387. Brief — An Pater Hieronymus Gracián in Salamanka oder in der Umgebung von dieser Stadt
Ávila, am 26. Oktober 1581
Angelegenheiten der Klöster in Ávila und Villanueva. Unzufriedenheit mit Julian de Ávila. Charakteristik des Don Castro.
Jhs
Die Gnade des Heiligen Geistes sei mit Euerer Hochwürden!
Abgesehen von der Vereinsamung, die ich dadurch fühle, daß ich so lange nichts mehr von Ihnen erfahren habe, fällt es mir auch recht schwer, daß ich gar nicht weiß, wo Sie sich befinden; denn wenn etwas Wichtiges vorkäme, wäre ich in großer Verlegenheit, da ich Sie nicht um Rat fragen könnte. Aber auch außerdem ist mir dies recht peinlich. Gott gebe, daß Sie sich einer guten Gesundheit erfreuen! Auch ich bin gesund und jetzt eine große Priorin geworden, wie wenn ich mich sonst um nichts zu bekümmern hätte. Die kleinen Hefte sind schon fertig, und alle Nonnen haben große Freude daran.
Der Tochter der Anna vom heiligen Petrus habe ich erklärt, daß es ihr nicht erlaubt sei, heimlich die Profeß der Reform abzulegen. Sie bemerkte auch, daß ich entschlossen war, sie nicht Profeß ablegen zu lassen außer im Kloster der Menschwerdung, worauf sie wieder zu uns zurückkehren könne. Für diesen Fall bin ich mit ihrer Mutter darin übereingekommen, daß sie einen Teil ihrer Aussteuer im St.JosephsKloster, den anderen im Kloster der Menschwerdung übergeben solle. Übrigens erklärte mir niemand anders als ihre Mutter aufs entschiedenste, daß sie nicht geeignet sei zum Leben in der Reform. Dies nahm sich die Tochter sehr zu Herzen; sie erklärte, man möge sie prüfen so viele Jahre lang, als man wolle, sie werde mit den Beichtvätern, die man ihr gebe, zufrieden sein; und wenn man sie dann nach dieser Prüfung wieder ins Kloster der Menschwerdung zurückschicke, so werde sie sich freudig unterwerfen. Kurz, es ist seit einigen Tagen — es mögen höchstens vierzehn Tage sein — eine solche Veränderung in ihr vorgegangen, daß wir alle staunten. Ihre Seelenängste haben sie fast ganz verlassen, und sie ist so heiter, daß sie allem Anschein nach zufrieden und gesund ist. Wenn dieser Zustand andauert, dann kann man ihr mit gutem Gewissen die Ablegung der Profeß nicht vorenthalten. Ich habe mit ihr selbst gesprochen und auch bei ihren Beichtvätern mich erkundigt; und nach ihrer Aussage seien diese Gewissensunruhen nicht in ihrem Wesen begründet, erst seit eineinhalb Jahren leide sie hier daran; man hatte mir aber damals gesagt, daß sie sich immer in diesem Zustand befunden habe. Ich habe mit ihr nie darüber gesprochen und war nie in Ávila, seitdem sie sich in diesem Kloster befindet. Sie scheint auch jetzt etwas offener zu sein. Empfehlen sie Euere Hochwürden um der Liebe willen Gott! Manchmal habe ich mir schon gedacht, ob nicht der Teufel diese innere Ruhe, die sie jetzt genießt, verursacht habe, um uns zu täuschen und uns dann in tausend Schwierigkeiten mit ihr und ihrer Mutter zu verwickeln. Übrigens geht es ihrer Mutter gegenwärtig sehr gut. Mein Vorschlag, die Novizin ins Kloster der Menschwerdung zu schicken, gefiel ihrer Mutter und auch anderen Schwestern.
Diese Novizin wollte den Ihnen bekannten schriftlichen Vertrag umstoßen und dem hiesigen Kloster etwas mehr zuwenden. Sie bat mich, mit Doktor Castro sich besprechen zu dürfen, ohne mir zu sagen, zu welchem Zwecke. Dieser hat mir mitgeteilt, worum es sich handelte, und die Bemerkung gemacht, daß er von dem schriftlichen Vertrag Einsicht genommen habe und daß dieser in ganz rechtlicher Form abgefaßt sei. Sie bat ihn um sein Gutachten bezüglich ihres Vorhabens. Er aber weigerte sich, seine Ansicht auszusprechen, und gab ihr den Bescheid, einen anderen zu fragen, da er ein Freund der Theatiner sei und auch mit uns auf gutem Fuße stehe. Nun habe ich ihm erklärt, daß infolgedessen alle weiteren Unterhandlungen mit ihm überflüssig seien; denn um ihres Vermögens willen würden wir uns weder entschließen, sie zur Profeß zuzulassen, wenn sie für unseren Orden nicht tauglich ist, noch auch sie zu entlassen, wenn sie tauglich ist.
Sagen Sie mir doch Ihre Ansicht über diesen Mann und ob man ihm Vertrauen schenken darf; denn sein Verstand, sein gefälliges Wesen und seine klare Aussprache gefallen mir. Vielleicht kommt dies daher, daß er mit Ihnen so innig befreundet ist. Er kam schon mehrere Male in unser Kloster und predigt auch an einem Tage der Oktav von Allerheiligen bei uns. Er will niemanden Beicht hören, und doch scheint es mir, als hätte er Lust, meine Beichte abzunehmen. Ich vermute jedoch, daß dies nur Neugierde ist, da er sonst keine Freude an diesem Dienste hat. Nach seiner Aussage ist er ein großer Gegner aller Offenbarungen, und er schenkt selbst jenen der heiligen Brigitta keinen Glauben. Dies hat er jedoch nicht mir mitgeteilt, sondern nur in Gegenwart der Mutter Maria von Christus sich so ausgesprochen. Wäre dies zu einer anderen Zeit geschehen, so würde ich sogleich Mittel und Wege gesucht haben, um mich mit ihm über die Angelegenheiten meiner Seele zu besprechen; denn ich hatte eine besondere Vorliebe für Männer, die solcher Ansicht waren. Ich dachte mir nämlich, sie könnten mich, wenn ich in einer Täuschung befangen wäre, sicherer davon befreien als andere. Da ich aber jetzt von solchen Begünstigungen frei bin, so habe ich kein besonderes, sondern nur ein schwaches Verlangen, ihn zu Rate zu ziehen. Falls ich keinen anderen Beichtvater bekäme und Euere Hochwürden es für gut hielten, würde ich ihn als solchen erwählen. Übrigens habe ich, weil ich beruhigt bin, nur wenig mehr über meine Seelenangelegenheiten zu sprechen; ich rede darüber bloß noch mit meinen früheren Beichtvätern.
Beifolgend sende ich Ihnen einen Brief von Villanueva. Die Priorin des dortigen Klosters dauert mich, weil sie so viel mit ihrer Subpriorin auszustehen hat. Fast ebenso war es auch in Malagón. Personen von solcher Charaktereigenschaft geben allen Schwestern Anlaß zu schrecklichen Unruhen und stören den Frieden; darum scheue ich immer davor zurück, solche Leute zur Profeß zuzulassen.
Es wäre mein innigster Wunsch, daß Euere Hochwürden Villanueva de la Jara besuchen würden. Kommt die Gründung in Granada zustande, so wäre es gewiß nicht gefehlt, die Subpriorin mit einer oder zwei Laienschwestern dorthin zu versetzen. Unter der Leitung der Schwester Anna von Jesu und an einem größeren Orte würden sie sich leichter zurechtfinden; zudem befinden sich auch dort Patres aus unserem Orden zum Beichthören der Nonnen. Trotzdem hoffe ich, daß das Kloster in Villanueva gedeihliche Fortschritte machen wird; denn es befinden sich in ihm fromme Seelen; und wenn man auch die zwei Verwandten des Pfarrers, wie dieser es wünscht, aufnehmen würde, so wäre das für das Kloster sehr gut, vorausgesetzt, daß er sie mit dem ausstattet, was er versprochen hat.
Pater Nikolaus wünscht sehr, daß Sie sich nach Sevilla begeben; es handelt sich um eine Angelegenheit, worüber ihm sein Bruder geschrieben hat; doch scheint die ganze Sache nicht von Bedeutung zu sein. Ich habe ihm darum schon geschrieben, wie gut es den Schwestern in Sevilla geht, was ich einem Briefe entnahm, den die dortige Priorin schrieb. Auch habe ich ihm mitgeteilt, daß Euere Hochwürden unmöglich von Salamanka abkommen könnten.
Hier habe ich verordnet, daß im Falle der Erkrankung einer Schwester nie mehrere Schwestern mitsammen sie besuchen dürfen, sondern daß immer beim Eintritt einer Schwester die andere sich entfernen muß, außer es wäre die Krankheit derart, daß mehrere Schwestern zugegen sein müßten. Dieses Zusammensein von mehreren Nonnen verursacht allerlei große Mißstände; das Stillschweigen wird gebrochen, und es entsteht auch eine Störung in den gemeinschaftlichen Übungen, da unser so wenige sind. Mitunter könnte ein solches Zusammensein auch Anlaß geben zu üblen Nachreden. Wenn Sie diese Anordnung für gut halten, so treffen Sie diese auch für Salamanka, wenn nicht, dann geben Sie mir, bitte, Nachricht!
O mein Vater, wie Verdrießlich zeigt sich doch Julian! Es ist unmöglich, der Schwester Marianna zu verbieten, mit ihm zu sprechen, so oft sie will; man muß sie vielmehr bitten, mit ihm sich zu beraten. Es ist dieser Verkehr gewiß ganz heilig; aber Gott bewahre mich vor Beichtvätern, die dieses Amt schon so viele Jahre versehen! Es wird sehr schwierig sein, diesen Mißstand ganz abzustellen. Was würde wohl geschehen, wenn diese Seelen nicht ganz fromm wären?
Ich hatte diesen Brief schon geschrieben, als ich Gelegenheit fand, an einer Schwester Dinge zu bemerken, die mich sehr verdrossen haben. Aus diesem Grunde habe ich Ihnen dies mitgeteilt, wenn ich es auch anfangs nicht im Sinne hatte. Man wird hier dadurch Abhilfe schaffen, daß man die Schwestern, um die es sich handelt, nach Madrid versetzt, wenn diese Stiftung zustande kommt; ich kann eben diese Unterredungen, so heilig sie auch sein mögen, nicht ertragen. Gott mache Sie so heilig, wie ich ihn darum bitte! Amen. Er erhalte Sie uns!
Es ist heute der Vorabend von St. Vinzenz, morgen der Vorabend der zwei Apostel [Simon und Judas].
Euerer Hochwürden unwürdige Dienerin und
Untergebene
Theresia von Jesu
Der Überbringer dieses Briefes wird mich, wie mir die Priorin
von Toledo schrieb, wahrscheinlich morgen noch bitten, bei Euerer Hochwürden Fürbitte für ihn einzulegen, daß Sie ihn in den Orden aufnehmen. Ich stelle somit diese Bitte an Sie. Ordnen Euere Hochwürden überall, wo Sie sich befinden, die Gebete für die Schwester Maria Magdalena an, die Gott zu sich genommen hat, und benachrichtigen Sie auch die anderen Klöster!
