233. Brief — An Pater Hieronymus Gracián in Madrid
Ávila, am 8. Mai 1578
Pater Anton und die Karmelitinnen zu Malagón. Die Vorsteherin dieses Klosters.
Jesus sei mit Euerer Paternität!
Nachdem ich den hier beiliegenden Brief schon geschrieben hatte, erhielt ich heute am Himmelfahrtstage auf dem Wege über Toledo die Ihrigen, die mir großen Kummer bereitet haben.
Ich versichere Sie, mein Vater, diese Maßregel des Paters Anton ist sehr unklug. Zerreißen Euere Paternität sogleich den Brief, sobald Sie davon Einsicht genommen! Sie werden selbst sehen, was daraus entsteht, da er sich schon sehr über mich beklagt. Dieser Pater ist mir in der Tat sehr lästig, obwohl ich große, ja sehr große Liebe zu ihm trage; er ist ein heiliger Mann. Aber trotzdem muß ich wahrnehmen, daß ihm Gott zu diesem Amte keine Fähigkeit verliehen hat. Sehen Sie jetzt nicht, welches Vertrauen er jenen von der Leidenschaft eingenommenen Nonnen geschenkt hat und wie er ohne weitere Untersuchung zu Werke geht?
Ich sehe wohl ein, daß die Vorsteherin nicht die nötigen Eigenschaften zur Leitung des Klosters besitzt; allein ihre Fehler sind nicht derart, daß sie den Orden in Schande stürzen, da sie außerhalb des Klosters nicht bekannt werden. Ich habe den Nonnen schon geschrieben, daß Euere Paternität dorthin kommen werden, um alles in Ordnung zu bringen, sowie auch, daß sie ihre Versuchungen nicht der Vorsteherin, sondern dem Beichtvater vortragen sollten. Der Elisabeth von Jesu die Leitung des Klosters übertragen und ihr das Amt einer Subpriorin anvertrauen zu wollen, wäre eine große Torheit. Sie hat einige Tage während der Abwesenheit der Mutter Brianda das Kloster geleitet, und dieselben Nonnen konnten mit ihren Klatschereien und Spottreden zu keinem Ende kommen. Sie werden sie auch nie für dieses Amt haben wollen. Obwohl sie eine vortreffliche Nonne ist, so ist sie doch für dieses Amt untauglich. Andererseits wäre es ebenso töricht, der Anna von der Mutter Gottes wegen der paar Tage die Leitung des Klosters abzunehmen; denn Pater Anton hat es so eilig, daß er die Mutter Brianda ohne Verzug nach Malagón bringen will. Was mich betrifft, so kann ich nur sehr schwer diesem Vorhaben zustimmen; ich würde es nur tun, um sie bald wieder bei Gelegenheit einer Klosterstiftung von dort wegzunehmen. Denn ich könnte sie nur mit banger Furcht in jenem Kloster sehen, solange sich daselbst jener befindet, der gegenwärtig dort ist.
Dieser Pater wirft der Vorsteherin vor, daß sie nichts für die unbeschuhten Väter tue; allein ihr Verhalten gegen sie ist in allem der Verordnung entsprechend, die Euere Paternität erlassen haben. Man murrt über alle ihre Amtshandlungen; allein ich glaube nichts von dem, was man ihr nachsagt. Ich bin auch überzeugt, daß sie nicht mit neidischem Auge auf das sieht, was man für mich tut; ich kenne sie und weiß, daß sie durchaus nicht knauserig, sondern vielmehr sehr freigebig ist. Aber man muß, wie es scheint, alle ihre Worte abwägen. Euere Paternität wissen schon, daß mir Brianda geschrieben hat, ich möchte ihr befehlen, keinem Unbeschuhten etwas zu geben. Eine andere Nonne schrieb mir, man habe für diese Brüder mehr ausgegeben als für alle Kranken, deren es in jenem Jahre sehr viele gab. Ich glaube, mein Vater, daß diese Nonnen auch an der heiligen Klara eine Menge Fehler finden würden, wenn sie die Leitung dieses Klosters übernähme; der Grund ist die Gegenwart dessen, der sich dort befindet, und der Eigensinn der Schwestern.
Die Anschuldigung, daß die Vorsteherin die Kranken nicht gut pflege, ist eine arge Verleumdung; denn ihre Liebe ist sehr groß. Mit der früheren (Priorin oder Vorsteherin) kam ich, mein Vater, sehr in Verlegenheit; allein dies hat keine Bedeutung, wenn nur der Ruf nicht befleckt wird, besonders an einem Orte wie Malagón, durch den viele Menschen reisen. Das, was sie über ihren Ruf sagen, ist erbärmlich; denn die Priorin hat ihn in keiner Weise geschmälert, und sie verließ Malagón nur auf den Rat der Ärzte hin, um ihre Gesundheit wiederherzustellen. Ich weiß wahrhaftig nicht, was Euere Paternität hier tun sollen.
Ich finde es sehr nett, daß Pater Anton es für richtig gehalten, den Nonnen zu verbieten, daß sie den Namen Brianda aussprechen; er hätte nichts Besseres tun können. Überlegen Euere Paternität um der Liebe willen alles genau! Das geeignetste Mittel hierfür wäre wohl, nach Malagón eine Priorin wie Elisabeth vom heiligen Dominikus zu senden sowie eine gute Subpriorin und einige Nonnen aus diesem Kloster zu entfernen. Vor allem aber ist notwendig, daß Euere Paternität dem Pater Anton mitteilen, er möge keine Veränderung vornehmen, bis Sie alles sorgfältig geprüft haben. Ich werde ihm schreiben, daß man nichts tun könne, bis man sieht, welche Anordnungen Euere Paternität treffen. Auch werde ich ihn über mehrere Punkte aufklären.
Der Klosterbau dieser Nonnen macht mir Sorge, und es schmerzt mich, daß niemand ihnen zu Hilfe kommt. Sie müssen wohl schon einen kleinen Bau aufgeführt haben; ich wünschte aber, daß wenigstens zwei Stockwerke fertiggestellt würden und der Bau mit einer Klausurmauer umgeben werde, damit, wenn man jetzt nicht weiterarbeiten kann, nicht alles umsonst ist. Die Schwestern werden dann in diesem Neubau, auch wenn es nur kurze Zeit dauert, immerhin eine bessere Wohnstätte haben als da, wo sie jetzt sind. Wollen Euere Paternität ihnen dieses mitteilen!
Ich begreife nicht, mein Vater, wie Sie dem Pater Anton Ihre Vollmacht als Kommissär des Klosters zu Malagón übertragen konnten, ohne ihm zugleich eingehende Verhaltungsmaßregeln hierfür zu geben. Ich versichere Sie, daß ich darüber ganz verblüfft bin. Andererseits ist es nach meiner Ansicht eine große Schande für das Kloster, wenn man, und zwar so ganz ohne Grund, eine Nonne von ihrem Amte entfernt und dafür eine andere an ihre Stelle setzt. Könnte ich hoffen, daß dieser Pater N. sich bessert, so wäre es das beste für ihn, daß er sein Amt abgibt, aber den Titel Prior behält, bis es erlischt. Doch diese Hoffnung habe ich aufgegeben. Indessen haben Pater Bartholomäus von Jesu, Pater Franz von der Empfängnis und Anton Ruiz so sehr auf sein Verbleiben im Amte gedrungen, daß ich es für gewagt hielt, gegen ihre Ansicht zu handeln. Wollen Euere Paternität sich erkundigen und eine Entscheidung treffen, die Ihnen der Herr eingibt! Dieses wird gewiß das richtigste sein. Ich werde ihn bitten, er möge Sie erleuchten. Es ist aber dringend notwendig, daß Sie dem Pater Anton sogleich schreiben, er möge davon erblassen, die Vorsteherin, die eine wahre Heilige ist, zu martern. Gott sei allezeit mit Ihnen!
Euerer Paternität unwürdige Dienerin
Theresia von Jesu
Die Mutter Elisabeth vom heiligen Dominikus wird sich, wie ich glaube, nicht weigern, nach Malagón zu gehen; sie könnte im dortigen Kloster wieder alles in Ordnung bringen. Nach Segovia könnte man dann Brianda oder Maria vom heiligen Hieronymus senden. Möge Gott hier Abhilfe schaffen! Das Klima des Landes ist wohl zu warm für die Gesundheit der Elisabeth vom heiligen Dominikus; allein die Nonnen werden nicht wagen, sich über sie zu beklagen, da sie eine so erprobte Vorsteherin ist.
Ich habe diesen Brief aus Furcht, er möchte etwa verlorengehen, wieder geöffnet, um auszustreichen, was ich über Mariano gesagt hatte. Möge der Brief nicht verlorengehen! Ich bereite ihm arge Versuchungen.
