20. Brief — An Doña Johanna de Ahumada in Alba de Tormes
Toledo, anfangs Dezember des Jahres 1569
Verwahrung der Heiligen gegen die Tendenzen einiger ihrer Verwandten, die sie zu ihrem Vorteile auszubeuten suchten.
Jesus sei mit Ihnen!
Es wäre töricht, wollte ich mir bei einer so günstigen Botengelegenheit die Zeit nicht nehmen, an Sie zu schreiben, und Sie so der Freude berauben, die Sie an der Lesung eines Briefes von mir haben. Unser Herr, der es so gut geordnet hat, sei dafür gepriesen! Möge es Seiner Majestät gefallen, das, was noch fehlt, ebenso gut zu ordnen!
Sehen Sie nicht, welch notwendige Geschäfte meinen Bruder veranlaßt haben, auch wider Willen hierher zu kommen? Und vielleicht wird er wiederholt hierher reisen müssen, um das Geld zu holen, wenn auch jemand zu bekommen wäre, um es ihm zu schicken. Er wird Nachrichten von Ihrem Sohne überbringen. Jetzt geht es in der Geldangelegenheit gut. Möchte es mit dem Gewinne der Seele ebenso gut gehen! Beichten Sie auf Weihnachten und empfehlen Sie mich Gott! Sehen Sie nicht, daß die göttliche Majestät, wie ich es auch anstellen mag, nicht will, daß ich arm sei? Ich versichere Sie, daß es mir einerseits sehr unangenehm ist, wenn ich etwas tun soll, und wäre es auch nur wegen der Gewissensangst, die ich empfinde. Ich gedenke daher jetzt einige Kleinigkeiten zu bezahlen, die mir Gewissensunruhe machten, und etwas oder das meiste zu Ausgaben für meinen Orden zu verwenden. Im übrigen will ich Sorge tragen, daß ich nicht mehr durch Verwendung dieser Gelder, außer für den Orden selbst, in Skrupel gerate. Denn wenn ich auch etwas habe, so werde ich doch bei der großen Not, in der ich das Kloster von der Menschwerdung sehe, nichts zurückbehalten können; ja selbst zu dem genannten Zwecke werden mir, mag ich auch noch so sehr sparen, nicht fünfzig Dukaten bleiben und diese werde ich nicht nach meinem eigenen Willen, sondern zur größeren Ehre Gottes verwenden. Dies ist gewiß. Die göttliche Majestät halte uns an ihrer Hand, mache Sie heilig und verleihe Ihnen glückselige Feiertage!
Solche Stellen, von denen mein Bruder spricht, gefallen mir nicht. Er müßte außer dem Hause leben, mehr ausgeben, als er einnimmt; er müßte Sie allein lassen, und alle würden beunruhigt werden. Warten wir jetzt ab, was der Herr tut. Sorgen Sie beide dafür, daß Sie ihm gefallen, dann wird er sich Ihrer Angelegenheiten annehmen. Vergessen Sie auch nicht, daß alles ein Ende nimmt. Haben Sie keine Sorge, daß Ihren Kindern das Notwendige fehlen werde, wenn Sie der göttlichen Majestät wohlgefallen. Der Beatrix empfehle ich mich. Der Herr wolle mir Sie alle erhalten! Amen.
Um eines bitte ich Sie noch in Liebe, nämlich daß Sie mich nicht aus weltlichen Rücksichten lieben, sondern damit ich Sie Gott empfehle; denn etwas anderes kann ich nicht tun, und es mir zumuten, wäre mir sehr peinlich, mag [auch] Herr Godinez dagegen sagen, was er will. Ich habe schon einen, der meine Seele leitet, und ich kann nicht dem Kopfe eines jeden folgen. Dies sage ich, damit Sie zu entgegnen wissen, wenn man Ihnen etwas Derartiges vorbringt. Bedenken Sie auch, daß nach den jetzigen Verhältnissen der Welt und in dem Stande, in den mich der Herr gesetzt hat, es besser für mich ist und mehr zum Dienste des Herrn gereicht, wenn die Leute denken, ich tue zu wenig für Sie. Denn obwohl ich soviel wie nichts tue, so würde man doch bei einer nur geringen Vermutung geradeso von mir reden, als man, wie ich hören kann, von anderen redet. Darum ist eben jetzt, da man mir dieses Wenige gebracht hat, Vorsicht notwendig.
Glauben Sie mir, daß ich große Liebe zu Ihnen trage und Ihnen hin und wieder etwas Weniges geben werde zu Zeiten, da es Ihnen erwünscht ist; nur sollen jene, die bei Ihnen über mich klagen, wissen, daß ich mein Besitztum für den Orden verwenden muß, dem es gehört. Es geht dies freilich andere nichts an; aber glauben Sie mir, wer so wie ich den Augen der Welt bloßgestellt ist, der muß selbst bei seinen Tugendwerken darauf achten, wie er sie übt. Sie können sich keine Vorstellung machen von dem, was ich leide; weil ich es aber im Dienste des Herrn leide, so wird Seine Majestät es mir dadurch vergelten, daß sie für Sie und Ihre Angelegenheiten Sorge tragen wird. Der Herr wolle Sie mir erhalten! Ich habe mich nun lange beim Schreiben verhalten; es hat schon zur Mette geläutet. Ich versichere Sie, so oft ich bei denen, die eintreten, etwas Schönes sehe, denke ich immer an Sie und an Beatrix; aber niemals habe ich es gewagt, etwas selbst gegen Bezahlung davon anzunehmen.
Ihre Theresia von Jesu, Karmelitin
