94. Brief — An die Mutter Maria Baptista, Priorin in Valladolid
Sevilla, anfangs Januar 1576
Visitation der beschuhten Karmeliten und andere schon im vorigen Briefe erwähnte Angelegenheiten.
Jesus sei mit Ihnen, meine Tochter!
Ich wünschte nur mehr Zeit zu haben, um Ihnen zu schreiben. Wenn ich jetzt sehe, was ich alles gelesen und geschrieben habe, so muß ich staunen, wie ich es zustande bringen konnte. Ich habe mir vorgenommen, mich kurz zu fassen; Gott gebe, daß ich es kann!
Was meine Reise nach Valladolid betrifft, so frage ich: Waren die dortigen Schwestern bei Vernunft, als sie meinten, ich werde mir einen Ort wählen und nicht vielmehr dahin gehen, wohin man mir zu gehen befiehlt? Wenn von Valladolid die Rede war, so wollte es unser Vater aus gewissen Gründen, die aber jetzt hinfällig geworden sind; es war aber, soviel ich glaube, niemals seine Absicht, daß ich für immer dorthin ginge. Ein Grund unseres Vaters war der Ausspruch des Nuntius, daß ich in der Stiftung von Klöstern fortfahren sollte wie vorher. Er hatte nämlich, wie es scheint, den Nuntius über den Stand der Dinge unterrichtet, und er meint, daß dieser jetzt der nämlichen Ansicht sei wie er. Da man den Nuntius aufgeklärt hat, ist er so gegen uns gesinnt, wie ich schon erwähnt habe. Ich bin aber fest entschlossen, keine Stiftung mehr vorzunehmen, wenn er nicht selbst es befiehlt. Es genügt, was geschehen ist. Unser Vater befindet sich eben hier; denn es ist jetzt Zeit, daß er sogleich mit der Visitation der Brüder beginnt. Bis jetzt hat er noch nicht damit begonnen.
Meine Brüder setzen alles in Bewegung, damit ich mit ihnen gehe. Besonders Laurentius ist es, der sagt, er werde hier den Befehl unseres Vaters abwarten, der etwas nachgiebig zu sein scheint. Ich schweige nur und bitte den Herrn, er möge jenem das in den Sinn geben, was zur größeren Ehre Gottes dient und wodurch ich ihm besser gefalle. Dieses ist es, was mir Ruhe verschafft. Und dasselbe mögen auch um der Liebe willen meine Töchter dort tun. Sagen Sie ihnen, Gott werde ihnen ihre Freude [über mein Kommen zu ihnen] vergelten; sie sollen mir aber glauben und niemals ihre Freude in dem suchen, was vergänglich ist; denn sonst werden sie sich getäuscht finden. Meiner Casilda sagen Sie dasselbe; denn ich kann ihr nicht schreiben.
In einem Briefe, den die Priorin von Medina Euerer Ehrwürden zugesandt haben wird, berichtete ich Ihnen, daß ich Ihre Briefe und das Porto erhalten habe. Jetzt sollen Sie kein Porto mehr senden, bis ich es Ihnen sage... Diese Summe ist sehr gering, und wenn die Schwestern auch noch die Aussteuer und die Verpflegungskosten abziehen sollten, so wird fast nichts bleiben. Darum schrieb mir auch ihre Mutter wiederholt und versicherte mich, sie habe nicht aus diesem Zweck so gehandelt, sondern um dem Verlangen des kleinen Mädchens zu genügen. Ich fürchte aber, es möchte nicht aus Rücksicht auf dieses Verlangen, sondern vielleicht aus einem anderen Grunde gegeben werden. Ist die Sache aus Gott, so wird er uns Einsicht gewähren.
Mein Kummer über das Leiden meines Vaters ist groß. Ich fürchte, er habe seiner Gewohnheit gemäß in der Adventszeit irgendeine Bußübung vorgenommen, wie etwa das Schlafen auf bloßer Erde; denn diesem Leiden ist er sonst nicht unterworfen. Lassen Sie ihm etwas um die Füße wickeln! Es ist dies wirklich ein heftiger Schmerz, und wenn er öfters wiederkehrt und lange anhält, ist es eine böse Krankheit. Erkundigen Sie sich, ob er gut angezogen ist. Gott sei gepriesen, daß es jetzt besser geht! Es gibt nichts, das ich so sehr empfinde als heftigen Schmerz. Ich möchte diesen auch meinen Feinden nicht wünschen. Für jetzt verlange ich, daß Sie ihm meine Empfehlungen und einen recht freundlichen Gruß von mir übermitteln.
Der Knabe ist doch noch recht jung, wenn er erst elf Jahre alt ist. Er sollte doch wenigstens zwölf Jahre zählen. Ich wünschte, daß er schreiben könnte, bevor er hierher kommt; denn er muß mit den Söhnen meines Bruders in die Lehranstalt bei St. Ägidius gehen, um daselbst die Studien zu beginnen. Mein Bruder erklärt, er wolle den Knaben, wenn er ihn auch nicht notwendig habe, annehmen, weil es sich um einen Wunsch des Vaters Dominikus handle...
Ich wünschte sehr, daß die Laienschwester dort Aufnahme finde, aber ich sehe keine Möglichkeit dazu; denn der gute Asensio hat uns gebeten, wir möchten eine Dienerin von ihm aufnehmen, und ich muß deshalb eine Nonne von Medina wegnehmen, um sie in Ihr Kloster zu versetzen. Dieselbe ist so heilig wie Stephanie, obgleich sie das Ordenskleid noch nicht trägt. Fragen Sie nur die Alberta, ob es nicht so ist. Wenn Sie diese Heilige aufnehmen, so erweisen Sie mir einen Dienst, der mir wertvoller ist als mein Leben. Wüßte die Doña Maria, was dies für eine fromme Seele ist, sie würde mich ganz gewiß um sie bitten. Sie könnten sie anstatt der Doña Mariana aufnehmen, für deren Unterkunft in einem anderen Kloster ich mich bei unserem Vater verwenden würde.
Es ist mir auffallend, daß Sie mir nicht geschrieben, was unser Vater gesagt hat. Vielleicht weiß er nicht, wo er sie unterbringen soll. Erkundigen Sie sich genau, welche Eigenschaften sie hat; und wenn sie tüchtig ist, müssen wir sie aufnehmen, wenn auch jetzt kein Platz frei ist. Hier geht uns noch eine ab, und ich wünschte gar sehr eine von dort. Weil aber die Entfernung gar so groß ist, so weiß ich nicht, wie sich das ermöglichen läßt. Sie wissen, daß unser Vater viele und sehr arme Schwestern hat, und weil unsere Liebe Frau ihm seine Eltern genommen hat, die an ihm eine Stütze hatten, so müssen wir ihn ihr auch überlassen...
