207. Brief — An den König Don Philipp II.
Ávila, am 4. Dezember 1577
Anrufung des königlichen Schutzes zugunsten der beschuhten Karmelitinnen der Menschwerdung und Klage wegen der Verhaftung des heiligen Johannes vom Kreuz und des Paters Germanus. Bitte um ihre Freiheit.
Jhs
Die Gnade des Heiligen Geistes sei allezeit mit Euerer Majestät! Amen.
Ich bin der festen Überzeugung, daß unsere Liebe Frau Euere Majestät auserwählt hat, um sich Ihrer als Stütze zum Heile ihres Ordens zu bedienen. Deshalb kann ich es nicht unterlassen, in den Angelegenheiten dieses Ordens mich an Euere Majestät zu wenden. Um der Liebe unseres Herrn willen bitte ich Sie, mir diese Kühnheit zu verzeihen.
Euerer Majestät ist es wohl, wie ich glaube, schon zur Kenntnis gekommen, daß die Nonnen des Klosters der Menschwerdung mich in ihrer Mitte haben wollten in der Hoffnung, dadurch ein Mittel zu haben, um sich von der Aufdringlichkeit der Beschuhten zu befreien. Diese sind ihnen in der Tat nur ein großes Hindernis zur Vewahrung der Sammlung und der klösterlichen Zucht, die sie beobachten wollen. Wenn in diesem Kloster keine Observanz bestand, so tragen sie die Hauptschuld, obschon sie es nicht zugeben wollen. Solange diese Nonnen ihnen in der Weise unterstehen, daß sie bei ihnen ihre Beichte ablegen müssen und von ihnen visitiert werden, hat mein Aufenthalt bei ihnen keinen Wert, ich sage wenigstens keinen dauernden Wert. Ich habe dies wiederholt dem Pater Visitator aus dem Orden des heiligen Dominikus nahegelegt, und er hat dies auch wohl verstanden. Um hier einigermaßen Hilfe zu schaffen, ließ ich einen unbeschuhten Karmeliten kommen und ihn mit einem Begleiter in einem Hause [neben dem Kloster] Wohnung nehmen. Dieser Pater ist ein großer Diener Gottes, daß er alle Nonnen erbaut und die ganze Stadt ist erstaunt über den außerordentlichen Nutzen, den er unter ihnen gestiftet hat. Man hält ihn deshalb für einen Heiligen, und nach meiner Meinung ist er es auch und war es sein ganzes Leben lang.
Die Beschuhten hatten aber ihn und seinen Gefährten unter argen Beschimpfungen und zum großen Ärgernis der Stadt verjagt. Deshalb gebot der frühere Nuntius unter Strafe der Exkommunikation ebendiesen Beschuhten, die beiden Patres wieder in ihr Amt einzusetzen, nachdem er zuvor aber diese Vorgänge und über das Unheil, das die Beschuhten in diesem Kloster anrichteten, durch eine ausführliche Darlegung der Bürger der Stadt sich hatten Aufschluß geben lassen. Zugleich verbot er unter Androhung derselben Strafe jedem Beschuhten, sich in die Angelegenheiten des Klosters einzumischen sowie auch dort Messe zu lesen oder die Beichte der Nonnen zu hören. Er erlaubte dies nur den unbeschuhten Karmeliten und den Weltpriestern. Nach dieser Anordnung ging es im Kloster gut, bis der Nuntius starb; daraufhin kehrten die Beschuhten wieder ins Kloster der Menschwerdung zurück ohne nachzuweisen, aus welchem Rechtsgrund sie dies tun konnten, und so hat sich die Unruhe wieder erneuert.
Jetzt ist einer der Beschuhten in das Kloster gekommen, um die Nonnen von der Exkommunikation zu befreien. Er hat ihnen aber solche Beschwerden verursacht und ist so ohne Ordnung und Gerechtigkeit verfahren, daß die Nonnen ganz betrübt und, wie man mir sagte, von den über sie verhängten Strafen noch nicht frei sind. Überdies hat er ihnen auch ihre Beichtväter genommen, die er in seinem Kloster gefangen hält. Man sagt, dieser Mann sei als Provinzialvikar aufgestellt worden, und es muß auch so sein, da er es besser versteht als andere, diese unbeschuhten Brüder zu Märtyrern zu machen. Man hat ihre Zellen erbrochen und ihnen all ihre Pariere weggenommen. Es hat dies in der Stadt großes Ärgernis verursacht, und man fragt sich, wie ein Mensch, der kein Ordensoberer ist und keine Vollmacht vorzuweisen vermag, so etwas wagen dürfe in einer Stadt, die der Residenz Euerer Majestät so nahe liegt; denn diese beiden unbeschuhten Karmeliten unterstehen ja dem apostolischen Kommissär. Allein, diese Widersacher scheinen weder vor der [weltlichen] Gerechtigkeit noch vor Gott eine Furcht zu haben. Es ist für mich überaus schmerzlich, diese zwei Männer in der Gewalt solcher Menschen zu wissen. Schon seit langer Zeit hatten sie diesen Gewaltstreich im Sinne. Ich hielte es für besser, diese beiden Verfolgten wären in die Hände der Mauren gefallen, da diese vielleicht mehr Mitleid mit ihnen hätten. Der eine von diesen Vätern, ein großer Diener Gottes, ist infolge seiner vielen Leiden so geschwächt, daß ich für sein Leben fürchte.
Um der Liebe unseres Herrn willen bitte ich darum Euere Majestät, anordnen zu wollen, daß dieser Diener Gottes sogleich in Freiheit gesetzt werde, und eine Verfügung zu treffen, kraft welcher die beschuhten Karmeliten unseren unbeschuhten Vätern nicht mehr solche Mißhandlungen zufügen dürfen. Die letzteren dulden nur und schweigen, und dabei gewinnen sie viel an Verdienst. Allein, durch diese Verfolgung wird dem Volke Ärgernis gegeben.
Derselbe beschuhte Karmelit, der hier solches Unwesen treibt, hat im vergangenen Sommer den Pater Anton von Jesu ohne irgendeinen Grund zu Toledo verhaften lassen; dieser ist ein ehrwürdiger, greiser Mann, der als der erste von allen die Reform annahm. So verfährt man mit diesen Männern, und man sagt es offen, daß die Reform ausgerottet werden müsse, da Pater Tostado es befohlen habe. Gott sei gepriesen! Leider werden jetzt jene, die es verhindern sollten, daß Gott beleidigt werde, die Ursache von so vielen Sünden; ihre Verwegenheit nimmt von Tag zu Tag mehr zu. Wenn Euere Majestät nicht anordnen, daß Abhilfe geschaffen werde, so weiß ich nicht, welchen Ausgang dies alles nehmen wird; außer Ihnen haben wir keinen Schutz auf Erden. Möge es unserem Herrn gefallen, Sie uns noch viele Jahre zu erhalten! Ich hoffe zu ihm, daß er uns diese Gnade erweisen werde, da wir nur wenige haben, die wie sie die Verherrlichung Gottes im Auge haben. Um dieses flehen unablässig zu Ihm alle Dienerinnen Euerer Majestät.
Gegeben im St. Josephskloster zu Ávila, am 4. Dezember 1577.
Euerer Majestät unwürdige Dienerin und
Untergebene
Theresia von Jesu, Karmelitin
