186. Brief — An die Mutter Maria vom heiligen Joseph, Priorin in Sevilla
Toledo, am 28. Juni 1577
Besserung ihres Kopfleidens. Besondere Angelegenheiten des Klosters in Sevilla.
Jhs
Die Gnade des Heiligen Geistes sei in der Seele Euerer Ehrwürden, meine Tochter!
Ich bin sehr bekümmert über Ihre vielfachen Mühen und über Ihr anhaltendes Fieber. Allein wer heilig werden will, muß noch mehr als dies auf sich nehmen.
Unser Vater hat mir den Brief zugesandt, den Sie ihm am 10. dieses Monats geschrieben haben. Mit meinem Kopfleiden steht es immer noch schlecht; in diesen letzten Tagen hatte ich ein inniges Verlangen, etwas über Ihre Gesundheit und über das Befinden der Mutter Subpriorin zu erfahren, deren Leiden mir sehr zu Herzen geht. Die Mutter Brianda befindet sich zu Zeiten besser, aber ihre schlimmen Anfälle kehren immer wieder.
Die kleine Besserung bezüglich meines Kopfleidens besteht darin, daß ich keine so große Schwäche mehr verspüre. Ich kann jetzt wieder mehr schreiben und arbeiten als früher, allein das Sausen dauert immer fort und ist recht peinlich. Darum lasse ich allen Schwestern durch eine fremde Hand schreiben, ausgenommen es handelt sich um Vertrauenssachen oder um dringende Briefe an Personen, denen ich selbst schreiben muß. Sie müssen darum auch in dieser Hinsicht wie in allem übrigen Nachsicht mit mir haben.
Bis hierher war der Brief geschrieben, als mein Bruder ankam. Er empfiehlt sich inständig Ihren Gebeten. Ob er Ihnen schreiben wird, weiß ich nicht; ich spreche nämlich von meinem Bruder Laurentius. Er ist, Gott sei Dank, gesund und begibt sich zur Erledigung seiner Angelegenheiten nach Madrid. O welch innigen Anteil nimmt er an Ihren Leiden! Ich versichere Sie, all dieses kommt in Wahrheit über Sie, weil Gott Sie ganz vollkommen machen will. Haben Sie also Mut! Nach dieser Zeit wird eine andere kommen, und Sie werden sich dann freuen, Leiden erduldet zu haben.
Was die Aufnahme jener kleinen Sklavin ins Kloster betrifft, so legen Sie kein Hindernis in den Weg! In den ersten Zeiten des Bestehens dieser Klöster geschieht so manches, was später nicht mehr geschehen darf. Es ist nicht nötig, ihr besonderen Unterricht über das Leben der Vollkommenheit zu erteilen; die Hauptsache ist, daß sie mit gewissenhafter Treue dem Kloster dient, das übrige hat für eine Laienschwester weniger Bedeutung. Sie kann während ihres ganzen Lebens im Kloster bleiben, ohne Profeß abzulegen, wenn sie dazu nicht die nötigen Eigenschaften besitzt. Mit ihrer Schwester wird es mehr Schwierigkeiten haben. Aber nehmen Sie diese trotzdem auf, und erbitten Sie es von Gott, er möge sie brauchbar machen! Verlangen Sie weder von der einen noch von der anderen zuviel Vollkommenheit! Es genügt, wenn sie das Wesentliche getreu erfüllen. Die (beiden) Schwestern sind Ihnen zu großem Danke verpflichtet, und Sie befreien sie durch ihre Aufnahme aus einer mißlichen Lage. Etwas wird man immerhin ertragen müssen; allein so ist es bei Beginn unserer Stiftungen überall, es läßt sich das nicht ändern.
Die andere Kandidatin nehmen Sie ohne Bedenken auf, wenn sie so tugendhaft ist, wie Sie schreiben. Es sind eben dort viele Schwestern notwendig, weil so viele wegsterben. Haben Sie über diese keine Sorge, da sie in den Himmel eingehen. Ich sehe jetzt schon die große Lücke, die der Tod der guten Subpriorin machen wird. Wir müssen darum trachten, daß die Schwestern von Paterna wieder zurückkommen, sobald die dortigen Verhältnisse einmal in Ordnung gebracht sind.
O welch ernste Briefe habe ich an Sie und an Pater Gregor geschrieben! Gebe Gott, daß sie auch wirklich ankommen! Welch entschiedenen Tadel habe ich gegen Sie beide ausgesprochen, da Sie Ihr Kloster verlegen wollen! Ich kann gar nicht begreifen, wie Sie beide eine solche Torheit zur Sprache bringen konnten.
Beten Sie für meinen Bruder, Sie, alle meine Freunde und meine Töchter! Weil er eben erst angekommen ist, so will ich weiter nichts über ihn schreiben. Gott erhalte Sie in guter Gesundheit! Denn Ihr Kranksein schmerzt mich mehr als alles übrige; pflegen Sie und meine Gabriela sich um der Liebe willen recht gut! Tragen Sie beide Leinwand und lassen Sie für diese Zeit des äußersten Notfalles ab von Ihrer strengen Lebensweise! Auch hier steht es mit der Gesundheit der Schwestern schlecht. Ich empfehle alle Ihren Gebeten! Gott erhalte Sie mir! Ich weiß nicht, woher es kommt, daß ich Sie so sehr liebe. Brianda empfiehlt sich Ihnen. Bei all ihrem Elend ist sie mir doch eine treue Gefährtin.
Heute ist der 28. Juni.
Nehmen Sie leihweise Geld auf, damit die Schwestern die nötige Nahrung bekommen; Sie werden es später schon wieder zurückgeben können. Die Schwestern sollen keinen Hunger leiden; das würde mich sehr schmerzlich berühren. Wir nehmen hier auch Geld zu leihen, und da sorgt Gott immer wieder für uns.
Euerer Ehrwürden
Theresia von Jesu
Anschrift: An die Mutter Priorin in Sevilla.
