89. Brief — An Pater Gracián in Sevilla
Sevilla, Mitte November 1575
Eine große Gewissensangst der Heiligen. Sie verlangt zu beichten, um kommunizieren zu können. Seelenleiden der Heiligen.
Jhs
Die Gnade des Heiligen Geistes sei mit Ihnen, mein Vater!
Oh, wenn Sie sähen, wie niedergeschlagen und von Ängstlichkeiten erfüllt ich heute bin! Ich versichere Sie, daß ich mich sehr elend fühle, und das Schlimmste ist, daß ich mich niemals bessere. Ich habe heute dem Bischof erzählt, was Pater Angelus in Alba angeordnet hat; er war der Ansicht, daß das keine Bedeutung habe. Und was hätten wir nach seiner Ansicht Übles zu fürchten, wenn dieser Pater die Leitung unserer Klöster bekäme? Worin könnte er uns schaden?
Ich hielt es außerdem für nötig, mit ihm darüber zu sprechen, was sich in Medina ereignet hat, in Anbetracht dessen, daß diese Patres nicht heimlich handeln; es war sehr vorteilhaft, daß er auch von anderer Seite über gewisse Dinge aufgeklärt wurde, weil er sie meiner Ansicht nach nicht genau kannte. Trotz alledem hat mich das in solche Gewissensängste gestürzt, daß ich nicht weiter die Kommunion empfangen kann, wenn nicht einer von den Patres kommt, mich beichtzuhören. Sehen Sie, welche Stütze ich jetzt inmitten aller Beschäftigungen an Ihren Sorgen habe!
Ich habe mit dem Bischof auch über die andere Angelegenheit gesprochen. Er war der Ansicht, daß Padilla mir hierüber geschrieben habe, und ich ließ ihn in diesem Glauben. Seiner Ansicht nach dürfen noch soviel kommen und dazu sogar der Erzbischof von Granada, mit dem diese Patres in sehr naher Verbindung stehen, man wird sie nicht zum Gehorsam bringen, wenn man sie nicht zur Unterwerfung zwingt. Er fügt bei, daß diese Patres, wenn sie mit ihm über etwas sprechen, es in der Absicht tun, um herauszubringen, ob seine Ansicht der ihrigen entspricht, daß man aber auf seinen Rat gar nichts gebe; er sei nicht verpflichtet, sie zum Gehorsam zu bringen; endlich füge er niemand ein Leid zu, wenn er sich in diese schwierige Angelegenheit nicht mischen wolle. Und warum wolle man ihn als Vermittler in einen Streit verwickeln, der aussichtslos sei? Es gebe andere Wege als seine Vermittlung, die Erfolg haben können.
Bezüglich eines Punktes, von dem er gesprochen, habe ich gedacht, daß diese Patres nur insoweit gehorchen würden, als sie dazu unter Strafe der Zensur gezwungen wären. Jedoch hat er das nicht klar ausgesprochen; legen Sie also, bitte, kein Gewicht auf diese Bemerkung; denn ich täusche mich vielleicht. Wir empfehlen diese Angelegenheit inständig Gott. Wenn man alles wohl überlegt, wäre Gehorsam besser; auf diese Weise würde das Ärgernis verschwinden, das man der Stadt gibt. Es soll nicht an Leuten fehlen, die sie unterstützen. Möge ihnen Gott seine Erleuchtung geben! Wenn sie nicht gehorchen, werden Euere Wohlehrwürden ihnen nicht gleich ein Exkommunikationsschreiben schicken dürfen; so werden sie Zeit finden, alles mit Muße zu prüfen. Das ist meine Ansicht. Aber Sie wissen alles besser als ich, welche Maßnahmen man füglich ergreifen muß. Trotz alledem würde ich wünschen, daß man sich nicht den Anschein gebe, als wolle man sie zwingen.
Der Ordensmann, fügte der Bischof bei, den man an den Hof schickte, ist nach Rom abgereist, ohne den Nuntius zu sprechen. Diese Patres müssen sich bewußt sein, daß ihre Sache keine gute ist.
Unterlassen Sie es nicht, mich über Ihre Gesundheit zu benachrichtigen. Wie ich sehe, fehlt es Ihnen nicht an Voreingenommenheit, und das macht mir viele Sorgen. Euere Paternität haben eine großartige Hilfe an einem so armseligen Geschöpfe, wie ich es bin. Möge Gott mich besser machen!
Trotzdem sagte mir der Bischof, als ich mit ihm über die Angelegenheit des Paters Angelus sprach — er beschäftigt sich mit der anderen Angelegenheit nicht und mischt sich nicht hinein —, ich sollte dem Nuntius, der unser höherer Vorgesetzter ist, Mitteilung machen. Indessen denke ich mehr daran, Euere Paternität möchte an unseren Pater General in aller Liebe schreiben; ich finde es so angemessener. Übrigens kann meiner Ansicht nach niemand diese Aufmerksamkeit mißbilligen. Es ist schon übergenug, daß diese Dinge sich gegen seinen Wunsch vollziehen; warum soll man ihm keine guten Worte geben oder den Anschein erwecken, als ob man sich um ihn nicht kümmere? Bedenken Sie wohl, mein Vater, daß wir ihm Gehorsam versprochen haben; durch diesen Schritt können wir nichts verlieren.
Euerer Paternität unwürdige Dienerin
Theresia von Jesu
Der beiliegende Brief wurde mir von meinem Bruder gesandt. Bitte, sagen Sie mir, wie es Ihrem Bruder geht. Sie teilen mir darüber nie etwas mit. Vergessen Sie nicht, mir morgen jemand zum Beichthören zu schicken. Seit langen Jahren hatte ich nicht so viel zu leiden, als seitdem wir uns mit dieser Reform beschäftigen. Hier und dort sage ich immer mehr, als was mir lieb ist, und doch sage ich nicht alles, was ich wünsche.
Anschrift: An unseren Pater Visitator.
