Fall aufgenommen werden, schon darum nicht, weil sie noch zu jung ist und weil es überhaupt nicht gut ist, daß drei leibliche Schwestern in ein und demselben Kloster sich befinden; am wenigsten ist das für unsere Klöster zu empfehlen, wo die Zahl der Nonnen so gering ist. Betrüben Sie indessen die Eltern nicht, sondern vertrösten Sie diese einstweilen mit dem Bemerken, daß ihre Tochter noch nicht das erforderliche Alter habe!
Wenn es möglich ist, so bezahlen Sie meinem Bruder nach und nach, was Sie ihm schuldig sind; denn ich weiß, daß er jetzt Geld nötig hat, da er auf einmal viele Ausgaben zu machen hat. Vergessen Sie nicht, was Sie ihm schuldig sind! O wenn Sie wüßten, welche Teilnahme er an Ihren Prüfungen zeigte! Gott verleihe Ihnen den Frieden, der überaus notwendig ist, um ihm zu gefallen!
Geben Sie mir über alles ausführlich Nachricht, besonders über jene zwei armen Schwestern; denn ich bin sehr um sie besorgt. Zeigen Sie sich freundlich gegen sie und wenden Sie alle möglichen Mittel an, die Ihnen geeignet erscheinen, um Sie zur Erkenntnis ihrer Schuld zu bringen!
Ich werde, so Gott will, am Feste der heiligen Anna von hier abreisen und in Salamanka mich einige Zeit aufhalten. Ihre Briefe können Sie an Rochus de Huerta adressieren. Alle Schwestern des hiesigen Klosters empfehlen sich angelegentlichst in Ihre und aller dortigen Schwestern Gebete. Sie sind ihnen zu großem Dank verpflichtet.
Die Klöster in Kastilien befinden sich in jeder Hinsicht in so gutem Zustand, daß man den Herrn lobpreisen muß. Empfehlen Sie alle Seiner Majestät die Angelegenheit in Malagón und auch jene, die mich nach Salamanka ruft, und vergessen Sie keinen der Wohltäter, die uns besonders in den letzten Zeiten Gutes getan haben!
Heute ist das Fest der heiligen Magdalena.
Ich bin hier so vielseitig beschäftigt, daß ich gar nicht weiß, wie ich Ihnen diesen Brief schreiben konnte; ich mußte es mit mehreren Unterbrechungen tun. Das ist auch der Grund, warum ich dem Pater Gregor nicht schrieb, wie ich mir anfangs dachte. Schreiben Sie ihm einen freundlichen Gruß von mir; ich bin zufrieden mit ihm; denn nachdem ihm ein so guter Teil in diesem Kampfe zugefallen ist, wird er jetzt auch Anteil haben an der Beute. Teilen Sie mir auch mit, wie es unserem guten Vater, dem Prior de las Cuevas, ergeht, damit ich weiß, wie ich ihm über unsere Angelegenheit schreiben muß.
Euerer Ehrwürden Dienerin
Theresia von Jesu
