306. Brief — An die Mutter Maria vom heiligen Joseph, Priorin in Sevilla
Malagón, vor Mitte Januar 1580
Angelegenheiten der Klöster zu Malagón und Sevilla. Wahl der Subpriorin. Schuldforderung des Laurentius. Die Schwester Beatrix.
Jhs
Die Gnade des Heiligen Geistes sei mit Euerer Ehrwürden, meine Tochter!
In dem Brief an meinen Pater Nikolaus habe ich mich des längeren über mehrere Punkte verbreitet, die ich hier nicht wiederholen will, da Sie ohnehin Kenntnis davon erhalten werden. Ihr Brief ist so liebevoll und demütig abgefaßt, daß er eine lange Antwort verdiente. Da ich aber Ihrem Wunsche gemäß auch an den guten Pater Rodrigo Alvarez schreibe, so kann ich, wenn ich auch wollte, wegen meines Kopfleidens nicht leicht mehr zustande bringen. Serrano sagt, er werde diese Briefe jemandem geben, durch den sie sicher weiterbefördert werden. Gebe Gott, daß es wirklich so geschehe! Ich freute mich über seine Ankunft, und doch tut es mir leid, daß er sich von Sevilla fortbegeben hat. Ich bin ihm so dankbar für die Dienste, die er uns in der Zeit so großer Bedrängnis erwiesen hat, daß eine Erinnerung daran von Ihrer Seite nicht notwendig war. Ich werde mich bemühen, ihn zu bewegen, daß er wieder nach Sevilla zurückkehrt; denn es ist viel daran gelegen, in jenem Lande einen Mann zu haben, auf den wir uns verlassen können.
Hier geht es mir mit meiner Gesundheit weniger schlecht als an anderen Orten. Daß Ihre Gesundheit, wie mir die Schwester Gabriela schreibt, nicht gut ist, bedauere ich sehr. Ihre Prüfungen waren eben so groß, daß sie nachteilig auf Ihre Gesundheit einwirken mußten, selbst wenn Ihr Herz von Stein gewesen wäre. Es wäre mein Wunsch, ich hätte zu diesen Leiden nicht beigetragen. Aber verzeihen Sie mir; denn ich bin gegen eine Seele, die ich so innig liebe, unduldsam, wenn es sich um einen Fehler handelt, von dem ich sie frei zu sehen wünschte. So ist es mir auch mit der Mutter Brianda ergangen, an die ich schreckliche Briefe geschrieben, womit ich aber nicht viel erreicht habe. Wahrhaftig, was der Teufel im hiesigen Kloster angestellt hat, halte ich zum Teil noch für verderblicher als die Verfolgung in Sevilla, und zwar fürs erste, weil das Unheil länger andauerte, fürs zweite, weil das Ärgernis nach außen hin weit verderblicher war, und schließlich muß ich mich auch fragen, ob die Sache auch so gut ausfällt wie jene Verfolgung in Sevilla. Ich glaube es nicht, obwohl im Hause die Ordnung wiederhergestellt und die Unruhe entfernt ist. Der Herr hat alles wieder geordnet; er sei dafür gepriesen! Die Nonnen trugen an der ganzen Unordnung wenig Schuld; aber über die Schwester Beatrix von Jesu war ich am meisten aufgebracht. Sie hat mir nie davon ein Wort gesagt, und auch jetzt noch, da sie doch sieht, daß alle Nonnen mir von ihren vergangenen Prüfungen erzählen und ich von allem Kenntnis habe, sagt sie mir nichts. In diesem Benehmen liegt nach meiner Ansicht sehr wenig Tugend und Einsicht. Sie meint vielleicht, auf diese Weise die Regeln der Liebe zu beobachten; im Grunde genommen aber ist dies nichts anderes als große parteiische Anhänglichkeit. Die wahre Liebe darf die Fehler nicht verbergen, denen man ohne großen Nachteil abhelfen kann; hüten Sie sich darum um der Liebe Gottes willen, je etwas zu tun, was Ärgernis erregt, wenn man es erfährt! Lassen wir doch einmal die guten Absichten beiseite, die uns so teuer zu stehen kommen!
Sagen Sie ja darüber, daß jener Pater aus der Gesellschaft Jesu in Ihrem Kloster gespeist hat, niemandem etwas, auch nicht unsern unbeschuhten Vätern; denn sobald sie es erfahren, wird der Teufel, wie es ja seine Art ist, Aufruhr unter ihnen hervorrufen. Sie dürfen nicht meinen, daß es mich wenig gekostet hat, den Pater Rektor und die übrigen Patres, die hier sind, zu beruhigen; ich habe mir im Gegenteil viele Mühe geben und sogar nach Rom schreiben müssen, wo ich glaube, Hilfe gefunden zu haben. Dem Pater Rodrigo Alvarez, diesem heiligen Manne, und dem Pater Soto habe ich meinen innigsten Dank ausgesprochen für alles, was sie für uns getan. Grüßen Sie mir den letzteren und sagen Sie ihm, daß er meiner Ansicht nach mehr durch Werke als durch Worte seine Freundschaft offenbare; denn noch nie hat er mir geschrieben oder auch nur einen Gruß gesendet.
Ich begreife nicht, wie Sie sagen können, Pater Nikolaus habe Sie bei mir in schiefes Licht gesetzt; denn Sie haben nirgends in der Welt einen trefflicheren Verteidiger als ihn. Er hat mir nur die Wahrheit gesagt, damit ich über die Schäden in Ihrem Kloster, die er kannte, nicht im Irrtum sei. O meine Tochter, von welch geringer Bedeutung ist es doch, daß Sie sich in dem entschuldigen, was meine Person betrifft! Es ist mir, ich versichere Sie in Wahrheit, gleichgültig, ob sich meine Töchter um mich kümmern oder nicht, wenn ich nur höre, daß sie genau erfüllen, was ihre Pflicht ist. Sie haben meine Handlungsweise nicht verstanden; denn es scheint mir, daß mir die Schwestern, während ich mich mit so großer Liebe und Sorgfalt um alle ihre Bedürfnisse kümmere, nicht Glauben schenken und infolgedessen nicht tun, was sie tun sollten, so daß ich mich vergeblich abmühe. Diese Wahrnehmung hat mich so verdrossen, daß ich alles vollständig aufgeben wollte. Denn ich muß Ihnen sagen, es schien mir — und es ist dies auch in Wahrheit so — , daß ich doch nichts erreichen würde. Doch die Liebe, die ich zu meinen Töchtern trage, ist so groß, daß ich diesen Entschluß nicht ausführen könnte, selbst wenn ich nur einen ganz geringen Erfolg meiner Bemühungen sehen würde; doch reden wir darüber nicht weiter!
Serrano hat mir mitgeteilt, daß wieder eine Nonne aufgenommen wurde. Es sind aber, wie er meint, im Kloster zwanzig, und damit wäre die höchste Zahl erreicht. Ist dies wirklich so, dann kann niemand die Erlaubnis geben, noch mehr aufzunehmen; denn der Pater Vikar kann nichts genehmigen, was gegen die Verordnungen der apostolischen Kommissäre wäre. Sehen Sie doch um der Liebe Gottes willen ja recht darauf, [daß die festgesetzte Zahl nicht überschritten werde]; denn Sie würden sich über den Schaden entsetzen, der aus der übergroßen Zahl von Nonnen in diesen Klöstern entstünde, selbst wenn ihnen die nötigen Einkünfte und der entsprechende Lebensunterhalt nicht fehlen würden. Ich kann nicht begreifen, wie Sie alle Jahre so viele Zinsen zahlen mögen, da Sie doch die Mittel besitzen, um die Schuld abzutragen. Über die Geldsendung aus Indien habe ich mich sehr gefreut; Gott sei dafür gepriesen!
Ich komme nun auf die Subpriorin zu sprechen. Da Sie wegen
Ihrer schlechten Gesundheit Ihren Verpflichtungen im Chor nicht nachkommen können, so haben Sie eine Schwester nötig, die Ihre Stelle wohl zu vertreten versteht. Gabriela scheint zwar noch zu jung dafür zu sein, allein das hat wenig zu bedeuten. Denn sie ist schon lange im Orden, und die Tugenden, die sie besitzt, sind hier die Hauptsache. Sollte sie sich in den Angelegenheiten mit auswärtigen Personen nicht ganz zurechtfinden, so kann ihr ja die Schwester vom heiligen Franziskus zur Seite stehen. In jedem Fall ist sie gehorsam, so daß sie nichts gegen Ihre Anordnungen tun wird. Zudem hat sie eine gute Gesundheit und wird infolgedessen nie im Chore fehlen, was für eine Subpriorin sehr notwendig ist. Die Schwester vom heiligen Hieronymus dagegen ist nicht gesund. Man kann also dem Gewissen nach nichts Besseres tun, als dieses Amt der Schwester Gabriela anzuvertrauen. Weil sie schon unter der Amtsführung der unglücklichen Vikarin den Chor leitete, so konnten die Schwestern schon sehen, wie gut sie dieses Amt versah, und werden ihr um so lieber ihre Stimme geben. Übrigens kommt bei der Wahl einer Subpriorin mehr die Fähigkeit als das Alter in Betracht.
Was Sie in betreff der Novizenmeisterin schrieben, hat meinen Beifall gefunden, und ich habe dies bereits dem Prior von Pastrana mitgeteilt. Ich möchte, daß nur wenige Nonnen in einem Kloster sich befanden; denn eine allzu große Zahl ist, wie ich schon erwähnt habe, in jeder Hinsicht ein großer Übelstand. Es gibt nichts, wodurch die Klöster so leicht in Verfall kommen als gerade diese Überfüllung.
Da Sie so viel besitzen, um den Bedürfnissen des Ordens abhelfen zu können, so wäre es mein innigster Wunsch, Sie möchten allmählich von dem Gelde, das in Toledo hinterlegt ist, meinen Bruder bezahlen; denn er ist in der Tat in einer Notlage. Er muß noch immer Geld auf Zinsen aufnehmen, um alljährlich die fünfhundert Dukaten für das Erbgut zu bezahlen, das er erworben; eben jetzt will er etwas verkaufen, was in Sevilla einen Wert von tausend Dukaten hätte. Er hat schon mehrmals mit mir über diese Schuld gesprochen, und er hat nach meiner Ansicht auch recht, sein Geld zurückzufordern; zahlen Sie ihm daher, wenn auch nicht alles auf einmal, so doch etwas zurück! Sehen Sie, was zu tun ist!
Es ist ein großes Almosen, das der heiligmäßige Prior de las Cuevas spendet, indem er das Kloster mit Brot versorgt. Würde den Schwestern zu Malagón auch eine solche Unterstützung zuteil, so könnten sie durchkommen. So aber weiß ich nicht, was zu tun ist. Sie haben bisher nur Nonnen ohne Vermögen aufgenommen.
Bezüglich der von Ihnen erwähnten Stiftung in Portugal drängt mich der Erzbischof sehr; allein ich denke nicht daran, so bald dorthin zu reisen. Ist es mir möglich, so werde ich ihm heute noch schreiben. Sorgen Euere Ehrwürden dafür, ihm den Brief bald zu übersenden, und zwar durch einen zuverlässigen Boten!
Ich wünschte, die Schwester Beatrix möchte in ihrer Selbsterkenntnis so weit kommen, daß sie um des Heiles ihrer Seele willen zurücknähme, was sie dem García Alvarez mitgeteilt. Doch ich fürchte sehr, daß sie allein nicht zur Einsicht kommt und nur Gott sie dazu führen kann. Der Herr mache Sie so heilig, wie ich ihn darum bitte, und er erhalte Sie mir! Trotz Ihrer Unvollkommenheiten wünschte ich mehrere Nonnen zu haben, die so wären wie Sie.
Ich weiß wirklich nicht, was ich anfangen soll, wenn jetzt ein Kloster gestiftet wird; denn ich finde keine Nonne, die für das Amt einer Priorin tauglich wäre. Wohl müssen sich solche noch finden, allein sie besitzen keine Erfahrung; und wenn ich bedenke, was sich hier zugetragen, dann befällt mich jedesmal große Furcht. Denn fehlt es an Erfahrung, so wird uns der Teufel trotz der besten Absichten täuschen und seinen Nutzen daraus ziehen. Darum ist es notwendig, daß wir stets in der Furcht Gottes wandeln, auf ihn uns verlassen und auf unsere eigene Einsicht wenig Vertrauen setzen. Sonst wird Gott zulassen, daß wir, so gut auch unsere Absichten sein mögen, selbst in dem, wo wir das Rechte zu treffen meinen, Fehlgriffe machen.
Die Vorgänge im hiesigen Kloster, die Sie ja kennen, mögen Ihnen zur Warnung dienen! Denn ich versichere Sie, daß der Teufel sich gewiß bei Ihnen hätte einschleichen wollen. Deshalb mußte ich über manches, was Sie schrieben und so sehr betonten, staunen. Wo hatten Sie denn damals Ihren Kopf? Und was soll ich sagen von der Schwester vom heiligen Franziskus? O mein Gott, welche Albernheiten fanden sich nicht in ihrem Brief! Und dies alles, um ihr erwünschtes Ziel zu erreichen. Unser Herr gebe uns sein Licht! Denn ohne dieses haben wir nur Fähigkeit und Kraft zum Bösen.
Es freut mich, daß Sie in dieser Hinsicht so sehr enttäuscht worden sind. Es wird Ihnen dies in vieler Beziehung von Nutzen sein. Dadurch, daß man sich geirrt hat [und den Irrtum einsieht], wird man viel gewinnen, um in der Folge das Rechte zu treffen; man erwirbt sich nämlich auf diese Weise Erfahrung. Gott behüte Sie! Ich hätte nicht gedacht, daß ich so vieles schreiben könnte.
Euerer Ehrwürden Dienerin
Theresia von Jesu
Die Priorin und alle Schwestern empfehlen sich angelegentlich in Ihr Gebet.
