149. Brief — An Pater Hieronymus Gracián in Sevilla
Toledo, am 7. Dezember 1576
Verschiedene merkwürdige Vorgänge bei seiner Visitation und seinen Reformen.
Jesus sei mit Euerer Paternität, mein Vater!
Sooft ich einen Brief von Ihnen erhalte, was jetzt so häufig der Fall ist, möchte ich Euerer Paternität aufs neue die Hand küssen; denn ich weiß nicht, wie es mir ohne diese Hilfe an dem Orte ergangen wäre, an dem Sie mich belassen haben. Gott sei gepriesen für alles! Am vergangenen Freitag habe ich einige Briefe von Ihnen beantwortet; die anderen, die Sie in Paterna und in Trigueros geschrieben, hat man mir heute überbracht. In diesem letzteren sind Sie so überaus besorgt, und zwar mit Recht.
So viele Gründe Sie auch für Ihr Verbleiben in Andalusien haben mögen, so wäre es doch mit Rücksicht auf den so sehr drängenden Brief des Engels mein Wunsch, Sie möchten nicht unterlassen, zu ihm zu reisen, sobald Sie die Angelegenheit mit dem Herrn Marquis und seiner Gemahlin zu Ende geführt haben, wenn es Ihnen auch einige Mühe kostet. Denn sollte der Engel auch nicht das Rechte treffen, so läßt sich doch über diese Sachen brieflich schwer verhandeln. Zudem verdanken wir ihm so vieles, und es scheint wirklich, Gott habe ihn zu unserem Beistand gesendet, so daß selbst eine Irrung, die infolge seines Gutachtens geschähe, uns heilbringend werden würde. Sehen Sie doch, mein Vater, darauf, daß Sie ihm in keiner Weise einen Verdruß bereiten; ich bitte Sie darum um der Liebe Gottes willen. Sie sind dort ganz verlassen von jedem guten Rat, und es würde mir recht leid tun, wenn Sie ihn betrübten.
Es schmerzt mich sehr, daß jener Santoya, wie mir die Priorin schreibt, sein Amt nicht gut verwaltet, und zwar mehr noch als sein Kleinmut. Reden ihm doch Euere Paternität um der Liebe Gottes willen so zu Herzen, daß er einsieht, es gebe auch für ihn eine Gerechtigkeit wie für andere.
Ich schrieb diesen Brief mit solcher Eile, daß ich nicht sagen konnte, was ich wollte. Als ich ihn anfangen wollte, kam ein unerwarteter Besuch; nun ist es völlig Nacht geworden, und man muß ihn dem Maultiertreiber übergeben. Da die Beförderung durch diesen Mann sehr sicher ist, so will ich nicht unterlassen, nochmal zu schreiben, was ich Ihnen schon mitgeteilt habe. Das Königliche Ratskollegium hat nämlich Verwahrung dagegen eingelegt, daß Tostado in den vier Provinzen visitiere, wie jener versicherte, der von dieser Verwahrung selbst Einsicht genommen; er berichtete dies hierher, und man hat mir seinen Brief vorgelesen. Ich halte zwar den, der mir diesen Brief vorlas, nicht für sehr wahrheitsliebend, allein ich glaube, daß er hierin die Wahrheit sagte, und ich habe auch verschiedene Gründe, anzunehmen, daß er mich nicht anlog. Sei es nun so oder anders, ich hoffe zu Gott, daß alles gut gehen werde, da er durch Paulus solche Wunderwerke vollbringt. Hätte ich auch sonst keinen Grund, Seiner Majestät treu zu dienen, so wäre diese Gunstbezeigung allein schon Grund genug. Ja, es ist wahrhaftig zum Erstaunen, wie alles sich so gut gestaltet. Schon seit langem hat Esperanza mir gegenüber dem Paulus kein Lob mehr gespendet, jetzt aber läßt sie mir Wunderdinge sagen und mich ersuchen, daß ich ihm Beifall spende. Was wird sie erst sagen, wenn sie erfährt, was in Paterna geschehen ist? Wahrhaftig, ich bin voll des Staunens, da ich sehe, wie der Herr nach der ihm eigentümlichen Weise Leiden mit Freuden vermengt; das ist in Wahrheit der Weg, auf dem er uns sicher führt.
Theresia von Jesu
Obwohl es mir einerseits große Freude bereitet, wenn Sie, mein Vater, von Ihren Leiden erzählen, so entsetze ich mich doch auch anderseits über jene falsche Anschuldigung, zwar nicht so sehr deshalb, weil sie Euere Paternität berührt, als vielmehr wegen der anderen Partei. Wenn diese Leute keinen Zeugen finden, so verfallen sie auf eine Person, von der sie glauben, daß sie kein Zeugnis abgeben werde. Allein, sie wird sich selbst und ihren Sohn Elisäus so verteidigen, daß alle Zeugen der ganzen Welt es nicht besser zu tun vermöchten.
Gestern erhielt ich einen Brief von einem Pater aus der Gesellschaft Jesu und von einer Dame aus Aguilar del Campo, einer kleinen Stadt, dreizehn Meilen von Burgos entfernt. Diese Dame ist Witwe, sechzig Jahre alt und hat keine Kinder. Sie wurde von einer schweren Krankheit heimgesucht und wollte ihr Vermögen, das aus einer Rente von sechshundert Dukaten nebst einem schönen Hause und Garten besteht, zu einem guten Werke verwenden. Dieser Pater erzählte ihr von unseren Klöstern, und was er ihr sagte, gefiel ihr so gut, daß sie in ihrem Testamente all ihr Vermögen zur Gründung eines solchen Klosters vermachte. Nun ist sie wieder gesund geworden und hat ein großes Verlangen, ihr Vorhaben noch bei Lebzeiten ins Werk zu setzen. Sie schrieb deshalb an mich und bat um Antwort. Der Ort scheint mir zwar weit entfernt, aber vielleicht ist es doch Gottes Wille, daß diese Gründung zustande kommt.
Auch gibt es in Burgos so viele Jungfrauen, die in unseren Orden eintreten möchten, daß es ein Jammer ist, sie abweisen zu müssen, da man kein Kloster hat, um sie aufzunehmen. Daher will ich dieser Dame einstweilen keine abschlägige Antwort geben, sondern ihr nur schreiben, daß ich mich vorerst noch genau erkundigen wolle. Dies werde ich sowohl bezüglich der Gegend als auch aller übrigen Verhältnisse tun. Inzwischen werde ich erfahren, was in dieser Beziehung Ihr Wille ist und ob Sie kraft Ihres Breves die Errichtung von Nonnenklöstern gestatten können. Wenn dann auch ich nicht hingehen kann, so werden Euere Paternität immerhin andere Nonnen zur Gründung senden können. Vergessen Sie nicht, mir zu schreiben, was ich in dieser Hinsicht tun soll. In Burgos kenne ich schon Leute, die mir die nötigen Aufschlüsse geben können. Vorausgesetzt, daß diese Dame all ihr Eigentum herschenkt — und ich glaube auch, daß sie dies tun wird —, so mag es sich wohl auf neuntausend Dukaten belaufen und mit den Häusern selbst auf mehr. Auch ist der Ort nicht weit von Valladolid entfernt. Das Klima muß wohl sehr kalt sein, allein die Dame schreibt, daß man dagegen hinreichende Schutzmittel habe.
O wie gerne möchte ich, mein Vater, bei Ihnen sein, um Ihre Sorgen mit Ihnen zu teilen! O wie gut ist es für Sie, daß Sie Ihre Klagen vor jener laut werden lassen, die an Ihren Leiden so innigen Anteil nehmen muß! Wie sehr freut es mich, daß Sie sich um diese Heuschrecken so väterlich annehmen! Da müssen herrliche Früchte in jenem Kloster erblühen. Die Mutter [Elisabeth] vom heiligen Franziskus hat mir, ich versichere Sie, einen sehr geistreichen Brief geschrieben. Gott sei mit diesen seinen Dienerinnen! Daß sie mit solcher Liebe an Paulus hängen, bereitet mir große Freude, ja ich bin darüber noch mehr erfreut als über die Liebe, die Paulus zu ihnen trägt. Was die Nonnen von Sevilla betrifft, so liebte ich sie schon früher, aber jetzt liebe ich sie mit jedem Tag noch inniger, weil sie solche Sorgfalt auf die Verpflegung dessen verwenden, dem ich so gerne allezeit all meine Pflege und all meine Dienste widmen möchte. Gott sei gepriesen, daß er Ihnen eine so gute Gesundheit verleiht! Seien Sie doch, was das Essen in diesem Kloster betrifft, nicht sorglos, ich bitte Sie darum um der Liebe Gottes willen. Ich bin gesund, und es freut mich, daß ich von Euerer Paternität so häufig Nachricht bekomme. Seine Majestät erhalte Sie mir und mache Sie so heilig, wie ich sie darum bitte! Amen.
Heute ist der Vorabend der Empfängnis unserer Lieben Frau.
Euerer Paternität unwürdige Tochter
Theresia von Jesu
