411. Brief — An die Mutter Maria vom heiligen Joseph, Priorin in Sevilla
Burgos, am 6. Februar 1582
Schwierigkeiten betreffs der Gründung. Theresia und die Gründerinnen. Beschwerden der Reise.
Jesus sei mit Euerer Ehrwürden und erhalte Sie mir, meine Tochter! Amen.
Ich schreibe Ihnen diesen Brief von Burgos aus, wo ich mich eben befinde. Zwölf Tage sind schon verflossen seit unserer Ankunft dahier, und es ist bis jetzt noch nichts für die Klostergründung geschehen; denn es erhebt sich ein Widerstand, der einigermaßen jenem gleicht, den wir in Sevilla fanden. Ich erkenne hieraus, wie eifrig dem Herrn in diesem Kloster gedient werden wird; und alle Prüfungen, die wir setzt zu erdulden haben, werden zu unserem Vorteil ausschlagen: Man wird die unbeschuhten Karmelitinnen besser kennenlernen. Da diese Stadt wie ein Königreich ist, so hätte sich vielleicht niemand darum gekümmert, wenn wir im geheimen eingezogen wären; allein all dieser Lärm und Widerspruch wird uns nicht schaden, und es haben mehrere Kandidatinnen die Absicht, bei uns einzutreten, obwohl das Kloster noch nicht gegründet ist. Empfehlen Sie und Ihre Schwestern diese Angelegenheit Gott!
Der Überbringer dieses Briefes ist der Bruder einer Dame, die uns in ihrem Hause beherbergt. Sie ist das Werkzeug, dessen Gott sich bedient hat, um uns nach Burgos zu führen. Wir verdanken ihr viel. Vier ihrer Töchter sind Nonnen in unseren Klöstern; und die beiden anderen, die sie bei sich hat, werden nach meinem Dafürhalten auch dem Beispiel ihrer Schwestern folgen. Ich teile Ihnen das mit, um Sie zu veranlassen, sich dem Überbringer dieses Briefes gegenüber recht liebevoll zu erzeigen, wenn er nach Sevilla kommt; sein Name ist Petrus de Tolosa. Sie können mir durch ihn Antwort zukommen lassen und ihm sogar das Geld anvertrauen, von dem wir gesprochen haben. Tun Sie um der Liebe willen alles, was in Ihren Kräften steht, und senden Sie die ganze Summe; denn ich habe schon einen Vertrag eingegangen, sie in diesem Jahre zu bezahlen. Senden Sie mir das Geld nicht auf gleichem Wege wie früher, sonst werde ich Euerer Ehrwürden böse sein. Diese Summe wird, wie schon erwähnt, sicher an uns gelangen, wenn Sie diese dem Petrus de Tolosa anvertrauen. Sie dürfen sie ihm nur übergeben, und er wird sie mir hier aushändigen. Falls Sie ihm irgendeine Gefälligkeit erweisen können, so tun Sie es um der Liebe willen; wir werden dabei keinen Schaden haben, und überdies sind wir es ihm wohl schuldig mit Rücksicht auf seine Schwester.
Unser Vater hat uns nach Burgos begleitet und uns in allen auftauchenden Schwierigkeiten große Dienste geleistet. Er fühlt sich wohl. Möge Gott ihn uns erhalten, da wir seiner so sehr bedürfen! Auch die kleine Theresia habe ich mit mir genommen. Da man mir nämlich erzählte, daß ihre Verwandten sie aus dem Kloster nehmen wollten, so wagte ich nicht, sie in Ávila zurückzulassen. Sie hat sehr große Fortschritte in der Vollkommenheit gemacht. Sie empfiehlt sich Euerer Ehrwürden und allen Schwestern. Grüßen Sie mir diese recht freundlich und legen Sie ihnen nahe, mich Gott zu empfehlen! Die Schwestern, die ich mitgebracht habe, empfehlen sich Ihnen ebenfalls. Es sind dies vorzügliche Nonnen, und sie ertragen die Prüfungen im wahrsten Geiste des Glaubens. Auf der Reise hatten wir große Gefahren zu bestehen; denn es herrschte solches Regenwetter, daß die Bäche und Flüsse über die Ufer getreten waren; und es war eine Waghalsigkeit von uns, sie überschreiten zu wollen. Das alles mußte für meine Gesundheit nachteilige Folgen haben. Auch schleppe ich von Valladolid her ein arges Halsleiden mit mir, das trotz der angewandten Heilmittel nicht verschwinden will. Es geht mir zwar besser; aber ich kann noch immer keine Nahrung zu mir nehmen, die gekaut werden muß. Die Schwestern sollen sich deshalb keine Sorge machen. Dieses Übel wird mit Hilfe Gottes rasch vergehen, wenn Sie mich Gott empfehlen. Da ich leidend bin, ist der vorliegende Brief nicht von mir geschrieben. Die Schwester, die ihn schreibt, bittet Sie um der Liebe willen, Sie möchten sie Gott empfehlen. Möge Gott Euere Ehrwürden erhalten und heilig machen! Amen.
Heute ist der 6. Februar.
Euerer Ehrwürden unwürdige Dienerin
Theresia von Jesu
Schreiben Sie mir ja einen langen Brief! Sie können dies leicht tun und ihn dem Überbringer dieses Briefes anvertrauen. Schon seit langem habe ich keinen Brief mehr von Ihnen erhalten. Ich empfehle mich der Mutter Subpriorin und allen Schwestern.
Anschrift: An die Mutter Priorin Maria vom heiligen Joseph der unbeschuhten Karmelitinnen hinter dem Kloster der Franziskaner in Sevilla.
