235. Brief — An Pater Hieronymus Gracián in Madrid
Ávila, am 22. Mai 1578
Zwistigkeiten bezüglich des Vorhabens des Paters Salazar. Einige andere Ordensangelegenheiten.
Jesus sei mit Euerer Paternität!
Da der Pater, der Ihnen diesen Brief überbringt, hier nur durchreist, so kann ich mich nicht länger fassen. Ich bedauere, daß man mir nicht schon gestern abend seine Abreise gemeldet hat.
Meine Gesundheit hat sich gebessert und auch mein Arm. Was die Katze betrifft, mit der Sie zusammengetroffen sind, so bin ich erstaunt, daß sie so schlecht auf Esperanza zu sprechen ist. Gott verzeihe es ihr! Wenn dieser wirklich so schlecht wäre, als er hingestellt wird, so hätten sich seine Mitbrüder gewiß nicht so viel Mühe gegeben, ihn für sich zu erhalten. Ich bin wirklich froh, daß Euere Paternität den Brief nicht nach Sevilla gesendet haben; denn ich halte es für besser, diesen Vätern gegenüber ganz demütig zu sein, da sie wirklich viel für uns getan haben und viele von ihnen uns noch Gutes erweisen. Jener Pater scheint mir von den Angelegenheiten, die ich gesehen, nicht gut unterrichtet zu sein; und darum wünschte ich nicht, daß Sie sich allzuviel einlassen.
Auch von Toledo hat man mir geschrieben, daß sich die Väter der Gesellschaft Jesu sehr über mich beklagen. Und doch habe ich getan, was ich konnte, ja sogar noch mehr, als billig war. Ich kann mir darum keine andere Ursache der wider Euere Paternität und wider mich erhobenen Klagen denken, als daß wir uns so sehr in acht nehmen, um diesen Vätern keinen Verdruß zu bereiten. Ich glaube, daß sie schon zur Ruhe gekommen und mehr befriedigt wären, wenn sie Gott im Auge gehabt und nur zu seiner Ehre gehandelt hätten, wie es ein so lobenswertes Vorhaben erforderte. Der Herr würde selbst alles in Ordnung gebracht haben. Handelt man aber aus menschlichen Rücksichten, so wird das Ziel, das man sich vorgesetzt hat, nie erreicht; es geschieht eher das Gegenteil, wie es sich jetzt in der Tat zeigt. Wie? War denn das, was dieser vorhatte, eine Ketzerei? — so drückte ich mich diesen Vätern gegenüber aus —, aber sie empfanden es so peinlich, daß die Sache ruchbar geworden ist. Fürwahr, mein Vater, wir haben alle, sowohl sie als auch wir, in dieser Angelegenheit allzusehr nach irdischen Gesichtspunkten gehandelt. Dennoch bin ich zufrieden, daß es so ausgegangen ist. Ich wünschte nur, daß auch unser Herr damit zufrieden wäre.
Ich habe Euerer Paternität schon geschrieben, wie sehr die Väter der Gesellschaft Jesu dahier darauf dringen, daß Pater Mariano komme, um ihren Brunnen in Augenschein zu nehmen. Schon seit langer Zeit verlangen sie dringend nach ihm. Jetzt hat er ihnen geantwortet, er werde im Laufe dieses Monats kommen. Aber ich bitte Euere Paternität, ihm zu schreiben, er möge diesen Vorsatz ja ausführen. Vergessen Sie nicht, es ihm zu sagen!
Ich bin erstaunt über die Verzauberung des Paters Johannes vom Kreuz und über die Verzögerung unserer Angelegenheiten. Gott wolle da Abhilfe schaffen! Von Toledo schreibt man mir, Tostado sei schon abgereist, aber ich glaube es nicht. Er habe, sagt man, den Pater Angelus zurückgelassen, um seine Stelle zu vertreten. Ich weiß nicht, was ich denken soll, daß Euere Paternität nicht hierherkommen. Aber was sage ich? Sie haben ja Grund dazu. Doch die Zeit vergeht, ohne daß wir jemand nach Rom senden, und wir gehen bei unseren Hoffnungen, die uns tausend Jahre hinhalten, alle zugrunde. Ich begreife das nicht, und ich weiß auch nicht den Grund, warum Pater Nikolaus sich nicht zu dieser Reise entschließt. Seine Reise würde jener der anderen nicht im Wege stehen. Ich sehe es wohl ein, daß Ihnen diese Angelegenheit mehr am Herzen liegt als irgendeinem anderen; allein es kann auf keinen Fall schaden, die Sache mit dem General friedlich abzumachen, und dazu wäre jetzt die beste Gelegenheit. Geschieht dies nicht, so hat nach meiner Ansicht alles andere keinen dauernden Wert. Eifriges Betreiben einer Sache kann nie dadurch schlecht werden, daß man zu vielen Mitteln seine Zuflucht nimmt.
Es wäre ein guter Gedanke, dieses Kollegium »zum heiligen Joseph« zu nennen. Gott vergelte Ihnen das sowie auch den Eifer, womit Sie diese Stiftung betreiben! Sie wird dem Orden zu großem Nutzen gereichen.
Was Sie mir bezüglich der Angelegenheit in Toledo schreiben, billige ich sehr. Die Nonne ist recht eigensinnig und die Priorin höchst einfältig, wenn sie sagt, man könne, wenn Euere Paternität es wollen, einen Prozeß anstrengen, da das Geld dem Kloster gehöre und die Summe sehr bedeutend sei.
Doña Guiomar war ebenso wie ich über Ihren Brief sehr erfreut, was mich gar nicht wundert.
Den Pater, von dem Sie sprechen, verdrießt der Vergleich, den die Schwestern von Guadalajara zwischen ihm und dem Paulus angestellt haben müssen. Der Unterschied zwischen beiden Persönlichkeiten ist in der Tat sehr groß; dieser Pater läßt sich von seinem Naturell leiten. Ich wünschte sehr, Euere Paternität wüßten sich zu beherrschen und sich liebevoll gegen diesen Mann zu erzeigen; denn ich finde in seinen Worten etwas Heftigkeit. Es ist eine große Kunst, jede Seele zu ertragen und sich ihrer Schwachheit anzubequemen. Möge uns Gott jene Kraft verleihen, die uns notwendig ist, um ihm wohlzugefallen! Amen.
Ich weiß nicht, was ich Euerer Paternität bezüglich der Angelegenheit jener Nonnen antworten soll. Vierhundert Dukaten für zweitausend. Wären es auch sechshundert, so möchte ich doch nicht. Man muß jetzt zuwarten und sehen, was Doña Maria de Mendoza tut; sie wird gewiß nicht unterlassen, alles aufs beste zu ordnen. Es ist mir immer sehr peinlich, wenn diese Frage der Einkünfte an mich herantritt.
Antonia hat uns hier so vieles über die Anordnungen, die Euere Paternität trafen, erzählt, daß wir uns alle ärgerten. Und darum habe ich einen Boten geschickt, um Sie selbst darüber zu befragen. Glauben Sie mir, mein Vater, mit diesen Klöstern steht es gut, und es ist nicht notwendig, die Schwestern noch mehr mit Zeremonien zu belasten. Es ist für sie wirklich jede neue Zumutung eine Last. Vergessen Euere Paternität dies nie und dringen Sie auf nichts weiter, als daß die Nonnen ihre Satzungen beobachten! Sie tun schon viel, wenn sie diese genau beobachten. In Angelegenheiten betreffs der Nonnen können Euere Paternität sich auf mich verlassen; denn aus dem, was ich hier sehe, kann ich auf das schließen, was anderwärts geschieht. Was man auch immer, und sei es noch so gering, den Nonnen auferlegt, wird für sie sehr beschwerlich; ich würde es in erster Linie selbst beschwerlich finden, außer Euere Paternität würden mir etwas im Namen Gottes selbst befehlen. Der Herr erhalte Sie viele Jahre!
Heute ist der 22. Mai.
Euerer Paternität unwürdige Dienerin und Tochter
Theresia von Jesu
