148. Brief — An die Mutter Maria vom heiligen Joseph, Priorin in Sevilla
Toledo, am 7. Dezember 1576
Klosterangelegenheiten in Sevilla und Lob des Paters Gracián.
Jesus sei mit Euerer Ehrwürden!
Heute, am Vorabend von Mariä Empfängnis, schickte mir der Maultiertreiber Ihre Briefe zu und ließ mir sagen, ich möchte mit der Antwort eilen. Darum müssen Sie, meine Tochter, verzeihen, wenn ich mich diesmal kurz fasse; denn es ist dies durchaus nicht mein Wille. Vielmehr möchte ich mich lange mit Ihnen befassen, da ich fürwahr eine große Liebe zu Ihnen trage. Jetzt insbesondere verpflichten Sie und Ihre Töchter mich um so mehr durch die Sorgfalt, mit der Sie unseren Vater verpflegen, wie er sagt; dadurch ist meine Liebe zu Ihnen noch inniger geworden. Daß Sie dies mit jener Umsicht tun, die ich Ihnen angeraten, freut mich sehr. Nach meiner Ansicht gibt es keinen Oberen und wird es auch keinen geben, mit dem man auf solche Weise verkehren könnte. Weil ihn der Herr für die Anfänge der Reform erwählt hat und dieser Anfangszustand nicht immer dauert, darum werden wir wohl nach meiner Ansicht nie mehr einen Mann erhalten, der ihm gleichkäme. Sind aber die Vorgesetzten nicht mehr so [heilig] wie er, dann würde durch ein solches Verhalten gegen sie der Unordnung Tür und Tor geöffnet werden, und dies wäre ein größeres Übel, als wir uns denken können. Es wird aber wohl nie mehr eine solche Notwendigkeit eintreten wie jetzt, wo wir mit größter Vorsicht zu Werke gehen müssen, da wir im Kriegszustande leben.
Gott vergelte Euerer Ehrwürden die Sorgfalt, mit der Sie mir die Briefe [unseres Vaters] zukommen lassen! Denn diese sind mein Leben. Diese Woche hat man mir alle drei Briefe, die Sie mir nach Ihrer Meldung geschrieben haben, überbracht. Kommen sie auch auf einmal, so werden sie doch nicht ungern angenommen. Der Brief der Schwester vom heiligen Franziskus hat mich zur Andacht gestimmt.
Man könnte ihn drucken lassen. Was unser Vater zustande bringt, scheint fast unglaublich zu sein. Gepriesen sei der Herr, der ihm solche Fähigkeit verliehen hat! Ich wünsche von Herzen, dem Herrn gebührenden Dank erweisen zu können für die Gnaden, die er uns gewährte, insbesondere für die Wohltat, daß er uns diesen Mann zum Vater gegeben hat.
Ich begreife hier, meine Tochter, die Trübsal und die Vereinsamung, in der die dortigen Schwestern sich befinden. Gebe Gott, daß das Übel der Mutter Subpriorin nicht von Bedeutung sei! Es würde mir dies schon deshalb leid tun, weil dabei Euere Ehrwürden noch mehr auszustehen hätten. Sehr hat es mich gefreut, daß der Aderlaß für Sie guten Erfolg hatte. Wenn der Arzt Ihre Krankheit erkennt, so wünschte ich nicht, daß Sie sich von einem anderen behandeln lassen. Gott möge dafür Sorge tragen!
Beiliegenden Brief von der Priorin in Malagón hat man mir heute gebracht; es ist schon viel, daß es nicht schlimmer mit ihr geht. Was ich nur immer zur Herstellung ihrer Gesundheit und zu ihrem Troste tun kann, will ich tun; denn abgesehen davon, daß ich ihr zu großem Danke verpflichtet bin, ist mir an ihrer Gesundheit viel gelegen. Aber noch weit mehr Interesse habe ich an der Gesundheit Euerer Ehrwürden. Glauben Sie mir dies gewiß und bedenken Sie selbst, ob ich nicht wünschen muß, daß Sie gesund seien.
Aus beiliegendem Blatte werden Sie ersehen, daß Pater Mariano Ihren Brief erhalten hat. Was den Brief meines Bruders betrifft, so habe ich Ihnen schon früher mitgeteilt, daß ich ihn mit anderen Briefen zerrissen haben muß; denn er lag offen da und konnte nicht anders abhanden gekommen sein. Es hat mir dies recht leid getan, und ich habe mir viele Mühe gegeben, ihn aufzusuchen, da er vortreffliche Einzelheiten enthielt. Eben hat mir mein Bruder mitgeteilt, er habe Ihnen durch den Maultiertreiber von Sevilla einen Brief übersandt. Darum schreibe ich nichts weiter von ihm, als daß seine Seele im innerlichen Gebet große Fortschritte gemacht hat und daß er viel Almosen gibt. Möchten Sie und Ihre Schwestern ihn sowie auch mich allezeit Gott empfehlen! Der Herr sei mit Ihnen, meine Tochter!
Es bereitet mir größeren Schmerz, zu erfahren, daß der Prior von Sevilla sein Amt nicht gut verwaltet, als zu wissen, daß er so kleinmütig ist. Unser Vater sollte ihn ernst zurechtweisen und ihm vor Augen stellen, wie sehr sein Verhalten zu tadeln ist. Er wird es gewiß auch tun. Empfehlen Sie mich allen, insbesondere dem Pater Gregor sowie dem Nikolaus, wenn er noch nicht abgereist ist, und allen meinen dortigen Töchtern! Die Briefe der Gabriela; grüßen Sie mir diese sowie auch die Subpriorin. O könnte ich Ihnen doch von jenen Nonnen, die sich hierzulande in Überzahl melden, einige zusenden! Doch Gott wird Ihnen Leute zur Verfügung stellen. Die Angelegenheit der Flotte will ich ihm gerne empfehlen. Ich erkenne gar wohl, was das Kloster ausstehen muß, und es macht mir dies große Sorge. Ich hoffe jedoch zu Gott, er werde für alles sorgen, wenn Sie nur gesund sind. Seine Majestät erhalte Sie mir und mache Sie recht heilig! Amen.
Es bereitet mir große Freude, daß Sie jeden Tag mehr erkennen, was Sie an unserem Vater haben. Ich habe ihn schon schätzen gelernt, als ich in Veas mit ihm zusammenkam. Von Veas und von Caravaca hat man mir heute einige Briefe gebracht. Den von Caravaca sende ich Ihnen hier, damit unser Vater und Sie ihn lesen mögen. Sie müssen ihn mir jedoch wieder mit demselben Maultiertreiber zurücksenden; denn ich habe ihn wegen der Angelegenheit der Aussteuer, von der darin die Rede ist, notwendig. In dem Brief, den man von diesem Kloster an die hiesige Priorin schrieb, beklagt man sich sehr über Euere Ehrwürden.
Nächstens werde ich an unsere Schwestern in Caravaca eine Statue unserer Lieben Frau senden, die sehr schön und groß, aber nicht bekleidet ist. Auch eine Statue des heiligen Joseph wird für sie angefertigt. Für diese beiden Statuen werden die Schwestern nichts zu bezahlen haben. Die dortige Priorin verwaltet ihr Amt sehr gut. Euere Ehrwürden haben sehr vernünftig gehandelt, daß Sie mich auf das Kneifen aufmerksam machten. Diese Unsitte rührt noch vom Kloster der Menschwerdung her.
Heute ist, wie schon erwähnt, der Vorabend von Mariä Empfängnis des Jahres 1576.
Euerer Ehrwürden
Theresia von Jesu
Unser Vater hat mir auf alle Briefe vollständig geantwortet und mir die Vollmachten übersendet, um die ich ihn gebeten. Küssen Sie statt meiner die Hand Seiner Paternität!
Anschrift: An die Mutter Maria vom heiligen Joseph, Priorin in Sevilla.
