70. Brief — An Doña Anna Henríquez in Toro
Valladolid, am 21. und 23. Dezember 1574
Angelegenheiten des Klosters zu Valladolid.
Jhs
Die Gnade des Heiligen Geistes sei allezeit mit Ihnen!
Es wäre für mich ein großer Trost gewesen, Sie hier zu treffen, und ich hätte die Beschwerden der Reise für gut angewendet gehalten, wenn ich hier Ihre Gegenwart länger als in Salamanka hätte genießen können. So aber habe ich diese Gnade von unserem Herrn nicht verdient. Er sei gepriesen in Ewigkeit! Die Priorin hier hat diese Freude voll genießen können; sie ist aber auch besser als ich und eine große Verehrerin von Ihnen.
Es hat mich recht sehr gefreut, daß Sie meinen Vater Balthasar Alvarez einige Tage bei sich behalten haben; so konnte er sich doch von seinen Anstrengungen etwas erholen. Der Herr sei gepriesen dafür, daß Sie sich jetzt einer besseren Gesundheit erfreuen als sonst gewöhnlich! Meine Gesundheit ist gegenwärtig viel besser als in den letzten Jahren, und dies heißt viel bei dieser Jahreszeit. In diesem Kloster habe ich Seelen gefunden, die mich zum Lobpreise des Herrn stimmten. Ist auch Stephanie in meinen Augen ganz gewiß eine Heilige, so haben mir doch auch die Geistesgaben der Casilda und die Gnaden, die ihr der Herr erweist, seitdem sie das Ordenskleid trägt, große Freude gemacht. Seine Majestät führe sie auf diesem Wege weiter voran! Denn Seelen, die der Herr schon so früh für sich erwählt, sind sehr hoch zu schätzen. Über die Einfalt der Stephanie in allen Dingen, die nicht auf Gott Bezug haben, kann ich nur staunen, wenn ich andererseits die tiefe Einsicht in die ewige Wahrheit bemerke, die sie in ihren Reden an den Tag legt.
Der Pater Provinzial hat das hiesige Kloster visitiert und auch die Wahlen vornehmen lassen. Die bisherige Priorin wurde wieder gewählt. Als Subpriorin kommt eine aus dem St. Josephskloster zu Ávila hieher, die man dazu erwählte, Antonie vom Heiligen Geiste mit Namen; sie ist im geistlichen Leben sehr gefördert. Doña Guiomar kennt sie.
Die Stiftung eines Klosters zu Zamora unterbleibt für jetzt, und ich schicke mich wieder an, auf dem weiten Wege zuzückzureisen. Ich hatte schon gedacht, mir die Freude zu machen, durch Toro zu reisen, um Ihnen meine Verehrung zu bezeigen. Schon lange Zeit habe ich von meinem Vater Balthasar Alvarez keinen Brief mehr erhalten und auch keinen mehr an ihn geschrieben, aber wahrlich nicht aus Abtötung; denn hierin, und ich glaube in allem, schreite ich niemals voran; der Grund dieser meiner Unterlassung liegt vielmehr darin, daß mir das Schreiben so vieler Briefe eine Qual ist, und wenn ich einen zu meinem Vergnügen schreiben möchte, so fehlt mir immer die Zeit dazu. Gepriesen sei Gott, den wir einst in Sicherheit ewig genießen werden! Hier, wo wir immer Abwesenheit und Veränderung zu bejammern haben, können wir uns auf nichts verlassen. Mit dieser Hoffnung auf das Ende fließt mein Leben dahin; man sagt mit Leiden, aber mir scheint es nicht so.
Hier erzählte mir die Mutter Priorin von meinem Wächter [Wärter], dessen Anmut ihr nicht weniger gefällt als mir. Unser Herr mache ihn recht heilig! Ich bitte Sie, ihm meine Empfehlungen zu sagen. Ich opfere ihn unzählige Male unserem Herrn auf und ebenso auch den Herrn Don Johannes Antonius. Vergessen Sie mich doch um der Liebe des Herrn willen nicht; denn ich habe es immer nötig, daß Sie mich ihm empfehlen. Bezüglich Doña Guiomar können wir nach dem, was Sie sagen und sie selbst versichert, außer Sorge sein. Ich wünschte recht sehr, ein Mittel zu finden, das einen so vortrefflichen Erfolg hat, um dasselbe zu erreichen und derselben Freude teilhaftig zu werden wie Sie. Unser Herr verleihe Ihrer Seele während dieser hohen Festtage eine so innige Freude, wie ich ihn darum anflehe.
Heute, am Feste des heiligen Thomas, hat Pater Dominikus hier eine Predigt gehalten, in der er den Wert der Leiden in einer Weise hervorhob, daß ich recht viele gehabt zu haben wünschte; möge sie mir der Herr auch in Zukunft senden! Ich habe an den Predigten dieses Paters eine außerordentliche Freude. Man hat ihn zum Prior gewählt; aber man weiß noch nicht, ob er bestätigt wird. Er ist so sehr mit Geschäften überhäuft, daß ich nur sehr kurze Zeit mit ihm verkehren konnte. Ich wäre zufrieden, wenn ich Sie nur ebenso lange sprechen könnte. Der Herr wolle es fügen und Ihnen soviel Gesundheit und Ruhe verleihen, als Ihnen zur Erlangung der ewigen Ruhe notwendig ist! Morgen ist der Vorabend von Weihnachten.
Ihre unwürdige Dienerin und Untergebene
Theresia von Jesu
