198. Brief — An Philipp II., König von Spanien
Ávila, am 18. September 1577
Verteidigung des Paters Gracián und Klagen über die beschuhten Karmeliten.
Jhs
Die Gnade des Heiligen Geistes sei allezeit mit Euerer Majestät!
Es ist mir zur Kenntnis gekommen, daß man Euerer Majestät eine Klageschrift gegen den Pater Magister Gracián vorgelegt hat. Ich kann nur staunen über die Ränke des Teufels und der beschuhten Väter. Dieser Ordensmann ist in Wahrheit ein Diener Gottes und hat alle Klöster, die er visitierte, so erbaut, daß unablässig Berichte an mich kommen, er habe in ihnen eine wunderbare Geisteserneuerung geschaffen. Die beschuhten Väter begnügen sich aber nicht damit, diesen Diener Gottes zu verleumden, sondern gehen jetzt auch darauf aus, die Klöster selbst, in denen Gott so eifrig gedient wird, in schlechten Ruf zu bringen.
Zu diesem Zwecke haben sie sich zweier unbeschuhter Karmeliten bedient. Der eine von ihnen diente, bevor er in den Orden trat, in unseren Klöstern und hat hinlänglich den Beweis geliefert, daß es ihm zuzeiten im Kopfe fehlt. Diesen Ordensmann nun gewannen die beschuhten Väter für ihre Zwecke, aber auch noch mehrere andere von der Leidenschaft verblendete Mitglieder des Ordens, die Pater Magister Gracián öfters zurechtweisen mußte. Sie ließen diese (Männer) so alberne Aussagen bestätigen, daß ich über die Gerüchte, die man über die unbeschuhten Karmelitinnen verbreitet hat, nur lachen könnte, wenn ich nicht den Schaden fürchtete, den der Teufel dadurch stiften kann; denn was man den unbeschuhten Karmelitinnen in die Schuhe schiebt, geht wirklich ins Ungeheuerliche.
Ich bitte deshalb um der Liebe Gottes willen Euere Majestät, nicht gestatten zu wollen, daß man solche Verleumder bei Ihren Gerichtshöfen zulasse. Die Welt ist nun einmal so, daß wir, wenn auch unsere Unschuld vollkommen erwiesen ist, gar leicht in Verdacht kommen könnten, als hätten wir zu solchen Gerüchten Anlaß gegeben; und es würde gewiß der Reform, die durch Gottes Gnade eine so großartige Erneuerung geschaffen hat, zum Nachteil gereichen, wenn man ihr eine Makel anhängt.
Was diese Reform bewirkt hat, davon können sich Euere Majestät nach Belieben selbst überzeugen, wenn Sie das Zeugnis lesen, das Pater Gracián von ebenso angesehenen als heiligen Männern, die mit unseren Nonnen in Verkehr stehen, über diese sich hat ausstellen lassen. Da außerdem Euere Majestät über die Beweggründe sich Aufschluß geben lassen können, die die Gegner zur Ausarbeitung der Klageschrift bestimmt haben, so bitte ich um der Liebe unseres Herrn willen, diese Angelegenheit als eine Sache betrachten zu wollen, die die Ehre und Verherrlichung Gottes betrifft. Denn sobald die Beschuhten sehen, daß man ihrem Zeugnisse eine Beachtung schenkt, werden sie noch so weit kommen, daß sie den Visitator, um seiner Visitation los zu werden, der Ketzerei anklagen; und wo es an der Furcht Gottes fehlt, da ist es schließlich nicht schwer, Beweise hiefür zu bringen.
Die Prüfungen dieses Dieners Gottes, der in seinem ganzen Wandel nur Gerechtigkeit und Vollkommenheit an den Tag legt, dauern mich. Und das veranlaßt mich, Euere Majestät zu bitten, ihm Ihre Huld zuzuwenden oder Anweisungen zu treffen, daß er nicht mehr so großen Gefahren ausgesetzt ist. Er ist ja der Sohn eines Beamten Euerer Majestät, und er besitzt aus sich selbst eine Tugend, die den Adel der Geburt ersetzt. Mir erschien er in der Tat immer als ein Mann, der mir von Gott und seiner gebenedeiten Mutter gesandt ist. Seine große Andacht zur seligsten Jungfrau zog ihn in den Orden, um eine Stütze für mich zu sein. Denn mehr als siebzehn Jahre hatte ich die Verfolgungen von Seiten der Beschuhten allein zu tragen, und ich wußte nicht, wie ich dies fernerhin aushalten sollte, da meine schwachen Kräfte nicht mehr ausreichten.
Ich bitte Euere Majestät demütig, mir diese ausführliche Darlegung verzeihen zu wollen. Die große Liebe, die ich zu Euerer Majestät trage, hat mir hiezu den Mut verliehen, und ich habe mir dabei gedacht, Euere Majestät werden meine unbescheidenen Klagen gut aufnehmen, weil der Herr des Himmels selbst damit Nachsicht hat. Möge Gott all die Gebete erhören, die im Orden der unbeschuhten Brüder und Nonnen für Euere Majestät verrichtet werden, und Sie noch viele Jahre erhalten! Denn außer Euerer Majestät haben wir auf Erden keinen weiteren Schutz mehr.
Gegeben im St. Josephskloster zu Ávila am 18. September des Jahres 1577.
Euerer Majestät unwürdige Dienerin und Untergebene
Theresia von Jesu, Karmelitin
Sonstige Pater Tostado bleiben wird, wie er jetzt ist, fürchte ich, daß die Visitation mehr schädlich als nützlich ist, besonders seitdem jener Prediger bei ihm ist, der vorher beschuhter Karmelit war.
Ich bitte, Euere Majestät, sich über das Leben des Paters Gracián Bericht erstatten zu lassen. Ist es notwendig, so werden alle unbeschuhten Nonnen bereit sein, eidlich zu beteuern, daß sie nie ein Wort von ihm gehört noch auch eine Handlung wahrgenommen haben, die sie nicht erbaut hätte. Gegen das Betreten unserer Klöster war er so entschieden, daß er selbst die Kapitel, bei denen man einen Eintritt ins Kloster für notwendig halten möchte, gewöhnlich nur am Sprechgitter abhielt.
