165. Brief — An die Mutter Maria vom heiligen Joseph, Priorin in Sevilla
Toledo, Mitte Januar 1577
Angelegenheiten des Klosters in Sevilla.
Jesus sei mit Ihnen, meine Tochter!
Um es nicht zu vergessen, möchte ich Sie vor allem fragen: Warum schreiben Sie mir gar nie etwas von meinem Vater, dem Dominikaner Pater Bartholomäus de Aguilar? Ich versichere Sie, daß wir ihm viel verdanken. Denn er war es, der uns mit allen Nachteilen des Hauses, das wir schon gekauft hatten, vertraut machte und den ersten Anstoß gab, daß wir vom Kaufe wieder zurücktraten. Sooft ich daran denke, wie beschwerlich sich dort das Leben der Nonnen gestaltet hätte, kann ich Gott nicht genug dafür danken, [daß er uns davor verschont hat]. Er sei gepriesen für alles! Seien Sie überzeugt, daß Pater Bartholomäus ein sehr frommer Mann ist und in Ordenssachen mehr Erfahrung besitzt als irgendein anderer. Es wäre mein Wunsch, daß Sie ihn manchmal kommen ließen; denn er ist ein treuer Freund und sehr verständig. Ein Kloster verliert nichts, wenn es solche Männer zu Freunden hat. Ich lege hier einen Brief an ihn bei; schicken Sie ihm diesen!
Noch etwas, damit ich es nicht vergesse. Das Verzeichnis der empfangenen Almosen und der hauptsächlichsten Einnahmen, die Sie aus der Handarbeit gemacht, hat mir gefallen. Gebe Gott, daß dies alles auf Wahrheit beruht! Es würde mich sehr freuen; aber Sie sind überaus schlau, und ich denke mir, Sie bedienen sich hier einiger Umschweife. Das gleiche befürchte ich auch bezüglich dessen, was Sie mir über Ihre Gesundheit geschrieben haben, so groß auch im übrigen meine Freude über Ihre Nachricht ist.
Unsere Priorin in Malagón befindet sich immer im gleichen Zustand. Ich habe unseren Vater inständig gebeten, er möchte mir schreiben, ob das Wasser von Loja seine Heilkraft nicht verliere, wenn man es aus so weiter Ferne kommen läßt; ich möchte nämlich der kranken Priorin etwas davon senden. Erinnern Sie unseren Vater daran! Ich habe ihm heute durch einen Priester, der nur behufs Erledigung einer Angelegenheit zu ihm reiste, einen Brief übersendet; ich war sehr erfreut über diese gute Gelegenheit, die sich mir darbot, und darum schreibe ich ihm jetzt nicht wieder. Sie erweisen mir durch Zusendung seiner Briefe einen großen Liebesdienst; allein Sie dürfen überzeugt sein, daß die Ihrigen jederzeit willkommen sind, wenn sie auch ohne Briefe von unserem Vater ankommen. Seien Sie darüber unbekümmert. An Doña Johanna Dantisko habe ich Ihrem Auftrage gemäß alles abgesendet, aber noch keine Antwort von ihr erhalten. Es hat nichts zu sagen, wenn Sie für solche Personen etwas aus den Mitteln des Klosters aufwenden, zumal Sie sich jetzt nicht mehr in solcher Notlage befinden wie am Anfang. Ist das Kloster jedoch in Not, dann haben Sie Ihren Töchtern gegenüber eine größere Verpflichtung.
Wie stolz werden Sie jetzt sein, da Sie fast eine halbe Provinzoberin sind! Ich habe lachen müssen, als ich las, wie Sie in Ihrem Briefe mit solcher Geringschätzung bemerken: Hier sind die Lieder, die Ihnen die Schwestern schicken; denn wahrscheinlich ist fast alles von Ihnen selbst. Übrigens glaube ich, daß die Lieder nicht übel sein werden. Sie haben, wie Sie sagen, in Sevilla niemand, der Sie zurechtweisen würde; damit Sie nun nicht gar zu eitel werden, will ich das Werk der Zurechtweisung von hier aus besorgen. Wollen Sie wenigstens nicht mehr sagen und tun, was Ihnen selbst als einfältig erscheinen muß! Gebe Gott, daß Ihre Absicht immer auf die Ehre Gottes zielt, dann sind Sie keineswegs tadelnswert! Ich muß über mich selbst lachen, daß ich mir Zeit nehme, Ihnen so alberne Dinge zu schreiben, obwohl ich mich mit so vielen Briefen überhäuft sehe — Ihr Selbstlob, daß Sie die reiche Kandidatin zu gewinnen wissen werden, will ich Ihnen recht gerne verzeihen, wenn Ihnen dieses gelingen wird; denn ich wünsche sehr, Sie ohne Sorgen zu sehen, wenn auch mein Bruder so weit in der Tugend gefördert ist, daß er den Schwestern in all ihren Nöten beistehen würde.
Sie sind ja sehr artig, wenn Sie wünschen, es möge keine geben, die da wäre wie Theresia. Aber ich kann Sie in Wahrheit versichern, daß wir, wenn meine Bela dieselbe natürliche Begabung und übernatürliche Gnade hätte wie Theresia, in manchen Stücken ein besonderes Wirken Gottes an ihr wahrnehmen würden; denn sie hat mehr Verstand und Geschicklichkeit und besitzt auch eine sanftere Gemütsart als jene, so daß man sie leiten kann, wie man will. Die Geschicklichkeit dieses Kindes ist zum Erstaunen. Sie besitzt einige Statuen, die arme Hirten, kleine Nonnen und die allerseligste Jungfrau darstellen, und bei jeder Festzeit gibt sie mit diesen entweder in ihrer Einsiedelei oder im Rekreationszimmer eine neue Vorstellung. Dazu verfaßt sie ein Lied und singt es in so lieblicher Weise, daß wir darüber staunen müssen. Nur eine Plage habe ich mit ihr; ich weiß nicht, wie ich ihren Mund regieren soll. Sie verzieht ihn gar nicht, lacht ganz ernsthaft und lacht überall, wo sie geht und steht. Einmal befehle ich ihr, den Mund zu öffnen, ein anderes Mal, ihn zu schließen, und dann wieder gar nicht zu lachen. Sie sagt, sie habe keine Schuld daran, sondern nur ihr Mund, und das beruht auch auf Wahrheit. Wenn man einmal die leibliche Anmut Theresiens und ihre übrigen Reize gesehen hat, so hat man ein Verlangen, sie wieder zu sehen; so ist es auch mit Bela, obwohl ich ihr dieses nicht sage. Teilen Sie das, was ich Ihnen hier geschrieben habe, niemandem mit! Sie hätten Ihre Freude daran, wenn Sie sehen würden, wie sehr ich mich bemühe, diesen Mund zu regieren. Ich glaube, daß sie nicht mehr so ernst sein wird, wenn sie einmal größer geworden ist; in ihren Reden ist sie es wenigstens nicht. Hier haben Sie ein Gemälde von Ihren zwei kleinen Zöglingen, damit Sie nicht glauben, ich lüge Sie an, wenn ich sage, Bela verdiene vor Theresia den Vorzug. Dieses habe ich Ihnen geschrieben, damit Sie etwas zum Lachen haben. Wenn ich Ihnen auch noch soviel Mühe mache mit der Übersendung und Besorgung der Briefe, so brauchen Sie doch nicht zu fürchten, daß ich Sie davon befreie.
Die Lieder, die von Sevilla an mich kamen, haben mir große Freude gemacht. Die ersteren und einige von den anderen habe ich meinem Bruder übersendet. Es sind nämlich nicht alle gleich gut geraten. Ich meine, Sie könnten diese Lieder auch dem heiligen Greise zeigen und ihm sagen, daß sie den Schwestern zur Rekreation dienen. Übrigens ist ja dies alles nur die Sprache der Vollkommenheit, und es ist wohl am Platze, dem Manne eine kleine Erheiterung zu verschaffen, dem wir so vieles verdanken. Seine treue Liebe zu uns kann ich immer nur bewundern.
Es diene Ihnen zur Kenntnis, daß man von unserem Vater García Alvarez nicht gut spricht; man sagt nämlich, er mache die Schwestern sehr hoffärtig. Sagen Sie es ihm! Die Schwestern in Ávila sind jetzt in Besorgnis, was sie ihnen schreiben sollen; denn mein Bruder hat sie damit beauftragt, indem er ihnen den Brief übersandte, den sie an ihn geschickt haben.
Auch lasse ich Sie wissen, daß hier niemand dünnes Wollenzeug trägt oder getragen hat außer mir; denn auch bei dieser großen Kälte konnte ich wegen meines Nierenleidens, das ich sehr fürchte, nichts anderes tragen. Und darüber murrt man so viel, daß ich bald ängstlich werde. Weil aber mir mein Vater die alten Kleidungsstücke aus grobem Wollenstoff verboten hat, so weiß ich jetzt gar nicht mehr, was ich tun soll. Gott verzeihe unseren Nonnen! Übrigens kann ich Ihnen sagen, daß in Sevilla die Hitze nur mit dünnen Kleidern zu ertragen ist. Was den Habit betrifft, so nehme ich diesen aus, während an den übrigen Kleidungsstücken wenig gelegen ist.
Bis man mir überbracht hat, was mein heiliger Prior mir sendet, weiß ich nicht, was ich ihm schreiben soll; ich kann ihm doch nicht berichten, daß ich die Sendung erhalten habe. Sobald dies der Fall sein wird, werde ich ihm durch den Maultiertreiber einen Brief senden. O mein Jesus, wie sehr bin ich doch diesem heiligen Manne zum Danke verpflichtet für alles, was er für die Nonnen tut!
Wie sehr haben wir uns doch ergötzt über den Brief meiner Gabriela! Und wie hat uns nicht der Eifer erbaut, womit jene »Heiligen« meinen guten García Alvarez abtöten! Ich empfehle sie alle inständig Gott. Grüßen Sie mir die Gabriela und alle übrigen Schwestern! Ich habe sie alle so lieb, daß ich einer jeden eigens schreiben möchte. Ich liebe sie in der Tat alle in besonderer Weise und weiß nicht, wie es kommt.
Empfehlen Sie mich auch der Mutter der Portugiesin und der Delgada. Warum schreiben Sie mir denn nie etwas von der Bernarda López?
Lesen Sie diesen Brief, den ich nach Paterna sende, und wenn darin etwas nicht paßt, so verbessern Sie es; denn Sie sind ja die Oberin dieses Klosters. Ich lasse Ihnen das Vorrecht in der Bestimmung dessen, was dort zuträglicher sein dürfte. Gott vergelte Ihnen, was Sie den Schwestern dieses Klosters Gutes tun! Es ist mir dies — ich spreche jetzt im Ernste — ein großer Trost. Aber welch ein Elend! Ich finde kein Ende, wenn ich Ihnen schreibe. Gott gebe, daß Sie nicht wie unser Vater zu bezaubern gelernt haben! Gott bezaubere Sie und entrücke Sie ganz zu sich! Amen, Amen.
Euerer Ehrwürden Dienerin
Theresia von Jesu
Öffnen und lesen Sie den Brief an die Priorin von Paterna; denn es war nur ein Irrtum, daß er versiegelt wurde. Lesen Sie auch den Brief an den Prior de las Cuevas, dem ich doch noch geschrieben habe, wenn auch in solcher Eile, daß ich nicht weiß, was ich darin gesagt habe. Diesen Brief aber müssen Sie versiegeln.
